Ein neuer Rollstuhl: Mehr Mobilität und weniger Belastung für die Familie

3. Dez. 2015
Nisrin Hadschi begann zu strahlen, als sie zum ersten Mal in dem Rollstuhl sass, den der Lutherische Weltbund samt seinen Partnern CAPNI und Al Ghazel Anfang Dezember 2014 für sie bereitgestellt hat. Für umgerechnet 83 US-Dollar ist die von einer geistigen Behinderung betroffene 22-Jährige, die nicht laufen kann, jetzt deutlich mobiler. Die junge Frau lebt mit ihrer Familie in einem Zelt in einem öffentlichen Park. Dank des Rollstuhls müssen ihre Eltern sie jetzt nicht mehr überall hin tragen. Foto: LWB/S.

Nisrin Hadschi begann zu strahlen, als sie zum ersten Mal in dem Rollstuhl sass, den der Lutherische Weltbund samt seinen Partnern CAPNI und Al Ghazel Anfang Dezember 2014 für sie bereitgestellt hat. Für umgerechnet 83 US-Dollar ist die von einer geistigen Behinderung betroffene 22-Jährige, die nicht laufen kann, jetzt deutlich mobiler. Die junge Frau lebt mit ihrer Familie in einem Zelt in einem öffentlichen Park. Dank des Rollstuhls müssen ihre Eltern sie jetzt nicht mehr überall hin tragen. Foto: LWB/S. Cox

Blick in die Krisengebiete anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderung

Dohuk (Irak)/Genf, 30. November 2015 (LWI) – Auf dem unebenen Gelände eines öffentlichen Parks, der umfunktioniert wurde zu einem Lager für Menschen, die vor der vorrückenden IS-Miliz fliehen mussten, erwartet man eher keinen Rollstuhl. Insbesondere keinen Rollstuhl, dessen neue Besitzerin gemeinsam mit ihrer Familie auf einer kleinen Erhebung in einem Zelt lebt.

Nisrin Hadschi (22) aber war die perfekte Anwärterin für dieses Hilfsmittel.

Ihre geistige Behinderung ist angeboren. Nisrin kann weder laufen noch sprechen und ihre Hände nur eingeschränkt benutzen. Ohne die Hilfe ihrer Familie kann sie sich nicht fortbewegen. Als die Familie Anfang August letzten Jahres aus Sindschar fliehen musste, trug Merza Hadschi, ihr Vater, sie auf dem Rücken bis zur syrischen Grenze. Sie waren 14 Stunden unterwegs und Merza leidet seitdem an einem Bandscheibenvorfall.

Die nächsten sieben Stunden verbrachte die Familie auf der Ladefläche eines Pritschenwagens, der sie mitnahm bis ins nahe der Stadt Dohuk gelegene Khanke. Im offiziellen Flüchtlingslager aber war kein Platz mehr, so liessen sie sich im Park auf der anderen Strassenseite nieder.

Als Nisrin das erste Mal im Rollstuhl sass, begann sie zu strahlen. Ihr glückliches Lächeln zeigte deutlich, wie sehr sie sich freute. Ganz offensichtlich verstand sie, welche Freiheit der Rollstuhl ihr eröffnete.

Nisrin ist ein von hunderten Menschen mit Behinderung, die unter schwierigsten Bedingungen – in Krisengebieten – leben und die der LWB unterstützt. Am 3. Dezember ist der Internationale Tag der Menschen mit Behinderung.

Ausserhalb des Parks ist der Untergrund eben und fest, so dass die Familie mit Nasrin kleine Spaziergänge machen kann. Mit dem Rollstuhl ist es auch möglich, sie auf den Betonwegen zu den gemeinsam mit 24 anderen Familien genutzten Toiletten zu schieben, anstatt dass sie getragen werden muss.

Den Rollstuhl zur Verfügung gestellt haben der Lutherische Weltbund (LWB), sein Partner CAPNI und Al Ghazel, eine lokale Organisation, die JesidInnen mit Behinderungen unterstützt. Das Hilfsmittel bedeutet nicht nur mehr Bewegungsfreiheit für Nisrin, es nimmt der Familie auch ein Stück der Last, die junge Frau überall hin tragen zu müssen.

Daheim in Sindschar war Merza Hadschi Taxifahrer. Jetzt ist die Familie ohne Existenzgrundlage. „Was können wir tun? Wir sind nur Flüchtlinge“, klagt Merza. „Niemand von uns kann etwas tun.“

„Sie ist meine Tochter und ich bin für sie verantwortlich“

Im Park stehen die Zelte dicht an dicht. Gleich nebenan verbreitet ein Dieselaggregat Lärm und russige Abgase.

Die Familie Hadschi hat sich in dem Zelt so gut es geht eingerichtet, obwohl es für insgesamt neun Personen viel zu klein ist. Der Boden ist mit Pappe ausgelegt, zwei elektrische Lampen spenden Licht und die Mitte des Zeltes ist dem Kochen vorbehalten. Neben dem Welternährungsprogramm hat die Familie bisher nur von LWB und Al Ghazel Unterstützung erhalten. Die Eltern hoffen, die Kinder in die Schule schicken zu können, aber es gibt eine lange Warteliste.

Der älteste Sohn verteidigt das, was von seiner Heimat übrig ist. Im Sindschar-Gebirge kämpft er in der Peschmerga, den Streitkräften der Autonomen Region Kurdistan. „Ich glaube daran, dass Gott ihm hilft, zu überleben“, so Merza Hadschi.

Nisrins Mutter Scherin Hassin erzählt, dass ihre älteste Tochter, soweit es ihr möglich ist, gerne beim Kochen hilft und am liebsten Kartoffeln, Reis und Huhn zubereitet. Sie weiss, dass die Situation ihrer Familie alles andere als einfach ist, das gilt besonders für einen Menschen, der mit einer Behinderung lebt. „Die Situation ist wirklich schwierig für uns, aber sie ist meine Tochter und ich bin für sie verantwortlich. Wir tun unser Möglichstes.“

Der LWB unterstützt die Flüchtlinge im Nordirak mit Nahrungsmitteln, Hygieneartikeln und anderen Hilfsgütern, etwa Winterkleidung. Zudem hat er Frauenzentren eingerichtet, wo Frauen und Kinder Kunsthandwerk herstellen können und psychosoziale Betreuung erhalten.

Gemeinsam mit seinen Partnern vor Ort, der Jiyan Foundation und dem Kirkuk Center for Torture Victims, leistet der LWB Beratung und psychologische Begleitung für die Traumatisierten.