USA: Leitfaden für den Dienst in einer multireligiösen Welt

2. Aug. 2022

Vorschläge zur Planung von interreligiösen Gottesdiensten und Veranstaltungen

ELCA’s Kathryn Lohre with the Executive Committee of Shoulder to Shoulder

Kathryn Lohre von der ELKA (1. Reihe Mitte) mit dem Exekutivkomitee von Shoulder to Shoulder, einer nationalen Koalition von Konfessionen und glaubensbasierter Organisationen, die sich für die Beendigung von Diskriminierung und Gewalt gegen Muslime in den Vereinigten Staaten einsetzen. Foto: El-Hibri-Stiftung

(LWI) – Als Reaktion auf die sich rapide wandelnde Religionslandschaft in den Vereinigten Staaten hat die Evangelisch-Lutherische Kirche in Amerika (ELKA) einen neuen Leitfaden für den Dienst in einer multireligiösen Welt veröffentlicht.

Zielgruppe der Publikation sind Pfarrerinnen, Diakone und andere in die interreligiöse Arbeit eingebundene Personen. Das Dokument enthält eine Fülle von Überlegungen und Planungsvorschlägen für die Organisation interreligiöser Gottesdienste zum Beispiel für Trauungen, Beerdigungen, Ordinationen oder als Reaktion auf nationale Tragödien und Krisen.

Der Leitfaden ging aus einer 2019 veröffentlichten Erklärung zum interreligiösen Engagement hervor, die von ELKA ausgearbeitet wurde, um ihren Mitgliedern eine theologische Grundlage für die immer häufigeren gemeinsamen Aktivitäten mit Menschen aus anderen Glaubensgemeinschaften zu geben. Das neue Dokument ist außerdem das Ergebnis einer groß angelegten Befragung unter lutherischen Christinnen und Christen und ihren ökumenischen und interreligiösen Partnern. Über 2.600 Menschen beantworteten die Umfrage, um eigene „Erfahrungen, Sachkenntnis und kollektives Wissen“ an den Redaktionsausschuss weiterzugeben.

„Unsere Landschaft verändert sich so schnell, dass jede Gemeinde laufend von neuen religiösen Gegebenheiten geprägt wird“, sagt Kathryn Lohre, ELKAs Referentin für Ökumenische und Interreligiöse Beziehungen und Theologische Urteilsbildung. Obwohl die Leute religiöse Vielfalt eher in städtischen Gebieten erwarten, haben ihr zufolge die Migrations- und Flüchtlingsumsiedlungswellen dazu geführt, dass ländliche Gebiete und Kleinstädte ebenfalls ein neues Maß an ethnischer und religiöser Vielfalt erleben.

Kathryn Lohre

Kathryn Lohre, ELCA’s Executive for Ecumenical and Inter-Religious Relations and Theological Discernment. Photo: ELCA

Trotz der zunehmenden Vielfalt, fährt Lohre fort, „sieht die Reaktion auf eine Tragödie in einem Ort immer noch ganz anders aus als die Reaktion in einem anderen, wo die Herausforderungen einer multireligiösen Realität vielleicht noch ganz neu sind.“ Der Ausschuss sei um Vorlagen für interreligiöser Veranstaltungen gebeten worden, sagt sie, doch „wir fanden, dass es kein Modell gibt, das für alle passt, denn es kommt immer auf den Kontext an und die Verhältnisse müssen im Zentrum des geistlichen Wirkens stehen.“

Die gemeinsame Planung von ELKA-Gemeinden und ihren interreligiösen Partnern seien die Grundlage, so steht es im Leitfaden, damit „die Integrität, die charakteristischen Verpflichtungen und Gaben der jeweiligen Tradition gewürdigt werden“. Es sei unerlässlich, „Zeit in den Aufbau von vertrauens- und respektvollen Beziehungen zu investieren, bevor man versucht, eine offizielle Veranstaltung auf die Beine zu stellen, die zu Missverständnissen führen oder sogar Schaden anrichten kann“, heißt es weiter.

Das neue Dokument räumt ein, dass Beziehungen zwischen Menschen christlichen Glaubens und Angehörigen anderer Glaubenstraditionen in der Vergangenheit von „Missverständnissen, Vorurteilen, Missbrauch und Gewalt“ gekennzeichnet waren. „Wir müssen sensibel dafür sein, auf welche Weise wir einander (in der Vergangenheit und der Gegenwart) verletzt haben mögen“, heißt es, denn „selbst die simple Anerkennung einer solchen Vorgeschichte ist ein wichtiger Schritt in Richtung Heilung und Versöhnung.“ 

Gegenseitiges Lernen zur Bereicherung des Selbstverständnisses

Die neuen Leitfäden und die Erklärung bringen klar die Verpflichtung der Kirche zur Mission zur Sprache und bekräftigen, dass „das Evangelium bzw. die Frohe Botschaft den Kernpunkt unseres Glaubens bildet“ und „die Art und Weise, wie wir mit unseren Nächsten umgehen,“ prägt und gestaltet. Dennoch erkennt Lohre, dass interreligiöse Spannungen, oftmals angeheizt durch eine fremden- und islamfeindliche Rhetorik, bestehen bleiben. „Nicht alle Menschen in unserer Kirche akzeptieren, dass wir uns mit damit befassen sollten“, bemerkt sie. „Doch der Leitfaden machen deutlich, dass unser eigener Glaube durch das interreligiöse Engagement oftmals bereichert wird, denn wir müssen uns darüber klar werden, wer wir sind und was wir glauben“, so Lohre. Unser Ziel ist es, „Ängste zu überwinden und zu zeigen, dass wir durch die Nächstenliebe ein tiefes gehendes, umfassenderes Selbstverständnis in unserem eigenen Glaubenskontext finden.“

Die Mutter von vier Kindern betont, dass „meine Kinder über religiöse Vielfalt auf eine Weise Bescheid wissen, die mir in meiner Jugend fremd war, obwohl ich jüdische, muslimische, hinduistische, sikhische und buddhistische Freunde hatte.“ Dieses Bewusstsein für die gegenseitige Bereicherung markiere „einen Schritt über die Toleranz hinaus hin zum Engagement“ und erfüllt Lohre bei ihrer täglichen Arbeit mit großer Hoffnung.

Sie und die anderen Verfasserinnen und Verfasser des Leitfadens werden durch das positive Feedback ermutigt, das sie unter anderem von ihren interreligiösen Partnern erhielten. Letztere wurden gebeten, den Schlussentwurf vor der Veröffentlichung zu prüfen. „Unsere interreligiösen Partner können uns einen Spiegel vorhalten, damit wir sehen, wie sie uns sehen“, sagt Lohre. „Dadurch können sie uns helfen, deutlicher zu erkennen, wer wir werden möchten und wie wir weiter zusammenwachsen können.“

LWF/P. Hitchen