Vereinte Nationen würdigen humanitäre Arbeit von religiös beheimateten Organisationen

9. Okt. 2015
Die Podiumsteilnehmenden der Nebenveranstaltung zur 66. Tagung des Exekutivausschusses des Programms des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen am 8. Oktober (von li.): Volker Türk, Beigeordneter UN-Flüchtlingshochkommissar für Schutzfragen, Dr. Mohamed Ashmawey, Geschäftsführer von Islamic Relief Worldwide, LWB-Generalsekretär Pfr. Dr. Martin Junge und Nan Buzard, Direktorin des International Council for Voluntary Agencies. Türk würdigte die humanitäre Arbeit von im religiösen Bereich beheimate

Die Podiumsteilnehmenden der Nebenveranstaltung zur 66. Tagung des Exekutivausschusses des Programms des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen am 8. Oktober (von li.): Volker Türk, Beigeordneter UN-Flüchtlingshochkommissar für Schutzfragen, Dr. Mohamed Ashmawey, Geschäftsführer von Islamic Relief Worldwide, LWB-Generalsekretär Pfr. Dr. Martin Junge und Nan Buzard, Direktorin des International Council for Voluntary Agencies. Türk würdigte die humanitäre Arbeit von im religiösen Bereich beheimateten Organisationen und forderte sie zu noch stärkerer Zusammenarbeit auf. Foto: LWB/S. Cox

Führende Rolle bei der Nothilfe

Genf, 9. Oktober 2015 (LWI) – Im religiösen Bereich beheimatete Organisationen übernehmen „auf bemerkenswerte Weise“ Führungsverantwortung im Bereich der weltweiten Flüchtlingsarbeit, so die Bewertung eines hochrangigen Vertreters des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR).

Anlässlich einer Nebenveranstaltung zur 66. Tagung des Exekutivausschusses des Programms des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen hat der Beigeordnete UN-Flüchtlingshochkommissar für Schutzfragen, Volker Türk, nicht nur die Leistungen dieser Organisationen angesichts der Rekordzahl an Flüchtlingen in der heutigen Welt gewürdigt, sondern sie auch aufgerufen, ihre Zusammenarbeit weiter zu intensivieren.

Er betonte weiterhin die Bedeutung des von Organisationen aus dem religiösen Bereich, einschliesslich des Lutherischen Weltbundes (LWB), erarbeiteten Papiers „Fremde willkommen heissen“, das das Engagement von religiöse Führungsverantwortung Tragenden für Flüchtlinge und Staatenlose bekräftigt.

Türk berichtete, er verteile selbst auf Dienstreisen Exemplare des Dokuments an UNHCR-Mitarbeitende und hoffe, sie damit zu einer engen Zusammenarbeit mit religiös beheimateten Organisationen zu ermutigen.

Der Impuls für eine engere Kooperation dieser Organisationen sei von einem 2012 vom Hohen Flüchtlingskommissar initiierten Dialog ausgegangen.

„Was Religion und ihre Bedeutung für den humanitären Kontext angeht, haben wir 2012 einen Meilenstein erlebt, bei dem die Wechselbeziehungen zwischen Religion, der Begleitung der Menschen vor Ort und dem Flüchtlingsschutz im Mittelpunkt standen“, erinnerte Türk die Teilnehmenden.

„Dieser Dialog war wohl derjenige, an den sich die umfangreichste konkrete Weiterarbeit anschloss. Was wir damals nicht für möglich gehalten hätten, ist heute etablierte Praxis.“

Im religiösen Bereich beheimatete Organisationen seien häufig unter den Ersten, wenn es darum gehe, Flüchtlinge zu schützen und Hilfsgüter bereitzustellen. Beispiele aus der Zentralafrikanischen Republik und aus Myanmar zeigten, dass es die religiösen EntscheidungsträgerInnen gewesen seien, die Alternativen zu Uneinigkeit stiftenden Elementen aufgezeigt hätten, so Türk.

LWB und IRW – gemeinsame Berufung zum Dienst an Flüchtlingen

LWB und Islamic Relief Worldwide (IRW) kooperieren bei Hygiene- und Friedensprojekten in Jordanien sowie bei der Erdbebenhilfe in Nepal. Die Leiter beider Organisationen wirkten als Podiumsteilnehmer an der Nebenveranstaltung „People of Faith for People in Need“ mit.

LWB-Generalsekretär Pfr. Dr. Martin Junge stellte fest, neben „Fremde willkommen heissen“ habe der Dialog 2012 als weiteres wesentliches Ergebnis zu einer Kooperationsvereinbarung zwischen LWB und IRW geführt, die ihre Beziehung vertieft habe. „Es ging dabei um eine bewusste Verpflichtung im Blick auf unsere gemeinsame Berufung zum Dienst an Flüchtlingen und Binnenvertriebenen.“

In Jordanien hätten beide Organisationen dafür gesorgt, dass ihre enge Zusammenarbeit nach aussen sichtbar war, und gezielt öffentlich über Friedensförderung gesprochen.

„Im religiösen Bereich geht es vorrangig darum, miteinander auf gemeinsame Ziele hinzuarbeiten anstatt sich durch Druck von aussen aus der Richtung bringen zu lassen. Wir wollen eine alternative Botschaft anbieten, deutlich machen, dass es möglich ist, zu kooperieren, und dass es eine andere Wahl gibt“, so Junge weiter.

Eine wichtige Aufgabe von Organisationen aus dem religiösen Bereich sei es, Raum in Herz, Geist und Seele der Menschen zu schaffen, damit ihre jeweilige Gesellschaft Raum für den Schutz von Flüchtlingen schaffe. Junge erinnerte daran, dass neben der ethisch-moralischen auch eine völkerrechtliche Verpflichtung zum Flüchtlingsschutz bestehe. Diese gelte für alle Unterzeichnerstaaten der Flüchtlingskonvention von 1951, in der die Schutzpflicht festgeschrieben sei.

IRW-Geschäftsführer Dr. Mohamed Ashmawey räumte ein, Religion werde leider bisweilen missbraucht und dies sei auch von jeher so gewesen. „Wir engagieren keine Engel, sondern Menschen. Manche Leute wenden die Religion auf falsche Art und Weise an. Sie sollte uns einen, nicht spalten. Wenn wir dagegen etwas tun können, noch dazu mit der Hilfe und dem Segen der Vereinten Nationen, dann leisten wir wirklich einen Beitrag, diese Welt für unsere Kinder zu bewahren.“

Nan Buzard, Direktorin des International Council for Voluntary Agencies, betonte, Organisationen aus dem religiösen Bereich hätten vielfältige Einflussmöglichkeiten bei Flüchtlingskrisen. Dementsprechend sei der diesjährige Sergio Vieira de Mello-Weltbürger-Preis an eine Gruppe von führenden Verantwortlichen aus dem religiösen Bereich in der Zentralafrikanischen Republik verliehen worden, die sich für Dialog und den Schutz der Bevölkerung engagieren.

Buzard nannte als weiteres Beispiel den Ebola-Ausbruch in Sierra Leone. Führende ReligionsvertreterInnen hätten hier der skeptischen Bevölkerung die reale Gefahr der Seuche vermittelt und sie zu Vorbeugungsmassnahmen angehalten.

Türk unterstrich, das Podium sei ein Beleg für den Mehrwert der Zusammenarbeit: „Wenn die Debatte um Asylfragen zu problematisch wird, sind besonders jene Personen und Organisationen gefragt, die mit religiöser Autorität ausgestattet sind, denn sie erreichen die Menschen auf ganz andere Weise“ als das UNHCR.