Wiederaufbau der Häuser und des kulturellen Erbes in Nepal

27. Apr. 2016
Eine Frau im Gatlang, einem Dorf im Rasuwa-Distrikt an der tibetischen Grenze. Der LWB unterstützt die Bevölkerung beim Wiederaufbau ihres Dorfes in der traditionellen Bauweise. Foto: ACT/Paul Jeffrey

Eine Frau im Gatlang, einem Dorf im Rasuwa-Distrikt an der tibetischen Grenze. Der LWB unterstützt die Bevölkerung beim Wiederaufbau ihres Dorfes in der traditionellen Bauweise. Foto: ACT/Paul Jeffrey

LWB Nepal hilft Berggemeinschaften beim Wiederaufbau ihrer traditionellen Häuser

Kathmandu, Nepal/Genf, 25. April 2016 (LWI) – Vor einen Jahr hat ein  Erdbeben der Stärke 7,8  in Zentralnepal und im Osten des Landes verheerende Schäden angerichtet. Ein Jahr später hat der Wiederaufbau der Gemeinschaften mit Hilfe des LWB begonnen.

 Während Millionen Erdbebenopfer eine weitere Monsunzeit in Notunterkünften verbringen müssen, machen sich die Berggemeinschaften Sorgen über den Erhalt ihres einzigartigen kulturellen Erbes, das bisher eine wichtige touristische Einnahmequelle für Nepal war. Der LWB Nepal und seine Partner helfen den Gemeinschaften im Hochhimalaya beim Wiederaufbau ihrer traditionellen Häuser, diesmal jedoch in einer stabileren Bauweise.

Es ist früh am Morgen, und die Sonne wirft einen langen Schatten in das Tal von Gatlang, einer Tamang-Gemeinschaft im Hochhimalaya in der Nähe der Grenze zu Tibet. Das Dorf wurde von dem Erdbeben im vergangenen Jahr hart getroffen. Alle traditionellen Häuser sind eingestürzt, vier Menschen sind gestorben. Gatlang, das einst als Musterbeispiel für die einzigartige Bergarchitektur galt, besteht heute – wie viele andere Dörfer in den am härtesten getroffenen Distrikten in Nepal – aus Schutt und Notunterkünften aus Zinkblechen.

Sorge um das kulturelle Erbe

In einer der Notunterkünfte bereitet Pasang Tamang das Frühstück für ihre Familie zu. Die junge Mutter von zwei Kindern lebt seit fast einem Jahr in einer Hütte aus Wellblech und Holz, das aus ihrem eingestürzten Haus stammt. Pasang erzählt uns, dass sie sich Sorgen macht – nicht nur wegen der Verzögerungen beim Wiederaufbau, sondern auch wegen der Art und Weise, wie die Häuser wiederaufgebaut werden.

„Die ist ein kalter Ort. Unsere Vorfahren haben Holz verwendet, um warme Häuser zu bauen. Da sogar die Dächer aus Holz bestanden, wurde das Dorf auch als „Black Village“ bezeichnet und galt als Touristenattraktion. Eine Rekonstruktion in der traditionellen Bauweise wird gut für uns und für die Hotels sein. Holz ist aber sehr teuer im Einkauf, und das Fällen von Bäumen wird fast nie erlaubt.”

Pasang ist mit ihren Bedenken nicht allein. Überall in Nepal machen die Menschen sich Sorgen über den Verlust ihres kulturellen Erbes, nachdem das Erdbeben von 2015 mehr als 750.000 Häuser zerstört hat.  

„Beim Wiederaufbau geht es nicht nur um den Bau neuer Häuser, sondern auch um unser kulturelles Erbe. Gatlangs Architektur war einzigartig und hat zahlreiche Touristen zu uns geführt.  Der Wiederaufbau im traditionellen Stil ist deshalb auch wichtig, um die bisherige Existenzgrundlage wiederherzustellen.“ Dr. Prabin Manandhar, Direktor des LWB-Programms in Nepal.

Zwar wurden die Nothilfeprogramme von LWB Nepal und seinen Partnern sowie anderen Organisationen als rechtzeitig und effektiv begrüßt, aber die Überlebenden haben auch ein Jahr nach der Katastrophe nur ihre Notunterkünfte oder riskieren ihr Leben, wenn sie in ihre beschädigten Häuser zurückziehen. Millionen von Menschen müssen sich auf eine weitere Monsunzeit einstellen, die vier Monate dauert und ausgiebige Niederschläge bringen wird, die den Notunterkünften zusetzen und zu gefährlichen Erdrutschen führen werden. 

Wiederaufbau von Häusern

Die Verzögerungen beim Wiederaufbau wurden von einer politischen Krise verursacht, die auf die Verabschiedung einer neuen Verfassung im September zurückzuführen ist. Weiterhin gab es kaum Fortschritte bei der Einsetzung einer Nationalen Wiederaufbaubehörde, die die Verteilung der Regierungsgelder überwachen und die Konstruktionspläne für erdbebensichere Häuser genehmigen soll. Zwar ist die Verwendung von Steinen und Holz erlaubt, aber die Menschen müssen sich eng an die Vorgaben halten und langwierige Genehmigungsverfahren beachten.  

LWF Nepal hat sich mit Islamic Relief Worldwide und dem lokalen Partner Manekor Society Nepal zusammengetan und unterstützt fünf Dorfgemeinschaften im Rasuwa-Distrikt. Die Gemeinschaften wählen 230 besonders hart getroffene Familien aus, deren Häuser wiederaufgebaut werden. LWF Nepal begleitet die Menschen beim Wiederaufbau und bildet sie im Maurerhandwerk aus. Diese Ausbildung ist wichtig und sorgt dafür, dass die neuen Häuser erdbebensicher sind, wobei lokal verfügbare Materialien wie Steine, Lehm und Holz verwendet werden. Bisher wurden 150 Gemeinschaftsmitglieder, darunter auch zahlreiche Frauen, im Maurerhandwerk ausgebildet.   

„Beim Wiederaufbau geht es nicht nur um den Bau neuer Häuser, sondern auch um unser kulturelles Erbe“, sagt Dr. Prabin Manandhar, Direktor des LWB-Programms in Nepal. „Die Kultur ist das Herz unserer Nation. Gatlangs Architektur mit den in Stufen aneinandergebauten Hausreihen, die sich  perfekt in ihre Umgebung eingefügt haben, war einzigartig und hat zahlreiche Touristen zu uns geführt. Der Wiederaufbau im traditionellen Stil ist deshalb auch wichtig, um die bisherige Existenzgrundlage wiederherzustellen.“  

Mittlerweile bereiten sich die Menschen in Gatlang auf die Gedenkfeier für die Opfer des Erdbebens vor einem Jahr am 25. April vor. „Wir sind dankbar für die Unterstützung, die wir bisher bekommen haben, aber wir sind auch besorgt darüber, dass wir noch eine Monsunzeit und vielleicht noch einen weiteren Winter in Unterkünften verbringen müssen, die für dieses Klima nicht geeignet sind“, sagt Pasang.

Als sie ihren Kindern das Frühstück auf den Tisch stellt, sagt Pasang: „Wir wollen unserer Häuser so gut es geht wieder im traditionellen Stil wiederaufbauen. Aber um Holz zu kaufen, brauchen wir Geld, das wir nicht haben. Ich hoffe, wir bekommen Unterstützung für den Wiederaufbau in der traditionellen Bauweise, damit wir an diesem  kalten, entlegenen Ort überleben können“.

 

Beitrag von LWB-Korrespondentin Lucia de Vries