Schöpfung ist eine Gabe, keine Ware

7. Okt. 2020
LWB-Generalsekretär Martin Junge sprach per Videoschalte zur "Faith for Nature"-Konferenz, die in Island stattfindet. Foto: LWB/S. Gallay

LWB-Generalsekretär Martin Junge sprach per Videoschalte zur "Faith for Nature"-Konferenz, die in Island stattfindet. Foto: LWB/S. Gallay

LWB-Generalsekretär spricht bei „Faith for Nature“-Konferenz 

SKÁLHOLT, Island/GENF (LWI) – Das Überleben der Menschheit als „Geschöpfe in einer erschaffenen Welt“ werde davon abhängen, „ob wir es schaffen, nach Erfüllung im Leben zu streben durch Gaben und Ressourcen, die für Geld nicht zu haben sind“, sagte Pfarrer Dr. h.c. Dr. h.c. Martin Junge, Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (LWB), bei einer Videoschalte im Rahmen der „Faith for Nature“-Konferenz, die vom 5. bis 8. Oktober in Skálholt (Island) stattfindet. 

Die Konferenz will einen Weg in die Zukunft herausarbeiten, indem sie „Werte, ethische Prinzipien, Spiritualität und ein Handeln aus dem Glauben heraus aktiviert und mobilisiert“, um die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Agenda 2030) der Vereinten Nationen (sustainable development goals - SDGs) tatsächlich zu erreichen. Sie will Organisationen, die aus dem Glauben heraus handeln (faith-based organizations – FBOs), für ein Engagement zur Umsetzung der Agenda 2030 und eine Zusammenarbeit für nachhaltige und regenerative Entwicklung zurüsten und damit die Gründung einer weltweiten Koalition „Glaubensgemeinschaften für die Erde“ (Faith for Earth Coalition) fördern. 

„Religion kann einen wichtigen Beitrag leisten, um die dafür notwendigen Gespräche anzustoßen“, sagte Junge. „Religion weiß, wie man sich existenziellen Fragen und Herausforderungen stellt. Religion kann Horizonte der Hoffnung aufzeigen und Gemeinschaften dazu bringen, Zeugnis für diese Hoffnung abzulegen.“ 

In welch enger Verbindung der christliche Glaube, Klimagerechtigkeit und die SDGs stünden, würde sehr deutlich in dem Gleichnis vom guten Hirten (Matthäus 18,12-14) mit seiner Botschaft, „niemanden zu vergessen und auf der Strecke zu lassen“, hob Junge hervor. „Jedes Paradigma, das den Anspruch erhebt, als ‚Entwicklung‘ bezeichnet zu werden, muss gesellschaftliche und biologische Vielfalt fördern und fest verwurzelt sein in dem Grundsatz der Inklusion. Wenn auch nur eine Spezies von Vogel, Pflanze oder Tier fehlt, wenn auch nur ein Mensch oder gar ganze Menschengruppen fehlen, sind wir unvollständig.“ 

Der LWB-Generalsekretär berichtete über verschiedene Bereiche und Themen, für die sich die Kirchengemeinschaft engagiere und bei denen es genau um diese Thematik gehe. „Unser Engagement für Gendergerechtigkeit, inklusive und partizipative Gesellschaften, das Gemeinwohl in den Bereichen Politik und Wirtschaft, Klimagerechtigkeit, die Anpassung an den Klimawandel und für Klimaschutz sind Grundbestandteile einer grünen oder ganzheitlichen Ökologie der Gerechtigkeit und des Friedens.“ 

Gleichzeitig „müssen wir unseren Blickwinkel erweitern und mit einem Bezugssystem arbeiten, das die Schöpfung als Ganzes in den Mittelpunkt stellt“. Der traditionelle theologische Diskurs habe weitgehend „den Menschen in den Mittelpunkt gestellt und ihn oftmals isoliert vom Rest der Schöpfung betrachtet“. 

Junge sprach sich erneut für einen konstruktiven Dialog zwischen den verschiedenen Wissenschaften – Naturwissenschaften, Sozialwissenschaften, Politikwissenschaften und der Wissenschaft der Theologie – aus. Er sagte, dass „wir zur Bewältigung der Aufgabe, moralisch vertretbare politische, wirtschaftliche und technologische Wege und Lösungen zur Erhaltung des Lebens unter Beachtung und Achtung der Grenzen unseres Planeten herauszuarbeiten, lernen müssten, Theologie und Naturwissenschaften, Glauben und Ratio gleichermaßen als Teil der einen Ökologie der menschlichen Weisheit zu verstehen“. 

Die interreligiöse Zusammenarbeit bedeute einen Mehrwert für die Bemühungen des LWB und seiner Mitgliedskirchen um Klimagerechtigkeit, so Junge. „Ich sehe die Faith for Earth Coalition als eine dringend notwendige Ergänzung der vielen konkreten Beispiele für gute Zusammenarbeit auf lokaler Ebene, als ein Bindeglied zwischen dem, was auf lokaler Ebene getan wird, und dem, was auf globaler Ebene geschieht.“ Die Verwurzelung von FBOs an der Basis der Zivilgesellschaft müsse nun „aufgegriffen werden in den politischen Diskussionen auf globaler Ebene“. Er begrüßte, dass die Faith for Earth Coalition Möglichkeiten für einen solchen Austausch unterstützen wolle. 

Die „Faith for Nature“-Konferenz wird gemeinsam organisiert und ausgerichtet von der Initiative „Faith for Earth“ (Glaubensgemeinschaften für die Erde) des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), der Evangelisch-Lutherischen Kirche Islands, der isländischen Regierung und weiteren isländischen Organisationen. Sie findet nur wenige Monate vor der für Februar 2021 in Nairobi (Kenia) geplanten fünften Umweltversammlung der Vereinten Nationen statt und steht unter dem allgemeinen Motto „Strengthening Actions for Nature to Achieve the Sustainable Development Goals“ (Engagement für die Natur stärken, um die Ziele für nachhaltige Entwicklungsziele zu erreichen).