Mit der Ausbildung für den kirchlichen Dienst steht und fällt das Leben der Kirche

23. Okt. 2017
Bischof Michael Benhur von der Lutherischen Kirche Süd-Andhra. Foto: LWB/S.Gallay

Bischof Michael Benhur von der Lutherischen Kirche Süd-Andhra. Foto: LWB/S.Gallay

Interview mit dem indischen Bischof Michael Benhur

GENF (LWI) – Im folgenden Interview beschreibt Michael Benhur, Bischof der Lutherischen Kirche Süd-Andhra*, der Lutherischen Welt-Information (LWI), wie die indische Kirche das Reformationsjubiläum begeht und was er von dem Runden Tisch zum Thema Ausbildung für den kirchlichen Dienst** mitnimmt, den der Lutherische Weltbund (LWB) am 25. und 26. September veranstalte.

Was ist das Besondere daran, in Ihrem Kontext als Lutheraner oder Lutheranerin zu leben; und was sind die Herausforderungen?

Zunächst möchte ich Grüße von der Lutherischen Kirche Süd-Andhra in Tirupati im Südosten Indiens übermitteln, wo die Mehrheit der Menschen dem Hinduismus und verschiedenen Kulten anhängen. Vor etwa 150 Jahren nahmen Missionare aus Hermannsburg (Deutschland) in unserem Gebiet ihre Arbeit auf. Wir Lutherischen sind eine der ältesten Kirchen Indiens und die liturgische Form, die wir bis heute pflegen, hat eine lange Tradition.

Vor eine Herausforderung stellen uns diesbezüglich heute die neuen evangelikalen Kirchen, deren innovative Ansätze bei Gebet, Gottesdienst und liturgischen Formen augenfällig attraktiv sind. Alles wird modernisiert und wir sind immer noch glaubensfeste, traditionelle Menschen, die derselben alten lutherischen Liturgie und Gottesdienstform folgen. Daher zieht es die junge Generation zu diesen neuen Arten des Gottesdienstes in andere Kirchen. Das ist eine Herausforderung, vor der wir stehen, und wir müssen neue Gebets- und Liturgieformen auf andere Weise einbeziehen.

Was nehmen Sie vom Runden Tisch zum Thema Ausbildung für den kirchlichen Dienst mit – was hat Sie inspiriert oder überrascht und warum?

Der Runde Tisch war für mich inspirierend, weil mit der Ausbildung für den kirchlichen Dienst das Leben der Kirche steht und fällt. Überall in der weltweiten Kirchengemeinschaft werden Menschen für den kirchlichen Dienst ausgebildet, wir dürfen dieses Thema also auf keinen Fall vernachlässigen.

Überrascht hat mich, dass die Probleme und Defizite überall in der weltweiten Gemeinschaft die gleichen sind. Es gibt also keine Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen, Ländern oder Kontinenten. Es bestehen aber auch spezifische logistische und andere wichtige Defizite. Was unsere Kirche angeht, bilden wir die meisten unserer Geistlichen am Gurukul Lutheran Theological College and Research Institute in Chennai, sowie einige weitere auch am Andhra Christian Theological College in Hyderabad aus.

Die 60.000 Mitglieder der Lutherischen Kirche Süd-Andhra sind auf mehrere Gemeinden verteilt und werden von 54 Pfarrern und 4 Pfarrerinnen betreut.

Inwiefern haben die Feierlichkeiten anlässlich des Reformationsjubiläums in Indien das Bewusstsein für die Zugehörigkeit zur weltweiten lutherischen Kirchengemeinschaft gestärkt?

Das 500. Reformationsjubiläum ist auch im Leben unserer Kirche ein sehr wichtiges Ereignis und wir feiern es entsprechend. In diesem Rahmen gab es auch ein spezielles Kinder- sowie ein Frauenfest.

Am 30. September kamen mehr als 400 Schülerinnen und Schüler der Sonntagsschulen in unserem Kirchenamt in Tirupati zusammen. Mit Spiel und Spaß lernten sie mehr über Martin Luther und sein Leben. Sie malten, führten Sketche über einige seiner bekanntesten Reden und Lehren auf, nahmen an einem Bibelquiz und einem Gesangswettbewerb teil, bei dem „Ein feste Burg ist unser Gott“ im Mittelpunkt stand. Es gab eine virtuelle Stadtführung durch Wittenberg und den Luthergarten, wo unsere Kirche aus Anlass des 500. Reformationsjubiläums einen Baum gepflanzt hat.

Am 2. Oktober versammelten sich über 500 Frauen in der Gemeinde Renigunta und setzten sich mit dem Beitrag auseinander, den Frauen zur Reformation geleistet haben, wobei das Leben von Luthers Frau, Katharina von Bora, im Mittelpunkt stand. Pfarrerin Veronica Angela von der Evangelisch-Lutherischen Kirche Andhra war Hauptpredigerin. Wir feiern das Erbe, das unsere Reformatorinnen und Reformatoren hinterlassen haben. Entsprechend sind wir stolz darauf, zur weltweiten lutherischen Gemeinschaft zu gehören und feiern auch das Thema „Befreit durch Gottes Gnade“.

Welche Pläne gibt es sonst noch für die kommenden Monate?

Die Jugend organisiert am 7. Oktober ihr eigenes Fest, die allgemeine Reformationsfeier unserer Kirche findet am 14. Oktober in Tirupati statt. In diesem Rahmen feiern wir, wie viele andere Kirchen der weltweiten lutherischen Communio auch, einen großen Festgottesdienst.

An unserem Kirchenamt in Tirupati planen wir, eine Martin-Luther-Statue zu errichten, deren Inschrift eine Reihe seiner theologischen Einsichten wiedergeben wird.

 

* Die Lutherische Kirche Süd-Andhra ist eine von 11 indischen LWB-Mitgliedskirchen, die in der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Indien (VELKI) zusammengeschlossen sind und denen insgesamt etwa 4 Millionen Lutheranerinnen und Lutheraner angehören.

** Bischof Michael Benhur war einer von 15 Verantwortlichen aus Lehre und Leitung von Mitgliedskirchen, akademischen Einrichtungen und Missionsorganisationen aller sieben LWB-Regionen, die am 25. und 26. September an dem Runden Tisch in Genf teilnahmen. Mit dieser Veranstaltung begann die Umsetzung eines Beschlusses der Zwölften Vollversammlung, der den LWB und seine Mitgliedskirchen aufruft, „Schritte [zu] unternehmen, um sicherzustellen, dass die theologische Ausbildung auch verschiedene Kontexte berücksichtigt und allen offensteht.“ Das Büro der Kirchengemeinschaft wird bis 2020 eine Strategie für die Zusammenarbeit und verbesserte Zugangsmöglichkeiten zur theologischen Ausbildung ausarbeiten und veröffentlichen.

(Das Interview führte LWI-Korrespondent John Zarocostas, übersetzt und bearbeitet vom LWB-Kommunikationsbüro.)