„Mit den Augen der anderen sehen“

17. Jul. 2015
Prof. Theodor Dieter bei den Konsultationsgesprächen in Budapest. Foto: Zsuzsanna Horváth-Bolla

Prof. Theodor Dieter bei den Konsultationsgesprächen in Budapest. Foto: Zsuzsanna Horváth-Bolla

Prof Theodor Dieter zum lutherisch-katholischen Dialog

BUDAPEST, Ungarn/ GENEVA, 17. Juli 2015 (LWI) - Vom 15.-21. Juli tagt die internationale lutherisch-römisch-katholische Dialogkommission im ungarischen Budapest. Die Kommission setzt sich zusammen aus Mitgliedern des Lutherischen Weltbundes und des Päpstlichen Rats zu Förderung der Einheit der Christen. Das Thema der Konferenz, zu der 20 Theologinnen und Theologen zusammen gekommen sind, sind Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Taufverständnis.

Die Lutherische Welt- Information (LWI) sprach mit Prof. Dr. Theodor Dieter, Direktor des Instituts für ökumenische Forschung Strassburg, über den Dialog und die Ökumene auf Gemeindeebene.


LWI: Was sind Ihrer Ansicht nach die wichtigsten Schritte in den 50 Jahren des lutherisch-katholischen Dialogs?

Theodor Dieter: Zuerst würde ich da das erste Dialogdokument nennen, den so genannten Malta-Bericht (1972), der eine hoffnungsvolle tour d’horizon der ökumenischen Probleme zwischen Katholiken und Lutheranern war. Die angesprochenen Fragen wurden in den folgenden Dialogen im Einzelnen untersucht. Als zweites ist da die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“, die 1999 offiziell vom LWB und der Römisch-katholischen Kirche unterzeichnet wurde; hier wurden die Dialogergebnisse in der Frage der Rechtfertigungslehre verbindlich „geerntet“. Als drittes würde ich die gemeinsame Publikation „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ (2013) sehen.

Wie hat die Publikation des Dokuments „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ zu diesem Dialog beigetragen?

Dieses Dokument macht die Ergebnisse bisheriger Dialoge wie auch evangelischer und katholischer Reformationsforschung für die Frage des Reformationsjubiläums in kreativer Weise fruchtbar.

„Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ wurde bisher in sieben Sprachen übersetzt. Worauf führen Sie diese Popularität in den jeweiligen Kirchen zurück?

Katholische wie evangelische Kirchen und Gemeinden stehen vor der Aufgabe, gemeinsam an den Beginn der Reformation vor 500 Jahren zu erinnern, ohne dass erneut die konfessionellen Gegensätze aufbrechen. Das Reformationsjubiläum ist eine ökumenische Herausforderung par excellence; hier steht die Ökumene auf dem Spiel. „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ ist erfolgreich, weil es diese Frage ökumenisch und nicht aus einer konfessionellen Perspektive angeht: Es beschreibt die veränderten Bedingungen heutiger Reformationserinnerung; es bringt die notwendigen Informationen zu Geschichte und Theologie in kompakter Form; es stellt die theologischen Einsichten Luthers in den Horizont des katholisch-lutherischen Dialogs, „erntet“ also zugleich dessen Früchte; es sagt, was Kirchen und Gemeinden 2017 tun können, indem es Gründe für eine gemeinsame Feier wie für gemeinsame Klage und Schuldbekenntnis nennt; es schließt mit fünf Imperativen, die das ökumenische Engagement erneuern sollen.

Wie werden die Herausforderungen auf der Gemeindeebene in den globalen katholisch-lutherischen Dialog aufgenommen?

Diese Fragen werden direkt und indirekt aufgenommen. Direkt ist etwa die Dringlichkeit der Frage nach der Abendmahlsgemeinschaft. Als indirekt sehe ich bestimmte traditionelle Kontroversen, die auf der Gemeindeebene nicht mehr als Probleme empfunden werden. Die Frage ist: Was bedeutet das theologisch?

In welche Richtung wird sich der lutherisch-katholische Dialog in Zukunft entwickeln?

Im Zuge der Globalisierung der Kirchen werden wohl regionale ökumenische Herausforderungen in ihrer Besonderheit stärker auf internationaler Ebene aufgenommen werden. Nachdem sehr viele traditionelle ökumenische Themen in den Dialogen erörtert worden sind, wird die Vermittlung der Ergebnisse und Fragestellungen mit gegenwärtigen Herausforderungen stärker in den Vordergrund treten. Was bleiben wird: Die Dialoge sind die institutionalisierte Form, die eigene Kirche mit den Augen der anderen Kirche anzusehen, einander nicht aus den Augen zu verlieren – das ist eine bleibende Aufgabe!

Was bedeutet Ihnen das gemeinsame Reformationsgedenken 2017?

Es soll ein ökumenisches Fest sein, das die große ökumenische Bedeutung der reformatorischen Theologie(n) und ihr großes ökumenischer Potential zur Ehre Gottes und zum Wohl der Kirchen und ihrer Einheit feiert!

 

Prof. Dr Theodor Dieter at the consultations in Budapest. Photo: Zsuzsanna Horváth-Bolla