Zentralafrikanische Republik: Humanitäre Hilfe für Vertriebene

21. Mai 2014
Armand Yabinti, Kontaktperson im LWB-Nothilfeprogramm in der Zentralafrikanischen Republik, vor den Trümmern seines Hauses in Bohong in der Präfektur Ouham Pendé. Foto: LWB/P. Mumia

Armand Yabinti, Kontaktperson im LWB-Nothilfeprogramm in der Zentralafrikanischen Republik, vor den Trümmern seines Hauses in Bohong in der Präfektur Ouham Pendé. Foto: LWB/P. Mumia

Dörfer durch Milizen zerstört - Schlechte Sicherheitslage erschwert Zugang zu Betroffenen

(LWI) - Yvonne Ndongoe hat aufgehört zu zählen, wie oft sie mit ihrer Familie schon in den Busch fliehen musste. Das kleine Dorf Gbetene im Westen der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) zwischen Bohong und Bouar ist regelmässig Ziel von Angriffen militanter Gruppen. Seit März 2013 haben religiös geprägte Kämpfe das Land fest im Griff. 

„Nachdem wir vier Monate unter grössten Schwierigkeiten im Busch überlebt haben, haben wir uns entschlossen, in unser Dorf zurück zu kehren - obwohl wir wussten, dass wir alles verloren hatten“, berichtet die siebenfache Mutter und zeigt uns ihre teilweise strohgedeckte Hütte. Auf der anderen Seite des Zauns baut ihr ebenfalls zurückgekehrter Nachbar David Danwen sein Haus wieder auf. Die Regenzeit habe begonnen und seine Familie brauche Schutz, erzählt er, während er Stroh auf das Dach seines vollständig geplünderten und verwüsteten Hauses legt.

Die meisten der 19.700 Menschen in dem Dorf haben sich mit den Angriffen abgefunden. Nachdem zuerst bewaffnete Seleka-Rebellen  im August 2013 die Präfektur Ouham Pendé überfielen, folgten später Vergeltungsaktionen der Anti-Balaka-Milizen. Jedes Mal wird das Dorf zerstört.

Spirale der Gewalt

Armand Yabinti schaut auf die Ruinen seines Dorfes, als er schweigend zu den Überresten seines Hauses geht. Seit Kurzem ist er im Nothilfeprogramm des Lutherischen Weltbundes (LWB) in ZAR Kontaktperson für die lokale Bevölkerung. Der letzte Angriff hat auch sein Haus nicht verschont. Es hat kein Dach mehr, die Wellbleche, mit denen es gedeckt war, sind verschwunden. Die Innenwände sind zerstört, die Holzrahmen der Fenster und Türen verschwunden, auf dem Boden liegen zertrümmerte Ziegelsteine. Er zeigt auf mehrere andere Gebäude in gleichem oder noch schlimmerem Zustand, darunter auch eine kleine Moschee am Rand des Dorfes.  

Wie Yabinti ist fast jeder im rund 70 Kilometer von der Regionalhauptstadt Bouar entfernten Bohong direkt von der religiös geprägten Gewalt betroffen. Bei den Angriffen im August, so berichtet Dorfvorsteher Félix Wosso, wurden fünf Menschen getötet und Hunderte verletzt. Mehr als 1.740 Häuser und andere Gebäude sind komplett zerstört. Jetzt wo die Regenzeit beginnt kommen viele der Menschen, die in den Busch geflohen oder bei Verwandten und Freunden untergekommen waren, vorsichtig zurück. Gleichzeitig nimmt aber auch die Angst zu, dass bewaffnete Milizen das Dorf erneut angreifen könnten.  

Die Spirale der Gewalt und der Unsicherheit im Norden und Westen des Landes setzt sich fort, trotz der Anwesenheit internationaler Friedenstruppen im Land und obwohl im Januar 2014 die dritte Übergangsregierung in einer Folge von politischen Umwälzungen eingesetzt wurde. Die Distrikte Bouar und Baboua in der Präfektur Nana Mambéré, in denen der LWB humanitäre Nothilfe leistet, werden von bewaffneten Überfällen und Entführungen heimgesucht, was die Hilfe für die Binnenvertriebenen extrem erschwert. Wer in die zerstörten Dörfer zurückkehrt, schläft auf der nackten Erde ohne Matten oder Decken. Plünderer haben ganzen Familien alles genommen.

