Kenia: Inklusive Bildung in Kakuma

14. Jul. 2023

Der LWB leitet 34 Schulen in den Flüchtlingslagern von Kakuma im Nordwesten von Kenia. Sie werden nach dem Ansatz der inklusiven Bildung geleitet. Ungefähr 2.500 Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen werden im gleichen Klassenzimmer mit Kindern ohne Behinderungen willkommen geheißen.

Teacher James Lobalu, from South Sudan, shows Wuor Gai, who is bind, a drumming rhythm. All photos: LWF/Albin Hillert

Lehrer James Lobalu aus dem Südsudan zeigt Wuor Gai, der blind ist, einen Trommelrhythmus. Alle Fotos: LWB/Albin Hillert

Stigma von Behinderungen aufbrechen

Eine Seh- oder Höreinschränkung ist kein Grund, um jemandem Bildung zu verweigern. Das ist die starke Botschaft, die die Schulen des Lutherischen Weltbundes (LWB) in den Flüchtlingslagern von Kakuma mit ihrem Programm, Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen in ihren Klassen einzubinden, aussenden.

Der LWB leitet 34 Schulen in vier Sektionen des Flüchtlingslagers von Kakuma im Nordwesten von Kenia: 13 Vorschulen und 21 Grundschulen. Mit momentan mehr als 200.000 Flüchtlingen im Lager kann eine einzige Schule Tausende von Schulkindern verschiedener Altersstufen aufnehmen.

Eine dieser Schulen ist die Peace Primary, in der momentan fast 4000 Schülerinnen und Schüler zwischen 6 und 60 Jahren von der 1. bis zur 8. Klasse unterrichtet werden. Es wird das Konzept der inklusiven Bildung angewendet: Schülerinnen und Schüler mit Behinderung werden gemeinsam mit Menschen ohne Behinderungen unterrichtet.

Teacher James Lobalu, teaches a class of fourth-graders at Peace Primary School. Photo: LWF/ Albin Hillert

Lehrer James Lobalu unterrichtet eine Klasse von Viertklässlern an der Peace Primary School. Foto: LWB/Abin Hillert

„Eine Behinderung kann mich nicht aufhalten“

Schulleiter Jacob Nating'a erklärt, dass das Konzept erst 2018 an der Schule eingeführt wurde. „Wir sorgen dafür, dass alle Lernenden in der gleichen Schule, im gleichen Klassenzimmer, mit dem gleichen Lehrer oder Lehrerin und nur mit einigen Unterschieden bei den Lernmitteln unterrichtet werden“, sagt Nating'a.

Früher sei Behinderung in einigen Gemeinschaften in und um Kakuma stigmatisiert worden. Es gebe einige Aberglauben im Zusammenhang mit Behinderungen. Deshalb seien einige dieser Kinder zu Hause versteckt worden. Ihre Bildung wurde von ihren Familien nicht als wichtig angesehen. Mehr als einmal fanden LWB-Mitarbeitende Kinder, die eingeschlossen oder angebunden waren, damit sie nicht weglaufen.

Wuor Gai sits at his Braille typewriter. Photo: LWF/ Albin Hillert

Wuor Gai sitzt an seiner Braille-Schreibmaschine. Foto: LWB/Albin Hillert

Manchmal seien Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen in Sonderklassen unterrichtet worden, in denen Kinder mit kognitiven Störungen und Kinder mit körperlichen Beeinträchtigungen zusammen unterrichtet worden seien. Deshalb habe der Lehrplan nicht dem Potential der Kinder entsprochen.

Geist der Verantwortung

Der LWB half, diese Situation zu ändern. Jetzt „gehen LWB-Gemeinde-Mobilisierende von Tür zu Tür, um diese Kinder zu finden und mit ihren Eltern über die bestehenden Programme zu sprechen“, sagt Mary Obara, LWB-Programmkoordinatorin für Kenia. Während die Kinder medizinisch untersucht und später eingeschult werden, schließen sich die Eltern einer Gruppe von betroffenen Familien an, in der sie sich austauschen und voneinander lernen können. Der LWB gibt Tipps zur Bewältigung von Alltagssituationen und sorgt für den Transport zur Schule und für die Schuluniformen.

