Zeugnis ablegen mit Dialog, Bildung und Frauenförderung

11. Jan. 2019
Sally Azar von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land. Foto: LWB/Albin Hillert

Sally Azar von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land. Foto: LWB/Albin Hillert

Interview mit LWB-Ratsmitglied Sally Azar

Jerusalem/Genf (LWI) – Sally Azar spricht mit den Lutherischen Welt-Informationen über die alltäglichen Schwierigkeiten in ihrer Heimatkirche, der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land, über die Beteiligung von jungen Menschen und Frauen in der Kirche sowie über die Perspektiven, die sich aus der neuen LWB-Strategie entwickeln können.

Azar studiert Theologie und vertritt die Region Asien im Rat des LWB.

Erzählen Sie uns doch bitte etwas über Ihre Person und über Ihre Kirche.

Ich bin 22 Jahren alt und habe an der Near East School of Theology in Beirut (Libanon) meinen Bachelor-Abschluss in Theologie gemacht. Mein Masterstudium absolviere ich nun in Deutschland.

In meiner Kirche, der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land, gehören sieben Gemeinden: eine in Amman (Jordanien), eine in Bethanien auf der anderen Seite des Jordan, vier im Westjordanland und eine in Jerusalem.

Wie prägt die Mission Ihrer Kirche von ihrem Kontext geprägt?

Die Besatzung zusammen mit dem aktuellen israelisch-palästinensischen Konflikt ist unser drängendstes Problem. Menschen aus dem Westjordanland brauchen einen besonderen Ausweis, um nach Jerusalem kommen zu dürfen. Wenn wir alle zusammen eine Konferenz veranstalten wollen, ist es manchmal schwierig, die notwendigen Genehmigungen für alle Gemeindemitglieder zu bekommen, damit sie nach Jerusalem kommen und auch tatsächlich einreisen dürfen. Und manchmal wird die Grenze einfach geschlossen und niemand kann mehr frei passieren. In der Regel wird gesagt, dass es einfacher ist für Menschen, die einen Jerusalemer Ausweis haben, weil sie kommen und gehen können, wie sie wollen. Aber in der aktuellen Situation in Jerusalem zu leben, ist auch ein großes Problem. Wie wir hier leben ist schwierig; Palästinenserinnen und Palästinenser, arabische Musliminnen und Muslime, Israelis und Jüdinnen und Juden – wir alle leben hier zusammen und versuchen Möglichkeiten zu finden, uns miteinander zu arrangieren.

Welche Rolle spielt die Kirche Ihrer Meinung nach in dieser Situation?

Wir versuchen einen Dialog mit den Menschen zu führen und wir sprechen mit vielen Kirchen und auch mit dem Rat der Kirchen im Mittleren Osten und dem Ökumenischen Rat der Kirchen über das Thema der friedlichen Dialoge. Wir versuchen interreligiöse Dialoge mit jüdischen und muslimischen Gläubigen zu führen und unseren Gemeinden etwas über den interreligiösen Dialog beizubringen. Und auch in unseren Schulen gibt es Programme, in denen israelische und palästinensische Schülerinnen und Schüler zusammenkommen. Bisher kann ich hier leider keine Erfolge erkennen, aber wir warten darauf, dass all dies Engagement Früchte trägt.

Wie fördern Schulen junge Palästinenserinnen und Palästinenser darin, mit dieser Situation umzugehen?

Meine Kirche betreibt vier Schulen vom Kindergarten bis zur 12. Klasse. Die bieten gute Bildung für junge Menschen christlichen und muslimischen Glaubens aller sozialen Gruppierungen. Einkommensschwache Familien werden bei der Finanzierung der Schulgebühren unterstützt. Die Schulen bieten Deutsch, Arabisch und Englisch als Unterrichtsfächer. Außerdem wird der Schüleraustausch über Programme mit anderen Ländern gefördert. Im Sommer gibt es drei Ferienlager für Kinder unterschiedlicher Kirchen. Sport, religiöse Erziehung und Ausflüge stehen hier auf dem Programm.

Was denken Sie als junge Frau über die Themen Jugendförderung, Gendergerechtigkeit und die Teilhabe von Frauen in Ihrer Kirche?

Meine Kirche hat das Grundsatzpapier zu Gendergerechtigkeit im LWB vor mehr als zwei Jahren angenommen, und wir können eine leichte Verbesserung hin zur 40-prozentigen Frauen- und 20-prozentigen Jugendquote feststellen. In der Jugendförderung tun wir eigentlich alles Wichtige, um junge Menschen zu überzeugen, in unsere Kirche zu kommen und bei verschiedenen Aktivitäten, wie zum Beispiel unseren Jugendcamps, mitzumachen. Aber junge Menschen tatsächlich einzubinden ist ein schwieriges Thema für die Kirche. Die jungen Menschen kommen einfach nicht in die Kirche – was ja überall auf der Welt ein Problem ist. Mein Freundeskreis ist recht aktiv in der Kirche und das hilft. Ich habe langsam das Gefühl, dass wir bei der Jugendbeteiligung vielleicht doch etwas erreichen können.

Auch bei der Beteiligung von Frauen strengen wir uns sehr an. Das Frauenreferat ist sehr engagiert. Aber die Teilhabe von Frauen ist in unserem kulturellen Kontext ein schwieriges Thema. Manchmal sagen mir die Menschen, ich sei ja eine Frau und könne daher dies oder jenes nicht machen. Die Grundeinstellung und Haltung in unserem kulturellen Kontext macht die Frauenförderung schwierig. Es gibt zum Beispiel nicht viele Frauen, die Theologie studieren. Wir versuchen, Frauen zu motivieren, diese Herausforderung anzunehmen.

Während der LWB-Ratstagung wurde die neue LWB-Strategie verabschiedet. Welche Teile oder Aspekte der Strategie werden für Ihre Kirche am wichtigsten sein oder die größte Bedeutung haben?

Ich persönlich finde die Aspekte der Teilhaben von jungen Menschen und Frauen sehr wichtig. Das liegt daran, dass diese Themen in meiner Kirche und unserem Engagement für gerechte Beziehungen zwischen Männern und Frauen und für die Sicherstellung einer sinnvollen und vollumfänglichen Teilhabe junger Menschen einfach sehr wichtig sind. Auch die Teile über die Werte, die die Kirche haben sollte und über unsere Art der Zusammenarbeit finde ich wichtig. Unsere Kirche hat viele Partner und viele Mitglieder, daher scheint es mir ein wichtiges Thema, wie die Kirche engere Beziehungen zu allen Beteiligten entwickelt und aufbaut.

 

Stimmen aus der Kirchengemeinschaft:

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine weltweite Gemeinschaft, deren Mitglieder sich gemeinsam für das Werk und die Liebe Christi in der Welt einsetzen. In dieser Reihe präsentieren wir Kirchenleitende und Mitarbeitende, die über aktuelle Themen sprechen und Ideen entwickeln, wie Frieden und Gerechtigkeit in der Welt geschaffen werden und die Kirchen und die Gemeinschaft in ihrem Glauben und ihrem Engagement wachsen können.