Flüchtlingshilfe damals und heute

26. Apr. 2016
Die Exilgemeinden wählten regelmässig Diakoninnen und Diakone und AmtsträgerInnen wie diese Gruppe von Kirchenleitenden in Augustdorf in der britischen Zone. In der Mitte Pfarrer Edgard Kiploks, neben ihm (zweite Reihe, rechts) Diakon J. Ozols und der Kirchenorganist.

Die Exilgemeinden wählten regelmässig Diakoninnen und Diakone und AmtsträgerInnen wie diese Gruppe von Kirchenleitenden in Augustdorf in der britischen Zone. In der Mitte Pfarrer Edgard Kiploks, neben ihm (zweite Reihe, rechts) Diakon J. Ozols und der Kirchenorganist.

Der historische Rückblick auf die Hilfe für lettische Flüchtlinge gibt Mut für die Gegenwart

Genf, 22. April 2016 (LWI) – Unterstützung und anwaltschaftlicher Einsatz für Flüchtlinge sieht der Lutherische Weltbund (LWB) seit seiner Gründung vor fast 70 Jahren als eine wichtige Berufung an.  

Millionen von Menschen wurden während des Zweiten Weltkriegs und unmittelbar nach Kriegsende vertrieben. Einige Schätzungen gehen von fast 60 Millionen Flüchtlingen aus, die Europa verlassen haben. Rund 10 Millionen von ihnen waren lutherische Christinnen und Christen. Direkt nach dem Ende des Krieges setzten sich die lutherischen Gläubigen überall auf der Welt dafür ein, diesen Menschen zu helfen. In diesem Kontext ist die Gründung des LWB im Jahre 1947 zu sehen.

Die erste Vollversammlung des LWB in Lund, Schweden 1947 lenkte die Aufmerksamkeit auf die Situation der Flüchtlinge und ermutigte die Kirchen, den bedürftigen Menschen in ihrer Not in jeder möglichen Weise zu helfen. Seitdem ist die Unterstützung von Flüchtlingen eines der grundlegenden Prinzipien des LWB.

Daraus folgen die Erfüllung der existenzsichernden Grundbedürfnisse von Vertriebenen, Hilfen bei der Neuansiedlung, anwaltschaftlicher Einsatz für ihre Rechte und Unterstützung der Kirchen in ihrem Dienst für Menschen, die im Exil leben. Eine dieser Kirchen war die Evangelisch-Lutherische Kirche Lettlands im Exil

Pfarrer, Kirchengesangsbücher und Andachtsräume

Mehr als 200.000 Lettinnen und Letten sind mit Ende des Krieges aus ihrem Heimatland geflohen und wurden danach in andere Länder umgesiedelt. Die 125.000 Mitglieder der Kirche, die nach Westdeutschland und Österreich gekommen waren, wurden von 110 Pfarrern betreut. Der LWB hat die Kirche und andere Betroffene in ähnlicher Lage unterstützt und Pfarrer bei der Beantragung von Reisegenehmigungen geholfen, Andachtsräume besorgt, Utensilien für die Heilige Kommunion zur Verfügung gestellt und Papier für den Druck von Gesangsbüchern beschafft.

Eine Reihe von Briefen und Dokumenten in den Archiven des LWB vermittelt Einblicke in die Situation der Flüchtlinge und in das Kirchenleben in den Nachkriegsjahren und bestätigt, warum die Tätigkeit des LWB so wichtig war. LWB-Archivarin Béatrice Bengtsson zeigt sich heute noch bewegt von der Antwort auf die  Anfrage eins Pfarrers der lettischen Kirche. Darin ging es um die Unterstützung für den Druck von Bibeln und Gesangsbüchern und um Utensilien für die Heilige Kommunion. Einige Auszüge:

Pfarrer „X” hat um 20 Talare für etwa 20 Pfarrer gebeten. Wir können nachvollziehen, dass ordentliche Talare wünschenswert sind, aber wir müssen auch sehen, dass Millionen von Menschen, die die Kirche um Hilfe bitten, überhaupt keine Kleidung haben. Wir sind deshalb zu dem Schluss gekommen, diese Anfrage zurückzustellen.

Die Prioritäten waren eindeutig: Die Nackten werden bekleidet (Mt 25).

Ein „lettisches Kreuz“ kehrt zurück ins Gemeinschaftsbüro

Als Zeichen des Dankes für den Einsatz des LWB bei der Neuansiedlung von lettischen Flüchtlingen erhielten ordinierte Führungspersönlichkeiten des LWB später als Geschenk ein Kreuz. Eines dieser Kreuze, das damals Dr. Carl Lund-Quist, LWB-Generalsekretär von 1951-1960, überreicht wurde, fand vor kurzem seinen Weg zurück nach Genf. Der lutherische Pfarrer Ron Swenson, der das Kreuz dem Generalsekretär Pfr. Dr. Martin Junge überreichte, erzählte, dass er es in den 1980er Jahren von Lund-Quists Schwester erhalten habe.

Junge nahm das Kreuz im Namen des LWB entgegen und sagte zu diesem Anlass:

„Dieses ‚lettische Kreuz‘ wieder in den Händen zu halten war ein motivierender Moment. Wir wurden daran erinnert, dass Hilfe für die Bedürftigen eine der fundamentalen Berufungen des LWB ist. Das ‚lettische Kreuz‘ mahnt uns, dieser Berufung auch in der heutigen Welt mit ihren beispiellosen weltweiten Flüchtlingszügen zu folgen. Noch wichtiger ist aber, dass es uns daran erinnert, dass damals wie heute Menschen auf ihrer Flucht vor Krieg und Gewalt Schutz suchen und dass Kirchen in dieser Hinsicht einen bedeutenden Beitrag leisten können.“

Der LWB als Gemeinschaft von Kirchen bekennt sich weiterhin zu dem Grundsatz, dass es unsere Pflicht ist, Flüchtlinge zu schützen ungeachtet ihrer Nationalität, ihrer Religionszugehörigkeit oder anderer Erwägungen. Was damals für den Schutz und die Umsiedlung von lettischen Flüchtlingen galt, gilt auch heute für den Schutz und die Umsiedlung von syrischen Flüchtlingen und anderen Menschen, die vor der Gewalt in ihrem Land fliehen.”