Verwurzelt in unserer Geschichte – auf dem Weg in Gottes Zukunft

16. Jun. 2016
LWB-Generalsekretär Pfarrer Dr. h.c. Martin Junge. Foto: LWB/M. Renaux

LWB-Generalsekretär Pfarrer Dr. h.c. Martin Junge. Foto: LWB/M. Renaux

Bericht von Generalsekretär Junge an den LWB-Rat

WITTENBERG, Deutschland/GENF, 16. Juni 2016 (LWI) – „Die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedskirchen des Lutherischen Weltbunds (LWB) macht diese zu starken Fürsprechern für Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung in einer Welt, in der Gewalt, Misstrauen, Radikalisierung und der Zusammenbruch von Beziehungen ein beängstigendes Mass erreicht haben“, so Generalsekretär Pfarrer Dr. h.c. Martin Junge zu Beginn der diesjährigen Tagung des Leitungsgremiums der Kirchengemeinschaft in Lutherstadt Wittenberg.

„Lutherisch zu sein bedeutet diakonisch zu sein“, unterstrich Junge in seinem heutigen Bericht vor dem LWB-Rat, der bis 21. Juni tagen wird. Er blickte auf das vergangene Jahr zurück und hob Aktivitäten des LWB hervor, die den Bedarf für eine noch stärkeren Anwaltschaft und engeren Zusammenarbeit zwischen den 145 Mitgliedskirchen der Kirchengemeinschaft unterstreichen – mit dem Ziel bedürftigen Menschen zu dienen und weiter auf das Ziel der Kircheneinheit hinzuarbeiten.

“Zusammenarbeit, die sich auf einer Einstellung der Solidarität gründet, kann nicht länger als selbstverständlich vorausgesetzt werden“, so der Generalsekretär. Mit diesen Worten bezog er sich auf die wachsende Uneinigkeit in Gemeinschaften, Staaten und Regionalstrukturen, einschliesslich der Europäischen Union und der Vereinten Nationen (UNO). Er warnte die Kirchen davor, in das allzu leichte Kopieren, Verstärken und Aufrechterhalten solcher negativer Mechanismen zu verfallen.

Partnerschaften

Junge dankte den Kirchenleitenden in Europa dafür, dass sie unerschütterlich Menschen unterstützen, die auf der ganzen Welt vor Konflikten, Gewalt und unerträglicher ungleicher Behandlung fliehen, trotz des mangelnden politischen Willens der Länder, angemessen auf diese Situation zu reagieren: „Viele von ihnen haben sich fest und eindeutig auf die Seite derjenigen gestellt, die Schutz und Unterstützung benötigen.“ Gleichzeitig habe der LWB seine humanitäre Hilfe auf die noch nie dagewesene Anzahl von weltweit 2,3 Millionen Flüchtlingen und anderen gewaltsam vertriebenen Personen ausgedehnt.

In seinem Bericht hob er Bereiche der Arbeit des LWB hervor, die den Wert der Zusammenarbeit glaubensbasierter Organisationen mit der UNO und ihren Behörden unterstrichen. Die Kooperation mit ACT Alliance und dem Ökumenischen Rat der Kirchen auf der Pariser UN-Klimakonferenz im Dezember 2015 habe die gemeinsame Fürsprache mit anderen glaubensbasierten und zivilgesellschaftlichen Organisationen für ein faires Klimaabkommen gestärkt. Der LWB werde sich um ähnliche Partnerschaften bemühen, um die Implementierung der Nachhaltigkeitsziele der UNO (Agenda 2030) zu unterstützen. Besonders in der Frage der Gleichstellung der Geschlechter sei der LWB einzigartig positioniert. Das LWB-Grundsatzpapier zur Geschlechtergerechtigkeit sei in 19 Sprachen übersetzt und jeweils an örtliche Gegebenheiten angepasst, so Junge.

Ökumenische Verantwortung

Die Ratstagung 2016 ist die letzte vollständige Zusammenkunft des LWB-Leitungsgremiums vor der Zwölften Vollversammlung im Mai 2017 und den Gedenkfeierlichkeiten zum 500. Reformationsjubiläum. Der Generalsekretär betonte das Vorhaben der lutherischen Kirchengemeinschaft, das Jubiläum weltweit und im Geiste einer ökumenischen Verantwortung zu begehen.

