Zwischen Weinen und Tanzen

17. Dez. 2015
LWB-Vizepräsidentin Gloria Rojas Vargas scherzt mit Ahmad, einem syrischen Flüchtlingsjungen, in der LWB-Friedensoase. Foto: LWB/ C. Kästner

LWB-Vizepräsidentin Gloria Rojas Vargas scherzt mit Ahmad, einem syrischen Flüchtlingsjungen, in der LWB-Friedensoase. Foto: LWB/ C. Kästner

Lutherische Bischöfinnen besuchen Za’atari-Flüchtlingslager in Jordanien

AL MAFRAQ, Jordanien (LWI) – „In einem Moment möchte man am liebsten weinen, im nächsten am liebsten tanzen“, fasst Erzbischöfin Antje Jackélen von der Schwedischen Kirche ihre Eindrücke zusammen. „Wir haben beides gesehen, die Kraft und die Verwundbarkeit des Lebens, Hoffnung und zerstörte Leben.“

Zusammen mit Elizabeth Eaton, der Leitenden Bischöfin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika (ELKA) und LWB-Vizepräsidentin Pfn Dr Gloria Rojas Vargas, der ehemaligen Kirchenpräsidentin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Chile (IELCH) besuchte die schwedische Erzbischöfin am 14. Dezember 2015 die Friedensoase (Peace Oasis) im Za’atari-Flüchtlingslager in Jordanien. In diesem Zentrum bietet der Lutherische Weltbund (LWB) psychosoziale Unterstützung für die Flüchtlinge an. Durch Workshops, Ausbildungsangebote, Musik und Kunst erhalten die syrischen Flüchtlinge Möglichkeiten, ihre Erfahrungen zu verarbeiten.

„Sie vermissen ihr Zuhause“

„Es ist unglaublich, wieviel Kraft die syrischen Flüchtlinge haben“, ist Eatons Eindruck von dem Besuch. „“Wir haben mit einer Familie gesprochen, deren Vater zwei Söhne im Syrien-Konflikt verloren hat. Er hatte 30 Jahre lang geschuftet, um sich seinen Traum von einer eigenen Farm zu erfüllen, nur um jetzt alles zu verlieren. Ein junges Mädchen hat mir Bilder von verbrannten Menschen auf ihrem Mobiltelefon gezeigt. Und trotzdem tun die Eltern alles, um ihre Kinder zu Aktivitäten zu ermutigen und sie von falschen Entscheidungen abzuhalten. Manche Menschen hatten ihre Wohncontainer bunt angemalt, um ein bisschen Schönheit an diesen kargen Ort zu bringen. Es ist einfach unglaublich“, so Eaton.

„Sie alle vermissen ihr Zuhause, das was offensichtlich. Und trotzdem waren sie voller Hoffnung. Sie wollen nach Syrien zurückkehren“, fügte sie hinzu.

Die lutherischen Bischöfinnen trafen syrische Flüchtlingsfamilien und drei Imame, die ebenfalls in dem Flüchtlingslager leben. „Emotional war es sehr wichtig, das alles zu hören und zu sehen“, sagte die chilenische Pfarrerin Rojas. „Ich habe Menschen voller Hoffnung und Frieden gesehen, aber auch voller Schmerz, weil ihre Familien getrennt wurden. In meiner Heimatkirche kennen wir diese Seite der Geschichte nicht so sehr. Wenn unsere Medien über den Nahen Osten berichten, geht es meistens um Terrorismus.“

Diskus nicht den Populisten überlassen

Die drei Kirchenführerinnen betonten, dass man den Diskurs über Migration „nicht den Populisten überlassen sollte“, wie die schwedische Erzbischöfin Jackélen formulierte.

„In Europa haben wir gerade viele Diskussionen über ‚Flüchtlingsströme‘“, sagte sie. „Wir haben heute ganz normale Familien getroffen. Es macht einen nachdenklich, dass Jordanien mit seiner Infrastruktur so viele Flüchtlinge aufnimmt, und wir in Europa mit all unserem Reichtum kein System haben, das dieser Herausforderung gewachsen ist.“

Rojas erinnerte an die Zeit der Militärdiktatur, in der viele Chilenen selbst Flüchtlinge waren. „Wir sollten wissen, wie sich das anfühlt“, sagte sie. „Die Menschen hier sind in keiner guten Situation. Man muss ihnen eine Möglichkeit geben, in ihre Heimat zurückzukehren.“

„Das Leiden der Menschen in Syrien ist Wirklichkeit. Die Bomben fallen auf diese Menschen, die einfach nur in Frieden leben wollen“, fügte die us-amerikanische Bischöfin Eaton hinzu.

Die Bischöfinnen drückten auch ihre Anerkennung für und ihren Stolz auf die Arbeit des LWB in dem Flüchtlingslager aus. Sie lobten besonders die Mitarbeitenden vor Ort, viele von ihnen syrische Freiwillige, die ihre Freizeit nutzen um ihren Landsleuten zu helfen. „Für ihre Arbeit bin ich besonders dankbar“, sagte LWB-Vizepräsidentin Rojas. „Sie haben ein Gespür für den Schmerz der Flüchtlinge, und sind unglaublich engagiert. Ich möchte auch meine Anerkennung ausdrücken für die Arbeit, die das LWB-Büro zur Förderung von Frieden und Gerechtigkeit leistet.“

„Als Christen glauben wir, dass das Kreuz des Lebens mit denen ist, die Leid tragen“, sagte Bischöfin Eaton. „Es war ganz sicher in diesem Flüchtlingslager in Jordanien, und es ist unsere Berufung in Gottes Welt, das Leid dieser Menschen zu lindern.“

Insgesamt hat Jordanien 1.5 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen. Im Za’atari-Flüchtlingslager leben knapp 80,000 Flüchtlinge aus Syrien. Die LWB-Friedensoase hat bis Ende November 2.662 Menschen psychosozial betreut. Das geschieht durch eine Kombination von Aktivitäten wie Musik, Kunst und Sport mit Workshops zur Konfliktbewältigung, Problemlösungsstrategien und Selbstwertgefühl.

 

Cornelia Kästner