Vesperkirche: Nahrung für Leib und Seele

20. Jan. 2020
Während der Vesperkirchen-Wochen herrscht in der Stuttgarter Leonhardskirche reger Betrieb. Foto: ELK-WUE/Monika Johna

Während der Vesperkirchen-Wochen herrscht in der Stuttgarter Leonhardskirche reger Betrieb. Foto: ELK-WUE/Monika Johna

Kirchenräume als Heimat auf Zeit in den Wintermonaten 

STUTTGART, Deutschland/GENF (LWI) – Ein schöner Kirchraum, eine leckere Mahlzeit, ein Gespräch zwischen einer Büroleiterin und einem Wohnungslosen, Unterstützung und Beratung, Musik und geistlicher Impuls. Das alles gibt es in den Vesperkirchen. Die Idee dahinter: in den nass-kalten Wintermonaten werden die Kirchenräume zu einer „Heimat auf Zeit“, jenseits von Herkunft, Einkommen oder sozialem Status. 

Hierfür werden für einen bestimmten Zeitraum – meist für einige Wochen – in Kirchen mit zentraler Innenstadtlage die Kirchenbänke zur Seite geräumt, Tische aufgestellt und Treffpunkte geschaffen, um Menschen in einem besonderen Rahmen willkommen zu heißen. 

800 Freiwillige beteiligt

In der Stuttgarter Leonhardskirche, der Mutter der Vesperkirchen, engagieren sich rund 800 Personen – teilweise auch Schülerinnen und Konfirmanden, Auszubildende und Führungskräfte im Rahmen des „Sozialen Lernens“ – ehrenamtlich in dem Projekt. Sie begrüßen die Gäste, teilen Essen aus, organisieren, führen Gespräche, machen besondere Angebote oder sind auf andere Weise aktiv. „Diese Vielfalt an Menschen macht die Vesperkirchen aus. Kaum irgendwo anders kommen so viele unterschiedliche Menschen so eng zusammen wie hier“, weiß der Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Frank Otfried July. 

Durchschnittlich werden allein in der Leonhardskirche vom 19. Januar bis zum 7. März täglich 600 Mahlzeiten zur Verfügung gestellt. Kostenbeitrag: man gibt, was man kann. Geld- und Sachspenden tragen darüber hinaus zu abwechslungsreichen Menüs bei und machen das Rahmenprogramm möglich. 

„So stellen wir uns eine lebendige und gastfreundliche Kirche vor“, so July. „Eine Kirche, in der die Menschen füreinander da sind, miteinander ins Gespräch kommen, einander zuhören, sich gegenseitig trösten und ermutigen und miteinander lachen. Die aber auch auf Ungleichheiten und Ausgrenzungen aufmerksam macht und für gegenseitigen Respekt und Teilhabe eintritt.“ 

Vielfältiges Rahmenprogramm

Neben den Mahlzeiten bieten die Vesperkirchen zahlreiche zusätzliche Möglichkeiten. Sie reichen von einer täglichen Andacht über diakonische Beratung und Bewerbungstraining, einem Gratis-Friseurbesuch oder einem kulturellen Angebot. Hierfür ist beispielsweise das Nürnberger Staatstheater ein wichtiger Partner der dortigen Vesperkirche. Deren Schauspieler und Sänger treten an den Sonntagnachmittagen bei kostenlosen Theateraufführungen und Konzerten auf. 

Die erste Vesperkirche fand bereits 1995 in Stuttgart statt. Inzwischen hat die Idee eine große Ausstrahlung entwickelt: In der Evangelischen Landeskirche in Württemberg gibt es in diesem Jahr 30 Orte, an denen Gemeinden ihre Kirchen für dieses diakonische Projekt öffnen. Und andere Landeskirchen greifen sie auch auf, beispielsweise die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern am Standort Nürnberg.