Class is underway at Shabele Primary School, taught by teacher Rogers Juma (right) and with sign-language interpretation given by Learning Support Assistant Amiza Lumumba (left). Photo: LWF/ Albin Hillert

Der Unterricht in der Shabele-Grundschule wird von Lehrer Rogers Juma (rechts) erteilt und von Lernhilfeassistentin Amiza Lumumba (links) in Gebärdensprache gedolmetscht. Foto: LWB/Albin Hillert

Die Aufnahme dieser Lernenden in die regulären Klassen und die technische Unterstützung, die sie benötigen, um dem Lehrplan einer regulären Schule zu folgen, sei ein entscheidender Schritt, um das Stigma zu brechen, sagt Schulleiter Nating'a. „Dadurch können die Lernenden sehen, dass ‚diese Behinderung mich nicht daran hindern kann, meine Ziele zu erreichen‘. Sie sehen, dass sie es im Leben schaffen können“, fügt er hinzu.

Langfristig wird das einen großen Unterschied machen. Und wir können in Zukunft auch Lehrerinnen und Lehrer mit Behinderungen haben.

Jacon NATING’A, LWB Schulleiter, Peace Primary, Kakuma

„Aber es gibt auch einen Geist der Verantwortung. Schülerinnen und Schüler ohne Behinderungen werden zu Helfenden, die dafür sorgen, dass Lernende mit Behinderungen ihre Aufgaben bewältigen können. Langfristig wird das einen großen Unterschied machen. Und wir können in Zukunft auch Lehrerinnen und Lehrer mit Behinderungen haben“, sinniert Nating‘a.

Als normal akzeptiert zu werden

Einer, der die integrative Praxis an der Peace Primary School erlebt, ist der blinde 24-jährige Schüler Wuor Gai. Er ist älter als seine Mitschülerinnen und Mitschüler, so wie andere Flüchtlingsschüler, deren Ausbildung wegen des Konflikts, vor dem sie geflohen sind, unterbrochen wurde. Sie wollen aber jetzt die Chance zum Lernen nutzen.

2016 kam Gai mit seiner Tante als Flüchtling aus Juba im Sudan nach Kakuma und sagt, er sei zuerst in eine andere Schule gegangen, bevor er in der Peace Primary angefangen habe. „Diese Schule ist anders“, sagt Gai, der eine Braille-Schreibmaschine benutzt, während die anderen in der Klasse Handschrift üben. „Wenn ich die Schule abgeschlossen habe, möchte ich Lehrer werden“.

Das Konzept der inklusiven Bildung kann für einzelne Schülerinnen und Schüler lebensverändernd sein, aber auch auf breiterer Ebene sei ein langfristiger Gewinn von inklusiver Bildung zu erwarten, sagt Atieno Fellian Dorcas, der Schulleiter der Shabele-Grundschule. Die Schule hat etwas mehr als 3.000 Schülerinnen und Schüler, darunter auch eine Gruppe hörgeschädigter Schülerinnen und Schüler, die mit Unterstützung eines Gebärdensprachassistenten unterrichtet werden.

„Wichtig ist es, Stigmata zu vermeiden, damit die anderen Lernenden die Behinderungen ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler nicht als etwas Seltsames ansehen, sondern als normal. So werden sie sie auch langfristig in der Gesellschaft akzeptieren“, sagt sie.

 

Der LWB unterrichtet derzeit 2.174 Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen in den Grundschulen von Kakuma. Weitere 245 Kinder mit Behinderungen gehen in eine vom LWB verwaltete Vorschule oder Einrichtung zur frühkindlichen Förderung.

LWB/Albin Hillert. Herausgegeben von LWB/C. Kästner-Meyer