Finnland: Musik, Mission und Jugendarbeit

4. Mär. 2024

In diesem Interview erzählt LWB-Ratsmitglied Jussi Luoma über seine Arbeit als Missionskoordinator und Leiter der Jugendarbeit in einer großen Gemeinde in Tampere sowie über seine Rolle als leitendes Mitglied eines finnischen Folklorechors.

Jussi Luoma von der Evangelisch-Lutherischen Kirche Finnlands

Jussi Luoma von der Evangelisch-Lutherischen Kirche Finnlands. Foto: LWB/Albin Hillert

Pfarrer Jussi Luoma über seine Leidenschaft, die Botschaft eines weltweiten Christentums zu verbreiten

(LWI) - Der 27 Jahre alte Pfarrer Jussi Luoma ist neben seinem Hauptberuf als Seelsorger, Koordinator für die Missionsarbeit und Jugendleiter auch noch Sänger, Schlagzeuger und Gitarrist und hat deshalb neben seiner Arbeit in einer der größten Gemeinden in Tampere im Südwesten Finnlands jeden Tag ein volles Programm. 

Nachdem er zuerst davon geträumt hatte, wie sein Vater einen medizinischen Beruf zu ergreifen, wurde besonders in der gymnasialen Oberstufe sein großes Interesse an den Weltreligionen und am weltweiten Christentum geweckt, über die er alles erfahren wollte. Dies führte schließlich im Mai 2022 zu seiner Ordination in der Evangelisch-Lutherischen Kirche Finnlands.  

Luoma wurde vor kurzem in den Rat des Lutherischen Weltbundes (LWB) gewählt und spricht mit uns über seine Ideen, junge Menschen für ein stärkeres kirchliches Engagement zu gewinnen und ihnen das Gefühl zu vermitteln, Teil einer großen lutherischen und christlichen Glaubensfamilie zu sein. 

Können Sie uns zunächst etwas über Ihren familiären Hintergrund erzählen? 

Ich bin in einem Vorort von Tampere als jüngstes von vier Geschwistern aufgewachsen. Mein Vater war Arzt und ist 2017 gestorben. Meine Mutter leitet nach wie vor einen privaten Kindergarten, in dem ich zusammen mit vielen anderen Kindern, Freunden und Freundinnen meine frühe Kindheit verbracht habe.  

Niemand in meiner Familie war Pfarrer oder Pfarrerin oder bei der Kirche angestellt. Meine Eltern sind aber regelmäßig in die Kirche gegangen und haben sich ehrenamtlich im Gemeinderat und in der Sonntagsschule engagiert. Ich bin in meiner Kindheit immer in die Kirche gegangen und habe auch an Jugendlagern teilgenommen. Die waren sehr wichtig für mich, denn das war ein sehr sicheres Umfeld, in dem man behütet aufwachsen konnte. 

Hat das Ihre Entscheidung beeinflusst, Pfarrer zu werden? 

Nun, zunächst hatte ich den Traum, dem Vorbild meines Vaters zu folgen und ebenfalls Mediziner zu werden. Ich war gut in der Schule und wollte die an mich gestellten Erwartungen erfüllen, erkannte aber schon auf dem Gymnasium, dass mich die dafür wichtigen Fächer nicht wirklich interessiert haben. Auf der anderen Seite hat mich der Religionsunterricht begeistert, und ich war besonders daran interessiert, etwas über die Weltreligionen und das weltweite Christentum zu erfahren. 

Ich hatte damals schon eine Möglichkeit für mich entdeckt, Jugendarbeit innerhalb der  Finnischen Missionsgesellschaft (FELM) zu leisten, die ein wichtiger Partner des LWB ist.  Ich wusste, dass die Arbeit in der Kirche und für eine Missionsgesellschaft die Chance für verschiedene berufliche Karrieren weltweit bot, die weit über die Tätigkeit eines Gemeindepfarrers hinausgingen. Das war für mich eine entscheidende Motivation.  

