Nordische Kirchen beschäftigen sich mit „Taufe in Zeiten des Wandels“

7. Mai 2021
„Taufe in Zeiten des Wandels“ ist ein gemeinsames Projekt der lutherischen Volkskirchen in Schweden, Island, Finnland, Norwegen und Dänemark. Foto: folkekirken.dk

„Taufe in Zeiten des Wandels“ ist ein gemeinsames Projekt der lutherischen Volkskirchen in Schweden, Island, Finnland, Norwegen und Dänemark. Foto: folkekirken.dk

Regionale Studien belegen rückläufige Zahlen bei Säuglingstaufen

FREDERIKSBERG, Dänemark /GENF (LWI) – Bischof em. Kristján Valur Ingólfsson von der Evangelisch-Lutherischen Kirche Islands (ELKI) schiebt ein kleines Kind behutsam aus seinem Arbeitszimmer und erklärt nebenbei, sein Enkel sei „eines der getauften Kinder“. Der Knirps war während eines Webinars unerwartet im Arbeitszimmer aufgetaucht, das Teil einer fünfteiligen Reihe von Webinaren ist, die die rückläufigen Zahlen in Bezug auf Taufen in den Kirchen der nordischen Länder untersuchen und diskutieren wollen.

„Taufe ist Zeiten des Wandels“ ist ein gemeinsames Projekt der lutherischen Kirchen in Schweden, Island, Finnland, Norwegen und Dänemark und Teil einer größer angelegten Initiative mit dem Titel „Churches in times of change“ (Kirchen in Zeiten des Wandels).

„Auch wenn nicht alle Eltern automatisch ihre Kinder taufen lassen, haben die Kirchen in den nordischen Ländern die Erfahrung gemacht, dass es eine große Sehnsucht gibt, die Bedeutung dieses mit Gottes Verheißung verbundenen Wasserbades zu erfahren“, berichtete Pfr. Dr. Ireneusz Lukas, LWB-Regionalreferent für Europa.

Im Rahmen der Webinare, von denen das erste bereit im März stattfand und die letzten beiden nun im Mai anstehen, analysieren Forschende, Analystinnen und Analysten, Kirchenleitende und Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftler Forschungsmaterial und Umfragen, die belegen, dass in den letzten Jahren immer mehr Eltern ihre Kinder nicht haben taufen lassen.

Parallel dazu aber hätten sich immer mehr Jugendliche und Erwachsene für die Taufe entschieden, was darauf hinweise, dass immer mehr Eltern es ihren Kindern überlassen, sich später im Leben für die Taufe zu entscheiden.

Zahlen bestätigen Rückgang

Wenn man Statistiken aus der Forschung heranzieht und die Geburtenzahlen in den Kirchenbüchern mit der Anzahl Taufen vergleicht, ist ein deutlicher Rückgang der Säuglingstaufen zu erkennen, was ein rückläufiges Interesse für kirchliche Rituale anlässlich der Geburt eines Kindes widerspiegelt. 

In Dänemark zum Beispiel ist die Zahl der Taufen von Kindern im Alter von unter einem Jahr einem von Jonas Adelin Jørgensen, dem Referenten des Projektes zum Thema Taufe bei der Evangelisch-Lutherischen Volkskirche in Dänemark, zusammengestellten Bericht mit dem Titel „Development in baptism in the last two decades“ zufolge von 77,2 Prozent im Jahr 2000 auf 58,7 Prozent im Jahr 2018 gesunken.

Eine Zusammenfassung der kirchlichen Aufzeichnungen der Evangelisch-Lutherischen Kirche Islands legt dar, dass die Zahl der Taufen zwischen 2000 und 2019 von 93 Prozent auf 48 Prozent gefallen ist. Gleichzeitig waren 89 Prozent aller Neugeborenen im Jahr 2019 allerdings Mitglieder der ELKI.

Auch die Kirchen in den anderen nordischen Ländern verzeichnen einen ähnlichen Rückgang.

Gründe warum Eltern ihre Kinder nicht taufen lassen

„Ich glaube nicht mehr an die Bekenntnisse der Kirche“, „Mein Kind soll seine Religion selbst wählen können“ und „Mein Lebensgefährte/meine Lebensgefährtin ist nicht lutherisch“ sind nur einige der Begründungen, die Eltern in Umfragen der teilnehmenden Kirchen für die Entscheidung genannt haben, warum sie ihre Kinder nicht taufen lassen.

Die Statistiken der fünf lutherischen Kirchen in den nordischen Ländern sehen alle sehr ähnlich aus, aber die möglichen Gründe für den Rückgang bei den Taufen sind vielfältig. Die relevanten Faktoren reichen von der Urbanisierung bis zu den geringen Besucherzahlen bei Gottesdiensten und den sich verändernden gesellschaftlichen und theologischen Trends sowie sich verändernden Bräuchen.

