Kirchliches Engagement in der humanitären Hilfe

14. Aug. 2020
Pfarrer Martin Lalthangliana ist Generalsekretär des Verbandes Lutherischer Kirchen in Myanmar. Foto: FLCM

Pfarrer Martin Lalthangliana ist Generalsekretär des Verbandes Lutherischer Kirchen in Myanmar. Foto: FLCM

Interview mit Martin Lalthangliana, Generalsekretär des Verbandes Lutherischer Kirchen in Myanmar

RANGUN, Myanmar/GENF (LWI) – Pfr. Martin Lalthangliana ist Generalsekretär des Verbandes Lutherischer Kirchen in Myanmar (FLCM). Der aus vier lutherischen Kirchen bestehende Verband zählt Diakonie und friedfertige Problemlösungen zu den wichtigsten Zielen der Kirche. Sie arbeiten gemeinsam daran, das Leben der Menschen zu verändern, die durch politische und wirtschaftliche Entwicklungen und jetzt durch die COVID-19-Pandemie benachteiligt werden.

Warum hat der FLCM beschlossen, sich in der humanitären Arbeit zu engagieren?

Eines der Ziele, die in der Satzung des FLCM festgelegt worden sind, besteht in der „Förderung [...] des diakonischen Handelns, der Linderung menschlicher Not, der Förderung des Friedens und der Menschenrechte, der sozialen und wirtschaftlichen Gerechtigkeit, der Bewahrung der Schöpfung Gottes und des Teilens von Ressourcen“ innerhalb der Mitgliedskirchen. Es liegt in der Natur des FLCM und ist sein ureigenster Wunsch, sich für die humanitäre Arbeit einzusetzen und zu engagieren.

Welche Besonderheiten gilt es im Kontext von Myanmar zu beachten?

Myanmar ist eine sich entwickelnde Nation mit zahlreichen neuen Gelegenheiten in der Geschäftswelt, im Handel und im Bereich der Sozialreformen. Angesichts der vorhandenen ethnischen Konflikte kommt dem Friedensprozess eine entscheidende Rolle bei der Transformation des Landes zu. Die neue demokratische Regierung wird in den nächsten Jahren dafür sorgen, dass die soziale, politische und wirtschaftliche Gesundheit des Landes mit Hilfe internationaler Gemeinschaften nach und nach eine Wende zum Guten nimmt.

Bei welchen Katastrophen ist der FLCM in letzter Zeit zum Einsatz gekommen?

In Partnerschaft mit der Abteilung für Theologie, Mission und Gerechtigkeit des Lutherischen Weltbundes (LWB) sowie mit der Finnischen Evangelisch-Lutherischen Mission (FELM) hat sich der FLCM der COVID-19-Notfälle in Myanmar angenommen. 

Am schlimmsten war die Lage in Rangun, der Hauptstadt der gleichnamigen größten Region des Landes. Das Virus forderte aber auch im Staat Chin im westlichen Myanmar und in der Nachbarregion Sagaing zahlreiche Opfer. Um das Virus einzudämmen, verhängte die Regierung einen Lockdown im gesamten Land, was zu Ernährungsunsicherheiten infolge der Schließung von Geschäften und steigender Arbeitslosigkeit führte. Soziale Distanzierung und die Einschränkung von Großgruppenveranstaltungen sind eine Herausforderung für kirchliche Dienste, Kirchenleitende und Kirchenmitglieder, die finanzielle Problem haben. Der FLCM hat im Rahmen von Soforthilfemaßnahmen rund 1.000 besonders gefährdete Familien in Myanmar unterstützt. Sie wurden mit Nahrungsmitteln und grundlegenden Hygiene- und Sanitärartikeln versorgt, um sich gegen das Virus zu schützen. 

Die meisten unserer Mitglieder arbeiten in der Landwirtschaft, im Straßenverkauf, als Schreiner und Bauarbeiter. Wenn die Wirtschaft nicht mehr läuft, bedroht das direkt ihre Existenzgrundlage und ihre Familien, und wirkt sich indirekt auch negativ auf Moral, Ethik und den sozialen Zusammenhalt innerhalb der Gemeinschaft aus.