Hygienesets und Wasserkanister

Seit März 2014 verteilt der LWB über sein Nothilfeprogramm Hilfsgüter an die betroffene Zivilbevölkerung in Bohong und in mehreren anderen Dörfern. Dabei hat er besonders Haushalte im Blick, in denen Frauen allein für ihre Familien sorgen müssen, und wo Menschen mit Behinderungen leben. Mehr als 3.000 Haushalte haben Hygienesets mit Seife, Eimern und Wasserkanistern, Bechern, Zahnpasta und Zahnbürsten, Hygieneartikeln und Unterwäsche für Frauen erhalten.

Da die meisten Menschen während der wichtigen Monate des Pflanzens und Unkrautjätens vertrieben wurden, hat der LWB landwirtschaftliche Geräte an 725 Familien verteilt, damit sie ihr Ackerland wieder bestellen können. Zu den Hilfsmassnahmen gehört auch die Instandsetzung der Wasserstellen im Ort, da zahlreiche Dorfbrunnen und Pumpen aufgegeben oder zerstört wurden. Mit dem  Programm zum Wiederaufbau von Unterkünften sollen in dem Gebiet zwischen Bouar und Bohong mehr als 4.500 Häuser wieder bewohnbar gemacht werden.   

Im Rahmen einer finanziellen Soforthilfe werden von ausgesuchten lokalen Händlern Grundbedarfsartikel geliefert. Rund 1.200 besonders hilfsbedürftige Haushalte bekommen Warengutscheine im Wert von USD 80, mit denen sie das Notwendigste kaufen und ihre Lebenssituation verbessern können.  

In Bouar arbeitet das LWB-Nothilfeprogramm mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Zentralafrikanischen Republik zusammen. Der LWB unterstützt die Gesundheitszentren der Kirche auch beim Verteilen von Moskitonetzen zum Schutz der Bevölkerung vor Malaria.

Sicherheits- und Logistikprobleme

„Es muss noch viel mehr für die Menschen hier getan werden, die unter Angst und der erlebten Gewalt leiden“, sagt Serena Badenhorst, Teamleiterin im LWB-Nothilfeprogramm in der Zentralafrikanischen Republik.

Neben der humanitären Soforthilfe und der Existenzsicherung sei besonders psychosoziale Unterstützung wichtig für die Menschen, Gemeinschaften und Kirchen sei. „Der Wiederaufbau der Lebensgrundlage geht Hand in Hand mit einer guten psychischen und physischen Gesundheit“, fügt sie hinzu.

Doch während die humanitäre Hilfe dringend benötigt wird, werde es immer schwieriger, die betroffene Bevölkerung zu erreichen. Die Sicherheitslage verschlechtert sich zunehmend, erklärt Badenhorst : „Aussenstehende könne sich kaum vorstellen, mit welchen Logistik- und Sicherheitsproblemen wir hier kämpfen. Es nimmt immer mehr Zeit und finanzielle Mittel in Anspruch, Menschen in extremen Notlagen zu erreichen. Wir versuchen unser Bestes, aber wir brauchen mehr finanzielle Ressourcen und Unterstützung, um der Zivilbevölkerung helfen zu können, die in dieser Krise zwischen die Fronten geraten ist.“  

Das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) schätzt die Zahl der Binnenvertriebenen  in der Zentralafrikanischen Republik auf über 567.630. Rund 142.600 der Binnenvertriebenen befinden sich in 42 Einrichtungen in der Hauptstadt Bangui sowie in Gemeinden, die sie aufgenommen haben, darunter auch die lutherische Gemeinde St. Timothy. Dort leben derzeit etwa 190 Binnenvertriebene, die meisten von ihnen Kinder unter 14 Jahre.  

Seit Dezember 2013 sind rund 360.000 Menschen aus der Zentralafrikanischen Republik geflohen und leben jetzt als Flüchtlinge in den Nachbarstaaten – der Demokratischen Republik Kongo, Kamerun, der Republik Kongo und dem Tschad.