„Klima-Sonderzug“ fährt von Norwegen nach Paris

24. Nov. 2015
Am nördlichen Polarkreis in Saltfjellet (Norwegen). Früher waren die Gipfel im Bild ganzjährig schneebedeckt. Foto: Ryan Rodrick Beiler

Am nördlichen Polarkreis in Saltfjellet (Norwegen). Früher waren die Gipfel im Bild ganzjährig schneebedeckt. Foto: Ryan Rodrick Beiler

Junge Generation hat besondere Gefährdung der indigenen Bevölkerung im Blick

Oslo (Norwegen)/Genf, 24. November 2015 (LWI) – Ende des Monats beginnt in Paris (Frankreich) der Klimagipfel der Vereinten Nationen, mit seinem englischen Kürzel vielfach als COP-21 bezeichnet. Parallel zu dieser bedeutenden Tagung, bei der die politischen EntscheidungsträgerInnen aus aller Welt über die zukünftige Umweltpolitik entscheiden werden, finden sich auch zahlreiche AktivistInnen von der Basis in der französischen Hauptstadt ein, um Klimagerechtigkeit zu fordern, darunter auch Kirchenleitende aus allen Kontinenten.

Die Lutherische Welt-Information hat mit jungen norwegischen KirchenvertreterInnen, die in einem „Klima-Sonderzug“ nach Paris reisen werden, über ihre Perspektiven zur Klimagerechtigkeit gesprochen.

Dieser Klimagipfel „bedeutet einen Meilenstein für ein neues, umfassendes Klimaabkommen für alle Länder“, erwartet Per Ivar Våje, der für die Norwegische Kirche, Norwegian Church Aid und den Christlichen Rat Norwegens als Projektkoordinator im Bereich Schöpfung und Nachhaltigkeit tätig ist. „Die Kirchenleitenden können gemeinsam mit anderen führenden Vertreterinnen und Vertretern der Religionen den Druck auf die Politik erhöhen, indem sie mit moralischer Autorität und im Namen von Millionen Glaubenden die Stimme erheben.“

Våje begleitet eine Gruppe junger Kirchenleitender, die Anfang Dezember im „Klima-Sonderzug“ aus Norwegen nach Paris fahren werden. Für sie ist der Weg genauso wichtig wie das Ziel. Bahnfahrten verursachen wesentlich weniger Emissionen als Flugreisen. So werden sie zwar länger unterwegs sein als mit dem Flugzeug, geben aber gleichzeitig ein machtvolles öffentliches Zeugnis davon, dass die Bewahrung der Schöpfung echte Veränderungen im Leben der Menschen erfordert.

„In der Bibel überträgt uns Gott die Verantwortung, für die Erde zu sorgen“, stellt Karen Melhus (20) fest, die aus dem norwegischen Kristiansand kommt. „Da gibt es viele unterschiedliche Möglichkeiten, aber die Menschen können und müssen in ihrem Alltag etwas tun.“

Melhus studiert an Det teologiske Menighetsfakultet in Oslo (Norwegen) im zweiten Jahr Theologie. Sie ist eine von zwei JugendvertreterInnen der Norwegischen Kirche, die beteiligt sind an den Aktivitäten im Umfeld der 21. Tagung der Konferenz der Vertragsparteien (COP-21) des UN-Rahmenübereinkommens über Klimaänderungen, die vom 26. November bis 12. Dezember stattfindet. Die Studentin hat sich bereits bei der jährlichen Jugendsynode ihrer Kirche mit dem Thema Klimawandel auseinandergesetzt.

Rekordtemperaturen

In Vorbereitung auf die COP-21 fanden Treffen mit weiteren norwegischen Kirchenleitenden und Umweltgruppen sowie Gespräche mit Tine Sundtoft, der Ministerin für Klima und Umwelt, statt.

Nach Aussage von Kjersti Opstad Strand, einer im Staatsdienst stehenden Meteorologin, erlebte Norwegen 2014 den wärmsten Winter seit Beginn der Aufzeichnungen, wobei manche Fachleute den Schwund des Schnees in der Arktis für die sich verändernden Witterungsverläufe verantwortlich machen. Das ganze Jahr 2014 war von beispiellos hohen Temperaturen geprägt, die im Durchschnitt 2,23 Grad über den Normalwerten lagen. Hinzu kamen extreme Wetterphänomene wie Dürreperioden, Waldbrände und Überschwemmungen.

Nach staatlichen Schätzungen könnten die Jahresmitteltemperaturen bis zum Ende des Jahrhunderts um 2,3 bis 4,6 Grad steigen. Im gleichen Zeitraum wird ein Anstieg des Meeresspiegels im südlichen und westlichen Bereich der norwegischen Küste um 50 bis 100 Zentimeter erwartet.

Lebensgrundlagen der indigenen Bevölkerung

Für die indigenen Sámi in Nordnorwegen geht es beim Klimawandel nicht nur um zukünftige Entwicklungen, seine Folgen sind bereits heute zu spüren. Linnea Fjellheim Varsi (18) und Hilje Kristoffer Jåma (19) werden den samischen Kirchenrat Norwegens in Paris vertreten.

Fischerei und Rentierhaltung sind wichtige Einkommensquellen der Sámi. Die steigenden Temperaturen haben dazu geführt, dass sich Tau- und Frostperioden so abwechseln, dass die Rentierherden unter der harten Eiskruste ihr Futter nicht mehr erreichen können, und dies ist nur ein Beispiel für die heute schon spürbaren Auswirkungen des Klimawandels auf das Leben der Sámi.

„Die Sámi stehen vor den gleichen Problemen und Herausforderungen wie die übrige Bevölkerung Norwegens“, stellt Jåma fest. „Aber die Sámi sind von jeher ein Naturvolk, deswegen werden für uns die Konsequenzen schwerwiegender sein.“

Nachhaltige Klimapolitik

Die jungen Kirchenleitenden sind sich sicher, die Stimme der Kirche hat einen entscheidenden Beitrag zur Klimadebatte zu leisten. Die Delegierte Victoria Tobiassen (18) aus Bodø spricht von dem dringenden Bedürfnis der jungen Generation, die Kirche zu inspirieren. Junge Menschen hätten Angst vor dem, was ihnen in Zukunft drohe und „es ist leichter für sie, sich an Klimaschutzaktivitäten zu beteiligen“.

„Es wird vielleicht interessant, die Reaktionen der Menschen auf unsere Beteiligung im Namen der Kirche zu sehen. Das könnte Spass machen, aber auch irgendwie beunruhigend sein, denn manche haben Vorbehalte gegenüber dem Umweltengagement der Kirche und ihrem Interesse an der Politik“, meint Melhus.

Wenn es um ihre Erwartungen an die COP-21 geht, sprechen die jungen Kirchenleitenden von ihrer Überzeugung, dass echte Veränderungen nur möglich werden, wenn genug Menschen sich engagieren.

„Mein grösster Wunsch ist, dass wir eine nachhaltige Klimapolitik schaffen können“, erklärt Jåma. „Das muss jetzt passieren, denn die Welt steht kurz vor dem Scheideweg. Staat und Kirche müssen beide einen stärkeren Schwerpunkt bei Klima- und Umweltpolitik setzen.“

 

(Ein Beitrag von LWI-Korrespondent Ryan Rodrick Beiler)