Organizations need to promote women’s confidenceDas Selbstvertrauen von Frauen stärken

19. Aug. 2019
Maria Immonen, Direktorin des LWB-Weltdienstes. Photo: LWB

Maria Immonen, Direktorin des LWB-Weltdienstes. Photo: LWB

Welttag der humanitären Hilfe: Interview mit Maria Immonen, Direktorin vom LWB-Weltdienst

Genf (LWI) – Am Welttag der humanitären Hilfe werden all jene Menschen ins Scheinwerferlicht gerückt, die unter oftmals gefährlichen und schwierigen Bedingungen für humanitäre und Entwicklungsorganisationen arbeiten, um den Opfern von Konflikten oder Naturkatastrophen zu helfen. 2019 stehen insbesondere die Frauen unter ihnen im Mittelpunkt - #WomenHumanitarians. Die Frauen seien mit besonderen Schwierigkeiten konfrontiert, sie brächten aber auch  besondere Fähigkeiten und Begabungen für den Dienst an den Menschen mit, erklärt die Direktorin des LWB-Weltdienstes, Maria Immonen. In einem Interview mit der Lutherischen Welt-Information (LWI) ruft sie die Hilfsorganisationen auf, ihre Mitarbeitenden in traditioneller geprägten Kontexten zu unterstützen und zu stärken.

Ist die Arbeit in der humanitären Hilfe für eine Frau anders als für einen Mann? Und wenn ja, warum?

Aktuell arbeiten weltweit fast 8.000 Angestellte für den LWB-Weltdienst, und wir sind unheimlich stolz auf jede einzelne und jeden einzelnen von ihnen. Sie alle arbeiten unter schwierigen Bedingungen und unter enormem Druck mit gefährdeten Bevölkerungsgruppen. Die Bedürfnisse der vielen hilfsbedürftigen Menschen übersteigen sehr oft unsere Möglichkeiten und Kapazitäten.

Die meisten Herausforderungen und Probleme in der humanitären Hilfe sind für Frauen und Männer die gleichen – sie arbeiten weit entfernt von der Heimat. In den meisten Fällen sind ihre Familien nicht bei ihnen. Sie müssen mit einem nervenaufreibenden und gefährlichen Arbeitsumfeld umgehen, und kurz bemessene Fristen einhalten.

Aber natürlich gibt es auch Aspekte in der Arbeit vor Ort, die für Frauen besonders schwierig sind. So ist zum Beispiel das Risiko für sie höher, Opfer von sexueller Gewalt zu werden oder ganz allgemein, von Menschen in ihrem Umfeld abgelehnt, belästigt oder schikaniert zu werden, die Frauen in Autoritätsfunktionen nicht akzeptieren. Beim LWB werden alle Mitarbeitenden gleich behandelt – das Geschlecht unserer Mitarbeitenden ist nicht relevant für die Höhe des Gehalts oder sonstiger Leistungen.

Gibt es bestimmte Arbeitsbereiche, in denen es ein Vorteil ist, wenn Frauen dort arbeiten?

Im Allgemeinen sind gemischte Teams mit Männern und Frauen die beste Option. Genau wie verschiedene Charaktere und Individuen sich im besten Fall gut ergänzen, führt auch die Zusammenarbeit von Männern und Frauen in Teams zu einem besseren Verständnis und einer differenzierteren Antwort und Reaktion auf konkrete Situationen in unserer Arbeit. Es gibt natürlich Situationen, in denen reine Frauenteams vorteilhaft sein können, insbesondere wenn es zum Beispiel um sexuelle oder geschlechtsspezifische Gewalt geht. Für Vergewaltigungsopfer ist es oftmals einfacher, mit einer anderen Frau darüber zu sprechen und Hilfe von Menschen zu bekommen, die ähnliche Erfahrungen wie sie gemacht haben.

In unserem Engagement zum Schutz von Flüchtlingen ist sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt ein besonderer Arbeitsschwerpunkt. Frauen, die in einer Gruppe zusammenkommen, sich ermächtigt und gestärkt fühlen, entwickeln dadurch oftmals den Mut, auch schwierige, kulturell sensible Themen in gemischten Gruppen anzusprechen.

