Kolumbien: Zwanzig Jahre Versöhnungsarbeit

22. Sep. 2022

Seit zwanzig Jahren arbeiten der LWB und seine lokalen Mitgliedskirchen mit den von der bewaffneten Auseinandersetzung am schwersten betroffenen Gemeinden in Kolumbien. Das Programm ist in der Katastrophenvorsorge, der Unterstützung des Lebensunterhalts und der Fürsprache für den Frieden mit ländlichen und ethnischen Gemeinden in entlegenen Gebieten des Landes tätig.  

LWF Colombia 20 Years - Comité de Agua

Mitglieder eines Wasserkomitees ermutigen die Gemeindschaft in Arauca zu besseren Standards für sauberes Wasser. Der LWB arbeitet mit einigen der am meisten benachteiligten und abgelegenen Gemeinden zusammen. Foto: LWB Kolumbien

„Frieden, Land und Würde für alle“

(LWI) – „Ein großartiger Job: nah bei den am schlimmsten betroffenen Menschen und Gemeinden, im Bestreben, sie aufzubauen und ihren Stimmen mehr Gehör zu verschaffen.“ – Diese anerkennenden Worte von Laura Rodriguez Burrell vom OCHA-Hauptsitz in Kolumbien gehören zu den vielen wertschätzenden Aussagen über die in zwei Jahrzehnten geleistete Arbeit des LWB in Kolumbien. Dieses Jahr feiert das Kolumbien-Programm des LWB sein 20jähriges Bestehen. Es ist kein Zufall, dass das Programm den Weltfriedenstag wählte, um diesen Meilenstein zu markieren.

„Seit zwei Jahrzehnten begleiten wir einige der von den bewaffneten Auseinandersetzungen und Ungleichbehandlungen am schwersten betroffenen Regionen in Kolumbien nun schon“, sagte Adriana Franco Chitanana, die LWB-Repräsentantin für Kolumbien und Venezuela. „Unser Engagement für den Frieden konzentriert sich auf den respektvollen Umgang und die Arbeit mit den Gemeinden,die die höchsten Armutsraten im Land aufweisen und die vom inländischen Konflikt am schwersten betroffen sind. Mit einer Radiosendung erreichen wir die entferntest gelegenen Orte direkt und bauen Vertrauen auf, um Hand in Hand mit den Partnerorganisationen vor Ort zusammenarbeiten.“

Als der LWB-Weltdienst seine Arbeit in Kolumbien aufnahm, ging der bewaffnete Konflikt ins vierte Jahrzehnt. Also begann der LWB 2002 auf Bitten der Evangelisch-lutherischen Kirche von Kolumbien, mit der Unterstützung der vom Konflikt betroffenen Gemeinden, anfangs noch über das Mittelamerika-Programm. 

Als sich die Menschenrechtslage 2006 weiter verschlechterte, wurde LWB-Kolumbien als Länderprogramm eingetragen und nahm die Arbeit in den Departmentos Arauca und Choco auf, mit der es die ländliche, afrokolumbianische und indigene Bevölkerung unterstützte. Dennoch sind die Regionen bis heute umkämpftes Gebit zwischen den bewaffneten Gruppierungen und anfällig für Naturkatastrophen. Außerdem sind sie Durchgangsroute für den Drogen- und Menschenhandel.

Der "Christus von Bojayá"

Der "Christus von Bojayá". Während einer Audienz im Vatikan am 7. Dezember 2017 überreichte eine Delegation des LWB Papst Franziskus eine Nachbildung der Figur als Symbol der Versöhnung. Foto: LWB/S. Gallay

Frieden und Versöhnung ermöglichen

Das Departmento Choco wurde 2002 bekannt, als die FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia), die führende Milizgruppe in dem bewaffneten Konflikt, einen Sprengsatz in die Dorfkirche von Bojayá warf, der dort detonierte. Die Bombe tötete 119 Menschen und verletzte 89 Personen, die alle in dem Gebäude Schutz gesucht hatten. Der Sprengsatz riss auch dem Kruzifix die Arme und Beine ab. Der „Christus von Bojayá“ wurde zum Sinnbild für das Leiden der Bevölkerung durch den bewaffneten Konflikt. 

