Sorge über die Lage im Südsudan

16. Dez. 2016
Flüchtlinge in der vom LWB geleiteten Sammelstelle Elegu an der Grenze zwischen Südsudan und Norduganda. Foto: LWB Uganda

Flüchtlinge in der vom LWB geleiteten Sammelstelle Elegu an der Grenze zwischen Südsudan und Norduganda. Foto: LWB Uganda

Gräueltaten und drohende Hungersnot in einem zerrissenen Land

JUBA, Südsudan/GENF (LWI) – Der Lutherische Weltbund (LWB) fordert nachdrücklich mehr Unterstützung und Hilfe für die Opfer des wiederaufflammenden Bürgerkriegs im Südsudan. Ein halbes Jahr nach dem gebrochenen Friedensabkommen und gewaltsamen Konflikten in der Hauptstadt Juba haben sich die Kämpfe wieder im gesamten Land ausgebreitet.

Seit September 2016 zählt der Südsudan – wie Syrien, Somalia und Afghanistan – zu den Ländern, in denen mehr als eine Million Menschen auf der Flucht sind. Nach Aussage der Vereinten Nationen sind mehr als 1,2 Millionen Menschen zu Flüchtlingen geworden, weitere 1,87 Millionen sind Binnenvertriebene. Über 204.000 Menschen leben in besonderen, von den Vereinten Nationen für die Zivilbevölkerung eingerichteten Schutzzonen.

Aufgrund der sich weiter verschlechternden Situation warnen viele internationale Beobachter bereits vor einem bevorstehenden Genozid. Eine UN-Kommission für Menschenrechte hat im Südsudan einen „kontinuierlichen Prozess der ethnischen Säuberung“ beobachtet, der mit Massakern, dem Aushungern der Bevölkerung, Massenvergewaltigungen und der Zerstörung von Dörfern einhergeht.

Gefahr einer neuen Hungersnot

„Wir sind zutiefst besorgt über diese Situation“, sagt Lokiru Yohana, regionaler  LWB-Programmkoordinator. „Wir erhalten Berichte über Kämpfe in der Region Greater Upper Nile sowie aus den Bundesstaaten Unity und Jonglei, selbst aus der vormals friedlichen Region Greater Equatoria, die als die größte Kornkammer der Region gilt. Dort wird mehr als die Hälfte des Getreides des Landes produziert, und sie ist durch den Konflikt in besonderer Weise in Mitleidenschaft gezogen. Die Dürre des vergangenen Jahres hat zusätzlich zu der Gewalt, der Ernährungsunsicherheit und der Vertreibung zur Folge, dass die Menschen im Südsudan leider mit einer Hungersnot rechnen müssen." Aktuelle Schätzungen des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen gehen davon aus, dass fast vier Millionen Menschen oder die Hälfte der Bevölkerung im Südsudan in einer „extremen Ernährungsunsicherheit“ leben. Das bedeutet, dass diese Menschen nicht wissen, wann und wie sie ihre nächste Mahlzeit erhalten.

Die Arbeit im Land und die Hilfeleistungen für Gemeinschaften in den Bundesstaaten Jonglei, Upper Nile und Unity werden durch den Beginn der Trockenzeit im November zusätzlich erschwert. „In der Trockenzeit ist es für das Militär und auch für marodierende Viehdiebe einfacher, schnell ihre Standorte zu wechseln. Humanitäre Hilfsaktionen und besonders der Transport von Hilfsgütern werden damit zu einer erheblichen Herausforderung", sagt Yohana. „Wir werden geeignete Maßnahmen ergreifen müssen, um für den Schutz und die Sicherheit unseres Personals zu sorgen, wenn wir den am schlimmsten betroffenen Gemeinschaften helfen wollen. Wir werden unsere Unterstützung außerdem verstärken und schneller verfügbar machen müssen, wenn wir Vorteile der Trockenzeit wie leichtere Zugänglichkeit und Durchführbarkeit besonders in Jonglei für uns nutzen wollen, und wenn wir eine Chance haben wollen, eine weitere Verschlechterung der humanitären Lage abzuwenden."

Hohe Flüchtlingszahlen in den Nachbarländern

Die meisten vor dem Krieg im Südsudan fliehenden Menschen versuchen nach Norduganda zu kommen, das inzwischen fast eine Million Flüchtlinge aufgenommen hat, die überwiegend aus dem Südsudan kommen. Zurzeit registriert das LWB-Personal mehr als 2.000 Neuankömmlinge pro Woche. „Wir bieten Notunterkünfte, Wasser, sanitäre Grundversorgung und Schutz für die südsudanesischen Flüchtlinge", sagt Jesse Kamstra, LWB-Länderrepräsentant in Uganda. „Aber angesichts dieser hohen Zahl von Neuankömmlingen brauchen wir deutlich mehr Kapazität, um adäquate Hilfe leisten zu können."

Die neu angekommenen Flüchtlinge berichten über Gräueltaten und knappe Lebensmittel. Viele bringen so viele Haushaltsgegenstände mit, wie sie tragen können, und manchmal auch ihr Vieh. Alle, die eine Chance haben, das Land zu verlassen, nehmen sie auch wahr“, fügt Kamstra hinzu. „Viele der Flüchtlinge gehen nicht davon aus, dass sie in naher Zukunft in ihr Land zurückkehren können."

Auch die Verwaltungsregion Gambella in Äthiopien ist erneut Ziel einer großen Menge südsudanesischer Flüchtlinge. Nach Angaben des UNHCR sind seit September 2016 insgesamt 46.062 Menschen aus dem Südsudan dort angekommen, das sind durchschnittlich 500 Flüchtlinge am Tag. 86 Prozent der Neuankömmlinge sind Frauen und Kinder aus den Bundesstaaten Upper Nile, Jonglei und Unity im Südsudan. Wiederaufflammende Kämpfe und die Ernährungsunsicherheit sind die wichtigsten Gründe für die Flucht.

Kinder sind besonders gefährdet

In das Flüchtlingslager Kakuma in Nordkenia ist ebenfalls eine wachsende Anzahl von Personen gekommen, die vor dem Krieg im Südsudan fliehen. Am Grenzübergang Nadapal empfängt der LWB zurzeit rund 1.000 Flüchtlinge pro Woche.

 „Alles, was wir sehen, bestätigt unsere Befürchtungen, dass sich die Lage im Südsudan täglich verschlechtert. Die akutesten Probleme zurzeit sind fehlende Impfstoffe am Grenzübergang und die Kürzung der Lebensmittelrationen um die Hälfte. Der Mangel an Impfstoffen bereitet uns deshalb so viele Sorgen, weil die Menschen bestimmte Impfungen nachweisen müssen, bevor sie nach Kenia einreisen dürfen. Die Zahl der Asylsuchenden an der Grenze nimmt jeden Tag zu.

Noch bedenklicher ist die Versorgung mit Lebensmitteln besonders für Kinder und Jugendliche: „Nahrungsmittel sind in Kakuma bereits ein knappes Gut", sagt Hernander. „Das gilt besonders für Jugendliche, die mehr brauchen, als die durchschnittliche Lebensmittelration enthält, sowie für Menschen mit besonderen Ernährungsbedürfnissen. Seit die Vereinten Nationen die Lebensmittelrationen um die Hälfte kürzen mussten, haben die Menschen im Lager einfach nicht mehr genug zu essen."