Sie arbeiten als Koordinator für die Missionsarbeit in Ihrer Gemeinde – welche Aufgaben sind damit verbunden? 

Ich glaube, dass die Mission nicht nur irgendeine Tätigkeit ist, sondern dass die Essenz der Kirche missionarisch ist. Einige Menschen in unserer „Volkskirche“, wie wir sie kennen, sehen ihren Glauben als Teil unserer finnischen Kultur und Tradition an. Trotzdem haben wir in unserem Land die Verpflichtung, global zu denken und die Verantwortung für den Kampf gegen wirtschaftliche und soziale Ungerechtigkeiten besonders gegenüber denjenigen zu übernehmen, die sich in besonders schwierigen Lebenssituationen befinden. 

Ich gehöre einem Team von zwölf Pfarrern und Pfarrerinnen an, die eine Gemeinde mit 40.000 Mitgliedern betreuen. Allerdings sind nicht alle in der Kirche aktiv. Zu meiner Arbeit gehören regelmäßige Sonntagsgottesdienste, Beerdigungen, Taufen, Hochzeiten, Konfirmationsunterricht und sonstige Jugendarbeit. Ich bin aber auch für die Koordinierung der Missionsarbeit und die internationale Netzwerkarbeit zuständig. Damit versuchen wir insbesondere, die Botschaft der globalen Missionsarbeit für Menschen aller Altersgruppen sichtbar zu machen. 

Sie waren ebenfalls an einigen interreligiösen Aktivitäten mit dem LWB beteiligt, richtig? 

Ich wurde eingeladen, im November 2022 in Oman an einem interreligiösen „Photo-Voice“-Projekt teilzunehmen, das zum Teil vom LWB für lutherische und muslimische Jugendaktivisten und -aktivistinnen organisiert wurde. Die Idee bestand darin, durch von uns aufgenommene Fotos an einem interreligiösen Dialog teilzunehmen. Das war eine Erfahrung, die mir die Augen geöffnet hat. 

Die Forderung, dass wir besser über das sprechen, was uns verbindet, und nicht über das, was uns trennt, mag sich wie ein Klischee anhören. Aber in diesen zehn Tagen wurde dieser Wunsch tatsächlich Wirklichkeit. Wir haben viel über unser Verständnis von Gott gesprochen und darüber, was es bedeutet, als gläubiger Mensch zu leben. Es war aufschlussreich festzustellen, dass wir aus unterschiedlichen Perspektiven über denselben Gott sprachen. 

Oman ist deshalb ein so faszinierendes Land, weil dort die religiöse Freiheit einen hohen Stellenwert hat und alle Konfessionen das Recht haben, zu missionieren – allerdings nur innerhalb ihrer eigenen religiösen Freiräume, in den Kirchen oder den Moscheen. Ich spreche nicht so gerne über die Evangelisation im traditionellen Sinn, sondern über eine ganzheitliche Mission durch Fürsprache, humanitäre Arbeit und Unterstützung der Ortskirche. Wenn wir durch diese Arbeit andere Menschen für das Christentum gewinnen können, dann ist das meiner Meinung nach ein zusätzlicher Erfolg, aber kein Selbstzweck. 

Welches sind die größten Herausforderungen bei Ihrer Arbeit? 

Ich versuche, den Menschen die Botschaft eines globalen Christentums zu vermitteln, dass sie Teil einer größeren Familie sind, zu der nicht nur unsere lokale Gemeinde zählt. Viele Menschen sehen sich selbst aber nicht so. Sie informieren sich über globale Themen in den sozialen Medien, und viele sind weit gereist. Trotzdem verstehen sie nicht, was es bedeutet, eine Beziehung zu Brüdern und Schwestern in anderen Teilen der Welt zu haben und Verantwortung für sie zu tragen. 