Welches sind die besonderen Stärken der Kirchen?

Die Zusammenarbeit gehört zu den besonderen Stärken, über die die vier Mitgliedskirchen des Verbandes verfügen. Jede der Kirchen hat ihre eigene Mission und ihre eigenen Entwicklungsprogramme in den unterschiedlichen Teilen des Landes. Diese kirchlichen Dienste ermöglichen es dem Verband, die Missionsaufgabe ganzheitlich zu betrachten und so voneinander zu lernen. Sie vertiefen unsere theologischen Betrachtungen und bieten Gelegenheiten zur Diskussion und zur Entwicklung neuer Ideen, um unsere Kapazitäten für die laufende Missionsarbeit in allen einzelnen Bereichen zu stärken. Der FLCM gehört zur lutherischen Familie, und deshalb hoffen wir, mit unseren Partnern in der globalen lutherischen Gemeinschaft die diakonische Arbeit weiter ausbauen zu können.

Vor welche Herausforderungen wird die Kirche gestellt, wenn sie humanitäre Arbeit leistet?

Es gibt zahlreiche Herausforderungen. Fehlende Finanzen und zu wenig Personal, unzureichende technische Ausstattung und nur begrenzte Kenntnisse der Infrastruktur haben zur Folge, dass humanitäre Arbeit in einem neuen Bereich zu einer schwierigen Aufgabe wird. 

Wie geht die Kirche mit der Tatsache um, dass Religion zu einer Ursache für Gewalt geworden ist?

Was uns als Kirchenverband angeht, so versuchen wir, Konflikte zu vermeiden, indem wir uns friedlich am sozialen, politischen und wirtschaftlichen Wandel beteiligen. Gewalt ist keine christliche Lösung für Probleme, die durch Veränderungen entstehen. Stattdessen erheben wir unsere Stimme und verteidigen die Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben. Das ist grundsätzlich das Ziel unserer Kirche.

Hilft der Glaube der Kirche, mit schwierigen Situationen umzugehen? 

In den Augen derjenigen, die einem anderen Glauben angehören, zeichnen sich Menschen christlichen Glaubens dadurch aus, dass sie gute Manieren haben, ethisches Verhalten zeigen und gute Sänger und Musiker sind! Dieses Image hilft manchmal in einem sozialen Kontext, um Probleme zu lösen. In Myanmar nehmen zahlreiche gebildete Buddhisten Menschen christlichen Glaubens als Personen wahr, die das Leben der unterprivilegierten Bevölkerungsteile verbessern wollen.

Was gibt Ihnen Hoffnung? 

In Myanmar ist die Armut so ausgeprägt, dass viele Menschen nach wie vor Machtstrukturen hilflos ausgeliefert sind. Die Bildungsarbeit und Hilfeaktionen, die unsere Kirche LCM in einigen Regionen in Myanmar leistet, hilft vielen Familien, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und Türen zu öffnen. 

Ein Beispiel dafür ist ein Paar aus unserer Kirche, das vor kurzem geheiratet hat. Aufgrund der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie kam es zu Arbeitsplatz- und Einkommensverlusten. Wir konnten ihnen helfen, weiterhin ihre Familie zu versorgen und dabei gleichzeitig nach einer neuen adäquaten Beschäftigung zu suchen. Das Paar ist der Kirche sehr dankbar.

 

Stimmen aus der Kirchengemeinschaft:

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine weltweite Gemeinschaft, deren Mitglieder sich gemeinsam für das Werk und die Liebe Christi in der Welt einsetzen. In dieser Reihe präsentieren wir Kirchenleitende und Mitarbeitende, die über aktuelle Themen sprechen und Ideen entwickeln, wie Frieden und Gerechtigkeit in der Welt geschaffen werden und die Kirchen und die Gemeinschaft in ihrem Glauben und ihrem Engagement wachsen können.