Frauen reformieren die Kirche

24. Mai 2014
Bischöfin Guðmundsdóttir (dritte von rechts) und weitere Teilnehmerinnen der europäischen FKG-Konferenz in Meissen. Foto: LWB/E. Neuenfeldt

Bischöfin Guðmundsdóttir (dritte von rechts) und weitere Teilnehmerinnen der europäischen FKG-Konferenz in Meissen. Foto: LWB/E. Neuenfeldt

Die isländische Bischöfin Guðmundsdóttir über ihrem Weg an die Spitze der Kirche

(LWI) – Der Gottesdienst, der das Leben von Solveig Lára Guðmundsdóttir veränderte, fand vor vierzig Jahren in der Kathedrale von Reykjavík statt. 1000 Jahre nachdem das Christentum nach Island gekommen war wurde 1974 Pfarrerin Auður Eir Vilhjálmsdóttir als erste Frau ordiniert. Guðmundsdóttir erinnert sich, wie sehr sie dieses Ereignis als Schülerin beeindruckt hat. Heute ist sie selbst Bischöfin der Evangelisch-Lutherischen Kirche Islands und steht seit 2012 dem nordisländischen Bistum Hólar vor.

„Ich war begeistert! Ich wollte dieses historische Ereignis nicht verpassen, obwohl ich zu dieser Zeit keine grossartige Kirchgängerin war“, erinnerte sich Guðmundsdóttir in ihrer Rede auf der Regionalkonferenz des Netzwerks Frauen in Kirche und Gesellschaft (FKG), die vom 12. bis 16. Mai im deutschen Meissen stattfand.

„Eine Frau konnte ordinierte Pfarrerin in der Kirche sein. Das bedeutete für mich, dass eine Frau alles tun konnte. Dieser Ordinationsgottesdienst hat mein Leben verändert. Zwei Jahre später habe ich mich zusammen mit der Tochter dieser Pfarrerin an der theologischen Fakultät der Universität Island eingeschrieben“, erzählt die Bischöfin.

Kritische Fragen

Vier Jahre später machte Vilhjálmsdóttir, die immer noch die einzige ordinierte Frau in der Kirche war, die Theologiestudentinnen mit der Arbeit der Frauenreferate des Lutherischen Weltbundes (LWB) und des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) vertraut und regte sie an, eine Gruppe feministischer Theologinnen zu gründen.

„Für mich ist damit ein Traum wahr geworden. Ich konnte mein Interesse an Theologie mit meinen Rechten als Frau verbinden“, so Solveig Lára Guðmundsdóttir, die

Die Bischöfin hielt eine Rede bei einer der Regionalkonferenzen des FKG, die sich mit Frauen in der fortwährenden Reformation der Kirche und dem Grundsatzpapier des LWB zur Gendergerechtigkeit im LWB befassen.

Im Laufe ihrer Ausbildung zur Pfarrerin und Bischöfin in der isländischen Kirche gab die Gruppe feministischer Theologinnen Guðmundsdóttir immer wieder neue Impulse und die bahnbrechende Arbeit der Frauenreferate des LBW und des ÖRK  Orientierung.

„Wir haben gemeinsam feministische Theologie gelesen, neue Liturgien geschrieben, wir sind gemeinsam gereist und haben Menschen aus dem In-und Ausland zu unseren Treffen eingeladen.“

Die Frauen finden an, kritische Fragen zu stellen: Wie können wir lernen, den christlichen Dienst als gemeinsame Verantwortung von Frauen und Männern zu verstehen? Wie können Frauen ermutigt werden, Führungsrollen in der Kirche zu übernehmen? Wie können Gemeinden, die von Pastorinnen geleitet werden, die Diskussion um die Ordination von Frauen bereichern?

Keine „qualifizierten Frauen“?

Dabei tauschten sie sich intensiv mit anderen Theologinnen aus, darunter die amerikanische Theologin Constance Parvey, die für den ÖRK arbeitete, sowie mit Musimbi Kanyoro, Nicole Fischer und Lone Fatum vom LWB.

„Die Arbeit der Frauenreferate von ÖRK und LWB hat in Island viel bewirkt. Sie hat unsere Gruppe feministischer Theologinnen nachhaltig beeinflusst und das Leben und die Arbeit von uns allen in der Gruppe verändert.“

„Wir haben uns selbst als hingebungsvolle Jüngerinnen des LWB betrachtet, denn was den Feminismus in Island betrifft haben wir Pionierarbeit geleistet“, fügt Guðmundsdóttir hinzu.

Das Frauenreferat des LWB wurde 1970 eingerichtet. Seit 1984 hat der LWB eine Quote von mindestens 40 Prozent Frauen bei den Vollversammlungen. Der Bischöfin zufolge war der Weg nicht immer einfach, auch wenn der LWB in der Sache entschlossen hinter den Frauen stand.

„Wir wollten gleiche Rechte, aber das ‚Problem‘ war, dass es in vielen Kirchen keine ‚qualifizierten Frauen‘ gab. Ich denke das war nur eine Ausrede der Kirchen. Die Männer wollten die Macht behalten und hatten nicht den Mut, sie in diesem Umfang an Frauen abzugeben“ sagt sie. „Also hat der LWB entschieden, die Frauen zu qualifizieren.“

Reformatorinnen seit Jahrhunderten

Im Rahmen des internationalen LWB-Programms für die Ausbildung weiblicher Führungskräfte kamen 50 Frauen aus aller Welt zusammen. Guðmundsdóttir selbst hatte „das unglaubliche Glück, von meiner Kirche für die Teilnahme an dem Programm ausgewählt zu werden“.

Im Vorfeld des 500. Reformationsjubiläums im Jahr 2017 befasst sich das FKG-Netzwerk mit der Rolle von Frauen in der Reformation der Kirche. Wenn man Bischöfin Guðmundsdóttir fragt, refomrieren Frauen die Kirche in Island seit Jahrzehnten.

„Obwohl wir jetzt seit fast 40 Jahren in der Evangelisch-Lutherischen Kirche Islands Frauen ordinieren mussten wir lange warten, bis es auch Bischöfinnen gab. 2012 gingen zwei der drei isländischen Bischöfe in Rente und alle waren sich einig, dass es nun Zeit sei für eine Frau.“

„Zur allgemeinen Überraschung wurden beide freien Stellen mit Frauen besetzt, so dass die Quote der Bischöfinnen in Island nun 66 Prozent beträgt. Noch überraschender ist, wir beide, die andere Bischöfin und ich, kommen aus der Gruppe feministischer Theologinnen von damals.“

„Wir sind in der Tat dabei, die Kirche zu reformieren“, sagt Guðmundsdóttir.