Aufgrund meiner Erfahrungen mit dem LWB kann ich viele Geschichten erzählen, aber die eigentliche Herausforderung besteht darin zu vermitteln, welche Bedeutung sie für uns haben können, scheinen sie doch so weit entfernt vom realen Alltag der Menschen in meiner Gemeinde zu sein. Wie kann ich ihnen begreiflich machen, dass diese Brüder und Schwestern in anderen Ländern die gleichen Träume und Hoffnungen haben wie sie selbst? 

Welche Prioritäten werden Sie als Mitglied des LWB-Rates für die kommenden Jahre haben? 

Es ist wunderbar, dass ich in meiner Gemeinde nahe an der Basis arbeiten kann, über den Rat aber nach wie vor aktuelle Informationen über die globalen Ereignisse bekomme. Die Herausforderung besteht darin, diese Botschaften und diese Arbeit  mehr Menschen in Finnland und darüber hinaus zu vermitteln. Unsere Priorität ist es, Wege zu finden, diese Arbeit allen bewusst zu machen und mehr junge Erwachsene aus meiner Kirche in globale Netzwerke einzubinden, denn sie sind ein ausgezeichnetes Tor zur Welt des globalen Christentums. 

Sie haben gesagt, dass sie sich um die psychische Gesundheit und das Wohlergehen junger Menschen sorgen – welche Rolle soll die Kirche hier spielen?  

In Finnland haben wir ein gutes Bildungssystem, die Gesundheitsversorgung ist ausgezeichnet, den Menschen geht es gut. Gleichzeitig gibt es jedoch ein hohes Maß an psychischen Problemen, Angstzuständen und Depressionen, wobei die globalen Krisen viele Menschen im Griff haben, zumal sie in den sozialen Medien mit voller Wucht damit konfrontiert werden. Als Kirche haben wir so viele Kontakte zu jungen Menschen, und wir können ihnen durch unsere seelsorgerische Arbeit und Gespräche echte Unterstützung geben und einen sinnstiftenden Raum für Begegnungen mit Freunden und Freundinnen bereitstellen. 

Falls es um ernstere Probleme geht, sehen wir es auch als unsere Pflicht an, sie bei der Suche nach professionellen Hilfsangeboten zu beraten. Unsere Botschaft kommt jedoch aus der Gnade und Liebe Gottes, um sie wissen zu lassen, dass nicht unser Handeln uns definieren, sondern wer wir sind. Das ist eine wichtige Botschaft in unserem Land, in dem viele psychische Gesundheitsprobleme auf eine leistungsorientierte Gesellschaft zurückzuführen sind und junge Menschen unter einem enormen Erfolgsdruck stehen.

Sie sind ebenfalls Musiker und singen in einem finnischen Folklorechor – stimmt das? 

Ich bin Mitglied des Männerchors von Tampere, der demnächst unter dem Namen „The Tampere Singers“ auftritt, und ja, ich habe viel Spaß daran, zumal ich als Sänger und Instrumentalist die Musik gut für meine Gemeindearbeit nutzen kann. Wir geben viele Konzerte, davon finden viele in Kirchen statt, deshalb ist es ganz natürlich, dass ich diese musikalischen Möglichkeiten für meine Arbeit nutze. Wir interpretieren finnische Lieder, Hymnen und Weihnachtslieder, aber auch immer mehr Popmusik und zeitgenössische Musik, um ein jüngeres Publikum anzusprechen. 

Ich war immer an Musik interessiert, das liegt an meiner Jugendarbeit in der FELM. Ich habe zuerst Schlagzeug gelernt und spiele es immer noch, aber danach kam noch das Gitarrespiel dazu, um Gottesdienste und Konfirmationscamps leiten zu können. Ich liebe es, jungen Menschen Lieder aus anderen Teilen der Welt beizubringen, und durch meine Arbeit für den LWB hatte ich die großartige Chance, überall auf der Welt für mich neue Musik zu entdecken. 

LWB/P. Hitchen