Internationale Konferenz: Frauen in der Theologie

18. Nov. 2019
Die Teilnehmerinnen theologischen Konferenz vor dem Tagungsort in Warschau. Foto: LWB/P. Hitchen

Die Teilnehmerinnen theologischen Konferenz vor dem Tagungsort in Warschau. Foto: LWB/P. Hitchen

Theologinnen fragen nach Jesu Botschaft für Gerechtigkeit in unserer Zeit

Warschau, Polen/Genf (LWI) – Wie begegnete Jesus den Frauen seiner Zeit? Vor welche Herausforderungen stellen uns die Evangelien heute? Wie können unsere theologischen Einsichten fruchtbar werden im Ringen um Gerechtigkeit in unseren Kirchen? Diese Fragen standen im Zentrum einer viertägigen Konferenz lutherischer Pfarrerinnen, Professorinnen und Theologinnen aus aller Welt, die vergangene Woche in Warschau stattfand.

Ziel der Tagung war es, die feministische Theologie auf kreative Weise in den Dienst der Männer und Frauen in allen Mitgliedskirchen des Lutherischen Weltbundes (LWB) zu stellen. Gastgeberin war die Evangelisch-Augsburgische Kirche in Polen, und das Tagungsprogramm wurde vom Programm des LWB für Frauenförderung und Gendergerechtigkeit zusammengestellt. Die Delegierten beleuchteten biblische Texte auf ihre Gegenwartsrelevanz hin und erarbeiteten einen Aktionsplan, der den Kirchen dabei helfen soll, das „Grundsatzpapier: Gendergerechtigkeit im LWB“ in der Praxis anzuwenden und die Resolutionen der Zwölften Vollversammlung umzusetzen.

Eintreten für Rechte und Würde von Frauen

Das Grundsatzpapier stellt die Rechte und die Würde von Frauen in den Mittelpunkt. Es hinterfragt Strukturen und Praxis, soweit sie die vollumfängliche Teilhabe von Frauen auf allen Ebenen kirchlichen Lebens und kirchlicher Leitungsverantwortung behindern. Weiterhin befürwortet das Dokument die Förderung der Teilhabe von Frauen in der Gesellschaft insgesamt als Schlüssel zur Überwindung von Armut und zur Beendigung geschlechtsspezifischer Gewalt.

Der LWB-Rat hatte das Dokument bei seiner Tagung 2013 angenommen, es ist über 20 Sprachen verfügbar. Viele Kirchen haben die Grundsätze für ihren jeweiligen Kontext bearbeitet oder eigene Dokumente vorgelegt, die sich auf die enthaltenen zehn Leitlinien und Richtlinien für Aktionspläne stützen. Aber selbst in diesen Kirchen ist das Grundsatzpapier vielen Leitungsverantwortlichen kaum bekannt und dementsprechend greifen sie in ihrer Verkündigung und Entscheidungsfindung nicht auf seine Inhalte zurück.

Dr. Mary Streufert, Direktorin des Programms „Gerechtigkeit für Frauen“ bei der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika, berichtete, eine 2016 von ihrer Kirche vorgelegte Studie habe ergeben, dass Pfarrerinnen und Diakoninnen nach wie vor nur 80 Prozent des Gehalts ihrer männlichen Kollegen verdienten. Mehr als ein Drittel hätten angegeben, in ihren Gemeinden bereits sexuell belästigt worden zu sein.

In verschiedenen Ländern auf mehreren Kontinenten stellen Kirchen, die seit vielen Jahren Frauen ordinieren, diese Praxis neuerdings in Frage oder heben gar frühere Synodenbeschlüsse auf. Das erhöhe für bereits ordinierte Frauen die Gefahr von Diskriminierung und Ausgrenzung.

Politik instrumentalisiert Religion

Teilnehmerinnen aus Europa und Lateinamerika berichteten von populistischen Politikerinnen und Politikern, die zunehmend um religiöse Gruppen werben, mit dem Ziel, die erreichten Fortschritte im Blick auf die Menschenrechte von Frauen insbesondere in den Bereichen Sexualität und Familienleben zu untergraben. Pfarrerinnen aus anderen Ländern verwiesen auf veraltete Reinheitsgesetze, wonach menstruierende Frauen als „unrein“ gelten. Es gebe Kirchen, wo sie daher bis heute das Abendmahl nicht empfangen oder austeilen dürften.

Vor dem Hintergrund dieser Problematik nahmen die Teilnehmerinnen in den Blick, wie Jesus mit Frauen umging, die zur damaligen Zeit als unrein galten, etwa die blutflüssige Frau und die Tochter des Jaïrus, und diskutierten Jesu Heilung einer verkrümmten Frau am Sabbat. Im Zusammenhang mit dem lutherischen Verständnis, dass alle gleichermaßen allein aus Glauben befreit und gerettet sind, betonten sie, jene Strukturen müssten überwunden werden, die Frauen daran hindern, ihr volles Potenzial zu entfalten, und die ihnen in der Familie, am Arbeitsplatz oder in der Kirche ungerechte Erwartungen aufbürden.

Kontinuierliche Reformation

Dort, wo eine patriarchalische Mentalität fortbestehe, führe dies dazu, dass Frauen Scham empfänden, an sich zweifelten oder sich unwürdig fühlten, wo sie den traditionellen geschlechtsspezifischen Stereotypen nicht entsprächen. So suchten etwa Opfer von Vergewaltigungen, sexueller Belästigung oder häuslicher Gewalt die Schuld bei sich selbst und brächten Übergriffe nicht zur Anzeige, in der Annahme, sie hätten sie durch ihr Aussehen oder Verhalten provoziert.

500 Jahre nach der Reformation betonten die lutherischen Theologinnen, Christinnen und Christen seien in der Pflicht, solche sündhaften Haltungen zu benennen, die die Botschaft Jesu von der Freiheit und Gnade für alle Menschen verfälschten. Sie sind in Gemeinden, an theologischen Seminaren und Universitäten tätig, wo junge Männer und Frauen für den kirchlichen Dienst ausgebildet werden, und verpflichteten sich, in diesem Kontext verstärkt ihre Stimme gegen Diskriminierung und Unrecht zu erheben sowie die Prinzipien der Integrativität und der wechselseitigen Verantwortung zu wahren und zu fördern, die die gleiche Würde eines jeden Menschen als Ebenbild Gottes im Blick haben.