Ukraine: Pfarrer aus Odessa spricht über Engagement der Kirche inmitten des Krieges

16. Nov. 2023

Eine Krise und eine Chance, Kirche zu sein außerhalb der gängigen Stereotype über die Rolle der Kirche in der Gesellschaft: Pastor Alexander Gross von der DELKU in Odessa, Ukraine sprach in seinem Grußwort auf der Generalsynode der VELKD über die Veränderungen, die der Krieg für seine Kirche bedeutet.

Pfarrer Alexander Gross (l.) im Gespräch mit Ralf Meister, Leitender Bischof der VELKD

Pfarrer Alexander Gross (l.) im Gespräch mit Ralf Meister, Leitender Bischof der VELKD. Foto: VELKD 

„Wir bezeugen die Liebe Gottes inmitten des Hasses“ 

(LWI) – Infolge des Krieges habe die Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirche in der Ukraine (DELKU) 60 Prozent ihrer Mitglieder verloren, sagte Alexander Gross, Pfarrer der DELKU in Odessa. Viele sind ins Ausland geflohen, andere haben sich der Armee angeschlossen oder wurden im Krieg getötet. Gleichzeitig hat die Kirche neue Wege gefunden, außerhalb der Gemeinden Zeugnis abzulegen. Am letzten Tag der Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) übermittelte Gross Grüße im Namen seiner Kirche und sprach über die Situation eineinhalb Jahre nach der russischen Invasion der Ukraine.

Auch schon vor dem 24. Februar 2022 habe die Kirche Gemeinden auf der Krim und im Donbass aufgrund der russischen Besetzung verloren, sagte er. Viele Menschen haben das Land mit Beginn des totalen Krieges im Frühjahr 2022 verlassen. Die Gemeinden in Saporischschja und Cherson gerieten unter die russische Besetzung, die meisten Mitglieder der lutherischen Kirche flohen ins Ausland. „Die Invasion vor eineinhalb Jahren hat uns mindestens 60 Prozent unserer Mitglieder geraubt“, sagte Gross. „Einige unserer Gemeinden sind praktisch zu kleinen Gruppen geworden, andere existieren gar nicht mehr.“ 

„Wohin uns der Herr berufen hat“ 

Die Pfarrer der DELKU, so Gross, „gehen nicht weg, sondern bleiben in der Ukraine, wohin und für wen der Herr uns berufen hat.“ Die Kirche bietet soziale Unterstützung und Hilfe für die Menschen in der Nachbarschaft. „Wir sind denen nahe, die es brauchen. Wir helfen den Menschen dort, wo sie leben – mit Seelsorge, Kleidung, Medikamenten und Nahrungsmitteln“, erklärte der Pfarrer. „95 Prozent der Menschen, denen wir helfen, gehören nicht unserer Konfession an.“ 

So furchtbar der Krieg auch sei, so Gross, habe er doch einen anderen Aspekt des kirchlichen Dienstes gezeigt. „Mehr denn je haben wir die Chance, keine kulturfremde deutsche Kirche zu sein, sondern eine Kirche für alle zu werden. Wir wollen denen nahe sein, die es brauchen, und das bestehende Stereotyp über die Rolle der Kirche in der Gesellschaft durchbrechen.“ 

Glaube und Hoffnung verbreiten 

„Mit einem tiefen Fundament im Glauben bezeugen wir die Liebe Gottes inmitten des Hasses, den der Krieg mit sich gebracht hat“, sagte Gross weiter. „Wir lernen, während jeder versucht, sich selbst und seine Lieben zu retten, auch die Bedürfnisse anderer zu erkennen. Wir leben aus Glauben und Hoffnung dort, wo es für Menschen schwierig ist, eine gute Zukunft zu sehen. Wir sind stark im Herrn“, sagte er abschließend. 

LWB/C. Kästner-Meyer