Der LWB unterstützte die Gemeinde von Bojayá, als das Massaker 2015 vor Gericht kam. Im gleichen Jahr begaben sich Mitglieder der FARC in die Gemeinde und baten die Menschen von Bojayá um Verzeihung. Zudem wurde der Friedensprozess von der Evangelisch-lutherischen Kirche von Kolumbien (IELCO), einer LWB-Mitgliedskirche, und dem LWB-Weltdienst unterstützt und die Bedeutung der zivilgesellschaftlichen Beteiligung gewürdigt, die 2016 zu einem Friedensabkommen und dessen anschließender Umsetzung führte.

Der LWB arbeitet mit den Gemeinden daran, ihre Rechte und Lebensgrundlagen zu verteidigen, die Behörden zur Verantwortung zu ziehen und widerstandsfähig und autonom zu werden. Im Rahmen der Arbeit an einem Frieden, der für die sozial Schwächsten fair und gerecht ist, erhält die ländliche Bevölkerung Unterweisung in Menschenrechten, Landrechten und internationalem Recht. 2014 wurde der LWB für Schulungen über das Minenrisiko amtlich zugelassen.

Der LWB unterstützt schutzbedürftige Gemeinden dabei, dass sie ihr Land zurückerhalten, damit sie sich wieder ein Leben und eine Lebensgrundlage aufbauen können. Gleichzeitig setzt sich der LWB auf nationaler und internationaler Ebene für einen anhaltenden Frieden in Kolumbien ein und schreibt Beiträge über das Land für Human Rights Review, den Menschenrechtsbericht des UN-Menschenrechtsrats.

Foto: LWB Kolumbien

Foto: LWB Kolumbien

Neue Herausforderungen: COVID-19 und Venezuela

Im Laufe der Jahre hat der LWB das Leben vieler Gemeinden in den Departmentos Boyacá, Cundinamarca, La Guajira, Putumayo, Santander, Valle del Cauca, Arauca, Casanare, Chocó, Guaviare und Meta berührt. Einige der Gemeinden konnten nur mit dem Boot erreicht werden – LWB Kolumbien war das erste LWB-Länderprogramm, das über ein eigenes Boot als Transportmittel verfügte. 

In den letzten Jahren gab es eine Reihe neuer Herausforderungen: Naturkatastrophen und die COVID-19-Pandemie machten es erforderlich, die Gemeindeschutzmechanismen zu stärken und verschiedenen sozialen, indigenen, kleinbäuerlichen, Jugend- und Frauenorganisationen mehr regionale Autonomie zu verschaffen. Während dieser Zeit tat sich durch die Begleitung der venezuelischen Migrantinnen und Migranten die Arbeit als binationales Programm zur Unterstützung von Gemeinden in der komplexen Situation Venezuelas auf. 

„Wir feiern zwei Jahrzehnte dieser wertvollen Arbeit, die ohne die Widerstandskraft, das Ringen um Beständigkeit und die Verteidigung des Territoriums durch die örtlichen Gemeinden und Organisationen nicht möglich gewesen wäre. Deren Kenntnisse, Lebenserfahrung, organisatorische Methoden und Leitung treiben uns an, die Menschenrechte weiter zu verfechten und uns mit und für die von den Krisen betroffenen Bevölkerungsgruppen für Gerechtigkeit, Frieden und Würde in Kolumbien und Venezuela einzusetzen“, schloss die LWB-Länderrepräsentantin.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurde die Arbeit des LWB in Kolumbien von vielen Partnerinnen und Partnern unterstützt, darunter ACT Alliance, das Deutsche Nationalkomitee, FELM, die Kirche von Schweden, die Evangelisch-lutherische Kirche von Amerika, Diakonie Katastrophenhilfe und unzählige lokale Organisationen.

LWB/C. Kästner-Meyer, L. Chacon Gonzalez. Deutsche Übersetzung: Tonello-Netzwerk, Redaktion: LWB/A. Weyermüller