Lutherische Kirche in Russland leistet Behindertenhilfe

10. Apr. 2018
Junge Menschen mit Behinderung im russischen Toljatti nehmen die diakonischen Angebote der lutherischen Gemeinde gern wahr. Foto: epd-Bild/Macus Mockler

Junge Menschen mit Behinderung im russischen Toljatti nehmen die diakonischen Angebote der lutherischen Gemeinde gern wahr. Foto: epd-Bild/Macus Mockler

Diakonische Arbeit bringt Lebensfreude und hinterfragt Klischees

Toljatti (Russland)/Genf (LWI) – Eine kleine lutherische Gemeinde in Toljatti hat die Herausforderung angenommen, eine inklusive Gemeinde zu sein, die jungen Erwachsenen mit Behinderungen Hilfe leistet.

Sie haben Down-Syndrom, Epilepsie, sind Spastiker oder Autisten: Behinderte in Russland leiden noch stark unter Ausgrenzung. Für Minderjährige gibt es zwar Schulen und Heime – doch danach ist es für viele mit Arbeits- und Therapieangeboten vorbei. „Dann sitzen sie zu Hause und werden nur dümmer und dicker“, kritisiert die lutherische Pröpstin Olga Temirbulatowa aus Samara diese Angebotslücke. Fast immer sind es die Mütter, die vollzeitlich die Pflege ihrer erwachsenen Kinder übernehmen.

Kleine Anfänge einer inklusiven Gemeinde

In Toljatti, der 700.000-Einwohner-Stadt an der Wolga, hat die kleine lutherische Gemeinde der Evangelisch-Lutherischen Kirche im europäischen Russland einen freundlichen, zweistöckigen Bau erworben. Dienstag bis Freitag kommen rund 15 behinderte Kinder und junge Erwachsene in die Einrichtung.

Pastorin Tatjana Schiwodjorowa leitet die Einrichtung und ist ein Multitalent. Sie hat nicht nur eine theologische Ausbildung, sondern fungiert auch als Tanzlehrerin. Die jungen Menschen fassen einander an den Händen, drehen sich im Kreis, klatschen in die Hände und haben sichtlich Spaß. Zum Malen und Kneten kommt eine Kunstlehrerin. Dienstags gehen alle zum therapeutischen Schwimmen ins Hallenbad.

Anfangs haben viele Bewohner um das Gemeindezentrum herum abweisend auf die Behindertengruppe reagiert. Eltern sorgten sich, die Behinderung könnte „ansteckend“ für ihre Kinder sein, erinnert sich die Pastorin. Inzwischen ist die Gruppe aber so häufig in der Öffentlichkeit zu erleben, dass sich die Menschen in diesem Teil Toljattis daran gewöhnt haben.

Anerkennung für das lutherische soziale Engagement

Die Angebote der lutherischen Gemeinde helfen nicht nur den Behinderten, sondern nicht minder deren Angehörigen. Sie kommen im Gemeindezentrum zusammen, können sich austauschen und gegenseitig unterstützen. Die Herausforderung, nonstop für das eigene Kind verfügbar zu sein, lässt sich auf diese Weise stundenweise unterbrechen. Die Kinder wiederum knüpfen Beziehungen und Freundschaften über die eigene Familie hinaus.

Für die kleine lutherische Gemeinde ist ihr soziales Engagement nicht nur ein Beitrag zur Inklusion, sondern es bringt ihr auch die Anerkennung der russisch-orthodoxen Mehrheit ein.

Der Europareferent des Lutherischen Weltbundes (LWB), Pfarrer Dr. Ireneusz Lukas, sieht hierin einen Ausdruck der Berufung einer Kirche „Menschen in schwierigen Situationen zu unterstützen und den verletzlichsten unter ihnen besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Die Mission der Kirche schließt die Diakonie ein.“

25. Spendenkampagne von „Hoffnung für Osteuropa“

In der Evangelischen Landeskirche in Württemberg ist es gute Tradition, die Kollekten der gut besuchten Karfreitagsgottesdienste der Aktion “Hoffnung für Osteuropa” zu widmen. In diesem Jahr beging die Aktion ihre 25. Kampagne. Im vergangenen Jahr unterstützte die „Hoffnung für Osteuropa“ diakonische Projekte in der Slowakei, Serbien, Rumänien, Russland und anderen Staaten mit insgesamt 266.000 Euro. Das Projekt in Toljatti gehörte auch dazu.

Europareferent Lukas schätzt die Initiativen zwischen den Mitgliedskirchen der lutherischen Weltgemeinschaft: „Die Rolle des LWB besteht nicht nur darin, die multilateralen Beziehungen zu stärken, sondern auch darin, die Partnerbeziehungen zwischen einzelnen Kirchen zu fördern. Die direkte Unterstützung von bedürftigen Menschen in Russland durch Christinnen und Christen in Deutschland ist ein Ausdruck christlicher Nächstenliebe über bestehende Unterschiede hinweg.“


Quelle: epd-Beitrag von Marcus Mockler. Überarbeitet und redigiert vom LWB-Kommunikationsbüro.