Man darf dabei aber nicht vergessen, dass auch Jungen und Männer Themen wie sexuelle Gesundheit von Mädchen und Frauen sowie Gesundheit von Müttern verstehen müssen: das Wohlergehen und die Gesundheit von Frauen enorme Auswirkungen auf das Wohlergehen und die Gesundheit der Gesellschaft im Allgemeinen.

Vor welchen konkreten Herausforderungen stehen Frauen bei der Arbeit von Hilfsorganisationen vor Ort?

In einigen Kontexten kann es für Frauen anstrengend und eine Herausforderung sein, sich den Respekt und das Vertrauen der Menschen und das Vertrauen der Behörden und Ältesten der Gemeinwesen zu erarbeiten. Dafür ist es sehr wichtig, dass die Hilfsorganisationen das Selbstvertrauen ihrer weiblichen Mitarbeitenden stärken und sie Funktionen ausüben lassen, die bis dahin überwiegend von Männern ausgeübt wurden.

Konkrete Herausforderungen können sich zum Beispiel auch in Bezug auf die eigene Sicherheit stellen, etwa in Zusammenhang mit der Unterbringung oder Wohnsituation in entlegenen Gebieten oder mit dem Risiko von sexueller Gewalt oder Belästigung. Glücklicherweise werden diese Problematiken zunehmend thematisiert. Es wird darüber gesprochen und sowohl Frauen als auch Männer sind sich der Situation bewusster und können sich gegenseitig helfen, sichere Arbeitsbedingungen für alle Mitarbeitenden zu schaffen.

Wie viele Frauen arbeiten vor Ort für den LWB und was wird getan, um auf ihre besonderen Bedürfnisse einzugehen?

Der LWB insgesamt ist um eine ausgewogene Vertretung beider Geschlechter unter seinen Mitarbeitenden bemüht und hat da in den vergangenen Jahren auch enorme Fortschritte gemacht. Wir sind sehr stolz darauf, dass 2018 etwa 40 Prozent unserer Mitarbeitenden weltweit Frauen waren, und dass auch die Zahl von Frauen in Führungspositionen auf allen Ebenen der Organisation zugenommen hat. 50 Prozent der Leitungspersonen unserer Länderprogramme sind Frauen.

Themen und Problematiken im Zusammenhang mit dem Geschlecht werden aufgrund unserer Fürsorgepflicht in erster Linie konkret in Bereichen angesprochen, die mit der Sicherheit unserer Mitarbeitenden zusammenhängen. Darüber hinaus gibt es natürlich adäquate Vorkehrungen und Regeln für den Mutterschutz und Mutterschaftsurlaub und wir haben eine familienfreundliche Personalpolitik, damit Frauen die Möglichkeit haben, Arbeits- und Familienleben gut zu vereinbaren.

Der Schutz des humanitären Raums war in den vergangenen Jahren immer wieder Thema. Wie sieht es diesbezüglich aktuell aus – in dem Jahr des 70-jährigen Bestehens der Genfer Konventionen und dem 10. Welttag der humanitären Hilfe?

Die Situation ist nicht besser geworden, ganz im Gegenteil. In vielen Konfliktgebieten erleben wir schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht. Humanitäre Helferinnen und Helfer werden zu Zielscheiben und die Zivilbevölkerung, die zwischen die Fronten gerät, wird missachtet. Noch nie war es so offenkundig, dass die Genfer Konventionen und das humanitäre Völkerrecht bewahrt und verteidigt werden müssen. Humanitäre Helferinnen und Helfer dürfen nicht davon abgehalten werden, ihre lebensrettende Arbeit zu tun, und noch weniger dürfen sie zu Zielscheiben werden.

Die Mitarbeitenden aus dem jeweiligen Land sind oftmals sogar einem noch größeren Risiko ausgesetzt, als die internationalen Helferinnen und Helfer, weil sie immer an vorderster Front arbeiten und den gefährlichsten Situationen ausgesetzt sind. Die wirklich große Mehrheit – mehr als 90 Prozent – der LWB-Angestellten sind lokale Mitarbeitende, die in ihrem eigenen Land oder der Region arbeiten. Der LWB ist fest entschlossen, ihr Recht zu schützen, unter würdigen Bedingungen, ohne Angst und im Dienst der schutzbedürftigsten Menschen zu arbeiten.