Ida Marie Høgh, Professorin für Religionssoziologie an der Universität Agder, berichtete aus dem norwegischen Kontext und sagte, dass es drei große Veränderungen gegeben habe, die möglicherweise Auswirkungen auf die Entscheidung von Eltern in Norwegen haben, ihre Kinder nicht taufen zu lassen.

Zum einen verändert sich das Verhältnis der Eltern zur Kirche, zum zweiten leben die Menschen in einer Konsumgesellschaft und drittens hat der veränderte Erziehungsstil, bei dem der Wille und die Stimme des Kindes stärker berücksichtigt werden, zu einer „Krise bei der Weitergabe [von Traditionen] von einer Generation zur nächsten“ geführt.

Professor Høgh erläuterte die Auswirkungen des Lebens in einer Konsumgesellschaft noch eingehender und erklärte, dass „Konsumgesellschaften die Menschen dazu verleiten, Weltanschauungen und Praktiken zu verlangen, die Spaß machen und Stress abbauen“. „Die Antwort der Kirchen auf diese Veränderungen war bisher, ihren Mitgliedern individuelle emotionale Erlebnisse zu bereiten“, sagte Høgh.

Segnen und taufen

Um das Leben eines Neugeborenen zu feiern, bitten einige Eltern die Kirche, ihr Kind einfach nur zu segnen statt es zu taufen, oder sie entscheiden sich für eine andersartige einfache Zeremonie zur Namensgebung. Verschiedene Kirchenleitende in den nordischen Ländern machen sich jetzt Sorgen, dass Eltern zu der Überzeugung gelangen könnten, dass derartige Zeremonien eine Taufe ersetzen können. 

Die Rednerinnen und Redner im dritten Webinar der Reihe, das unter der Überschrift „Segnen, nicht taufen“ stand, waren sich einig, dass die Kirchen beide Optionen anbieten können.

Pfr. Terje Hegertun, Professor für systematische Theologie an der MF vitenskapelig høyskole for teologi, religion og samfunn (wissenschaftliche Hochschule für Theologie, Religion und Gesellschaft), sagte, die Kirche könne Unterweisungen und Aktivitäten anbieten, die – möglicherweise auch erst wenn die Kinder älter oder erwachsen sind – zur Taufe führen würden.

In der isländischen Kirche gebe es zwar keine offizielle Verordnung mit Bezug zur Segnung von Säuglingen, aber solche Segnungen könnten sicherlich trotzdem durchgeführt werden, wenn die Eltern verstehen, dass „die Segnung kein Ersatz für das Taufbecken ist und dass die Entscheidung, sich taufen zu lassen oder nicht, dann später in den Händen des Kindes liegt“, erklärte Ingólfsson.

„Der Taufritus ist einer unserer inklusivsten Riten. Wir verteilen die verschiedenen Rollen an alle Beteiligten, verbinden das Persönliche mit dem Gemeinschaftlichen.“ – Pfarrerin Christina Grenholm, Schwedische Kirche

Eine Frage, die der Schwedischen Kirche oft gestellt wird, ist: „Wie sehr müssen wir als Eltern vom Glauben überzeugt sein, um unser Kind taufen zu lassen?“

„Wir sind der Meinung, dass das die Gesellschaft insgesamt sehr gut widerspiegelt“, sagte Pfarrerin Christina Grenholm, Referentin der Schwedischen Kirche und Professorin für systematische Theologie.

„Der Taufritus ist einer unserer inklusivsten Riten. Wir verteilen die verschiedenen Rollen an alle Beteiligten, verbinden das Persönliche mit dem Gemeinschaftlichen“, führte Grenholm aus.

Das größer angelegte Projekt „Kirchen in Zeiten des Wandels“ setzt auf regionaler Ebene eine Resolution der Zwölften LWB-Vollversammlung von 2017 um, die die Kirchen aufruft, Plattform für einen Austausch und Lernerfahrungen hinsichtlich der sich wandelnden Kirche angesichts von Säkularisierung und anderen gesellschaftlichen und demographischen Faktoren zu schaffen.

„Das Projekt beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Frage, inwiefern das Wasserbad im Namen des dreieinigen Gottes vor der versammelten Gemeinschaft von Christinnen und Christen im Zentrum des gesamten Lebens einer Christin oder eines Christen steht“, erklärte Lukas.

Im Rahmen des Projektes wird es zwei weitere Webinare geben: Am Montag, dem 10. Mai, 13-15h MEZ, wird es um das Thema „Marketing of Baptism“ (Vermarktung der Taufe) gehen und am Donnerstag, dem 20. Mai, 13-15h MEZ werden sich die Teilnehmenden mit der Frage beschäftigen „Die Bedeutung der Taufe in unserer heutigen Zeit. Wo sind die Ressourcen für eine zeitgemäße Tauftheologie?“ Registrieren Sie sich hier: churchesintimesofchange.org.

 

LWB/A. Gray