Das gemeinsame katholisch-lutherische Reformationsgedenken im Dom zu Lund und in Malmö am 31. Oktober 2016 werde dabei einen besonderen Höhepunkt bilden. Dass dieses Ereignis gemeinschaftlich ausgerichtet werde – auf lutherischer Seite von LWB-Präsident Bischof Dr. Munib A. Younan und LWB-Generalsekretär Pfarrer Dr. h.c. Martin Junge und auf katholischer Seite von Papst Franziskus – stelle „in der Tat einen historischen Wendepunkt in unseren Beziehungen dar, mit Blick auf den deutlichen Willen, den Konflikt hinter uns zu lassen und uns zu öffnen für die Gemeinschaft, zu der Gott uns einlädt und die er für uns bereithält, und uns gleichzeitig um die verbleibenden Gegensätze zu kümmern“, sagte Junge.

Er zeigte sich auch begeistert darüber, dass das Gedenken sowohl Aktivitäten auf Grundlage des Gemeinsamen Gottesdienstes als auch Vorhaben für eine tiefergehende Zusammenarbeit der diakonischen Dienste des LWB-Weltdienstes und der Caritas Internationalis umfasse. Er dankte der Kirche von Schweden und dem Katholischen Bistum von Stockholm, die die Gastgeber des Ereignisses sein werden.

Weitere positive Signale der Ökumene bestünden für den LWB in der Unterstützung der Anglikaner der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre (GER) im April, in den Beratungen der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen zur GER und in dem Follow-up-Bericht zur Versöhnungsaktion zwischen Lutheranern und Mennoniten im Jahr 2010.

Junge wies darauf hin, dass das Abendmahl als konkretester und greifbarster Ausdruck der Taufe immer noch das eine Thema sei, bei dem eine gegenseitige Gastfreundschaft mit der katholischen Kirche nicht möglich sei. „Es sollte der zentrale Schwerpunkt unserer ökumenischen Interaktion bleiben”, betonte er.

Weitere 500. Jubiläen

Gegenüber den namibischen Kirchen drückte der Generalsekretär seine Dankbarkeit dafür aus, dass sie Anfang Juni den Startschuss für die örtlichen Vorbereitungen zur Zwölften Vollversammlung gemacht haben. Er unterstrich die Hoffnung des LWB auf eine “freudebringende, transformative, zukunftsorientierte und nach aussen gerichtete Vollversammlung”.

Mit Blick auf die Zeit nach 2017 rief er die Ratsmitglieder dazu auf, über ein mögliches Rahmenkonzept für weitere 500-Jahres-Meilensteine nachzudenken, das die gesamte Kirchengemeinschaft umspannend könnte. Es sollte dazu beitragen, lutherische theologische Identität und Zeugnis klar zu artikulieren und bei der Fortsetzung der ökumenischen Dialoge das gegenseitige Verständnis zu verbessern.

Eine wachsende Gemeinschaft

Der Generalsekretär berichtete, dass die LWB-Statistik ein Wachstum in der Gemeinschaft der 145 LWB-Mitgliedskirchen ergeben hätte: Statt71 Millionen lutherischen ChristInnen im Jahre 2013 umfasse der LWB heute 73 Millionen. Zum ersten Male befänden sich die grössten LWB-Mitgliedskirchen im globalen Süden, nämlich in Äthiopien und in Tansania. Hingegen berichteten die Kirchen im globalen Norden von Mitglieder-Rückgängen. Er wies darauf hin, dass der LWB eine weltweite Konsultation zur Mission plane, um sich im Hinblick auf die Herausforderungen und Aufgaben der lutherischen Kirchengemeinschaft neu zu positionieren.

Junge bekräftigte ebenfalls die Zusage des LWB zur Frauenordination, die in fünf aufeinanderfolgenden Vollversammlungen gemacht wurde. Mit Bezug auf eine kürzlich durchgeführte Umfrage merkte er an, dass 82 Prozent der Mitgliedskirchen Frauen ordinieren und eine Reihe von Kirchen das Thema erörtern. Der Weg zu diesem Ziel sei gekennzeichnet von gegenseitigem Verständnis und Solidarität hinsichtlich der verschiedenen Zeitläufe und Prozesse jeder Kirche. Er betonte, dass es hier keinen Zwang geben könne, weder Frauen zu ordinieren, noch Frauen nicht zu ordinieren. Enttäuscht äusserte er sich über den Entschluss der Evangelisch-Lutherischen Kirche Lettlands, diesen gemeinsamen Weg zu verlassen und damit die gängige Praxis unter den LWB-Mitgliedskirchen aufzugeben.

Dank

Junge dankte dem Deutschen Nationalkomitee des LWB und der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland dafür, dass sie die Ratstagung so grosszügige empfangen haben. Gleichzeitig würdigte er das frühere Ratsmitglied Bischof Emeritus Niels Henrik Arendt aus Dänemark, der im August 2015 verstorben ist.

Im Anschluss an die Rede des Generalsekretärs werden sie Ratsmitglieder im Plenum und in den Ausschusssitzungen über den Bericht diskutieren und dazu Stellung nehmen.