Zwei Gemälde, eine globale Gemeinschaft

Ein aus Asien stammender Teilnehmer am 6. Internationalen Seminar des LWB für Laien in kirchlichen Leitungsämtern teilt seine Ansichten über die frühere und die heutige Bedeutung von Führungsverantwortung in der lutherischen Tradition

7. Jul. 2023
Rama Ramanathan, second from left, shares ideas with participants at the LWF Lay Leaders’ Seminar in Geneva. Photo: LWF/S. Gallay

Rama Ramanathan, zweiter von links, teilt seine Gedanken mit Teilnehmenden am LWB-Seminar für Laien in kirchlichen Leitungsämtern in Genf. Foto: LWB/S. Gallay

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Mr. Rama Ramanathan

Ein Teilnehmer am 6. Internationalen Seminar für Laien in kirchlichen Leitungsämtern spricht über seine Erfahrungen und die daraus gewonnenen Erkenntnisse

„Kirche“ – damit verbindet man ein Gebäude. Eine Kirchengemeinde. Nationale Einrichtungen. Die Quelle der Legitimation. Oder Irritation.

„LWB“ – damit verbindet man Bücher und Broschüren. Zuflucht suchende. Geistliche, Männer und Frauen in Talaren und Priesterkrägen, in Genf.

Der LWB ist eine Gemeinschaft bzw. ein Zusammenschluss der Kirchen. Was bedeutet „Kirchen“ und welche Rolle spielen Laiinnen und Laien in diesen Kirchen?

1980 wurde ich Christ. Ich war in Kirchen in drei verschiedenen Ländern, mit vier Konfessionen. Was ich über Kirchen weiß, stammt aus dem Unterricht, aus Predigten, von Führungsgruppen, Aufgaben und Publikationen.

Bevor ich am Internationalen Seminar des LWB für Laien in kirchlichen Leitungsämtern teilnahm, kannte ich nur eine ungefähre Antwort auf die Frage „Gibt es eine ‚lutherische‘ Weise“, Kirche zu sein oder Kirche zu führen?

Was brachte uns der LWB in den vier Tagen in Genf und drei Tagen in Wittenberg bei?

Die lutherische Weise

Nach der Auferstehung Jesu an Pfingsten rief Gott die Menschen dazu auf, gerettet zu werden, zu Nachfolgern Jesu zu werden. Sie versammelten sich. Sie praktizierten die Taufe. Sie sangen miteinander. Sie brachen gemeinsam das Brot.

Ihre Versammlungen nannte man schon bald Kirchen. Ursprünglich wurden diese von Aposteln geleitet, später von Ältesten und Bischöfen.

Kirchenmitglieder waren „Zeugen der Auferstehung Christi“. Sie verkündeten die Frohe Botschaft der Erlösung. Sie dienten ihrem Nächsten. In organisierter Form wurde ihr Dienst als Diakonie bekannt.

Menschen christlichen Glaubens, jetzt „Kirchenmitglieder“, verkündeten das Evangelium – durch ihre Worte und indem sie als von Gott angenommene Menschen lebten.

Ein lutherischer „Grundzug“ ist, dass Werke eine Frucht, ein Nebenprodukt der Rechtfertigung (durch Gnade) sind, nicht ein Mittel, um von Gott anerkannt zu werden.

Auch wenn die Kirche aus dem Heiligen Geist entstanden ist, so ist sie doch nicht frei von Zwistigkeiten. Kirchenarbeit erfordert Führungsverantwortung. Christliche Führungspersonen müssen danach streben, wie Gott inklusiv, dialogbereit und konsequent zu sein. Verfehlen sie dieses Ziel, führt das häufig zu Konflikten, die lange Zeit anhalten können.

Ein wieterer lutherischer „Grundzug“ ist die begrenzte Macht des Klerus: sie wird durch Synoden eingeschränkt, in denen manchmal Laienmitglieder vorherrschen.

Vielfalt der Berufungen

Im Laufe der Jahrhunderte wuchsen die Kirchen. Aber auch die Konflikte innerhalb und zwischen den Kirchen mit dem Staat.

Als Reaktion darauf versammelten sich die Führungspersonen der lutherischen Kirchen – die anfangs noch „evangelische“ Kirchen hießen – und beteten, debattierten und legten die Grundsätze von Wahrheit und Einheit fest.

Dabei kam eine Reihe von Kerndokumenten heraus. Sie wurden 1580 im „Konkordienbuch“ gesammelt und umfassen die historischen Glaubensbekenntnisse, den Kleinen und den Großen Katechismus, die Schmalkaldischen Artikel, die Augsburgische Konfession und die Apologie des Augsburger Bekenntnisses, das Traktat von der Gewalt und Obrigkeit des Papstes sowie die Konkordienformel.

Bemerkenswert am Konkordienbuch ist, dass ein Laie, Philipp Melanchthon, die Artikel, die Apologie und das Traktat schrieb.

Besonders fiel mir die mutige Darstellung der Rolle von Laien auf dem Altarbild der lutherischen Kirche St. Marien in Wittenberg auf. Luthers „Heimatkirche“, wo Melanchthon bei der Taufe eines Kindes dargestellt ist. Zu sehen sind auch eine Reihe weiterer Laien, darunter die Ehefrauen von Martin Luther und Lukas Cranach. Laien sind darin vorherrschend.

Bei dem Altarbild handelt es sich um ein Gemälde von Lukas Cranach des Ältesten. Er war Luthers „Medienmann“ für die Etablierung der evangelischen Kirchen. Auch er war ein Laie!

Ein weiteres Kunstwerk mit zentraler Bedeutung für das Seminar ist die Dreifaltigkeitsikone, die 1411 n.Chr. von Andrei Rubljow gemalt wurde und die dynamische Einheit der drei Personen der Dreifaltigkeit darstellt.

In Wittenberg stand diese Ikone auf dem Altartisch der Kapelle, in der wir uns täglich zum Gebet versammelten. Sie ist ein kraftvolles Symbol für die Aufforderung und Annahme durch Gott.

Was bedeutet es, Kirche „auf lutherische Weise“ zu sein und zu führen? Es bedeutet, die Vielfalt zu umfangen, so wie Gott es tut. Es bedeutet zu akzeptieren, dass Gott manche Menschen zum Klerus beruft und manche zum Laienstand, dass sie aber nicht durch eine unnachgiebige Linie getrennt sind. Es bedeutet, gemeinsam, auf lokaler und globaler Ebene, die Mission zum Wandel der Welt zu verfolgen.

 

 

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Author
Mr. Rama Ramanathan

Laie in kirchlichem Leitungsamt und Kolumnist der Lutherischen Kirche von Bangar in Kuala Lumpur, Malaysia

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