Keine Ernte

20. Sep. 2013
„Dies ist die schlimmste Dürre, die ich je erlebt habe“, erzählt Tusnerde. Foto: LWB/Thomas Ekelund

„Dies ist die schlimmste Dürre, die ich je erlebt habe“, erzählt Tusnerde. Foto: LWB/Thomas Ekelund

LWB und namibische Kirchen helfen Dürreopfern

Windhuk (Namibia)/Genf, 20. September 2013 (LWI) – Nokongo ist ein ganz normales einjähriges Kind, sie läuft mit einer Schüssel Getreidebrei umher und lächelt.

Aber genau wie ein Drittel aller Kinder unter fünf Jahren in Namibia leidet das Mädchen unter Hunger.

„Sie hat immer Hunger!“, klagt Nokongos Mutter Tania über ihre jüngste Tochter mit der verzagten Stimme einer Mutter, die ihrem Kind nicht genug geben kann.

Durch chronische Unterernährung infolge von Armut sind in dem afrikanischen Land 29 Prozent der Kinder unter fünf Jahren unterentwickelt. Und diese Zahl wird durch die Dürre voraussichtlich noch steigen.

Nokongo ist eines von 18 Kindern und Enkelkindern einer Grossfamilie aus Endombe, einem Dorf, das rund 70 Kilometer vom Ondangwa-Flughafen im Nordwesten Namibias entfernt liegt. Die Region ist eines der Gebiete, die am stärksten von der Dürre betroffen sind.

Teile Namibias, heisst es, erleiden die schlimmste Dürre seit dreissig Jahren. Geschätzte 778.000 NamibierInnen, also ein Drittel der Bevölkerung, leiden unter mässiger oder extremer Ernährungsunsicherheit.

Familien verkaufen ihr Hab und Gut wie zum Beispiel ihr Vieh, reduzieren die Anzahl der Mahlzeiten pro Tag und ziehen in die Städte, um Arbeit zu finden.

Der LWB reagiert

Zusammen mit dem Vereinigten Kirchenrat der lutherischen Kirchen in Namibia engagiert sich der Lutherische Weltbund (LWB), um das Leiden zu lindern und die von den örtlichen Gemeinden aufgezeigten dringendsten Bedürfnisse durch Soforthilfsmassnahmen zu befriedigen.

Der LWB und die Kirchen vor Ort verteilen Barmittel, damit die Gemeinden die Grundbedürfnisse der Menschen decken können, leisten psychosoziale Hilfe und unterstützen Menschen, ihre Resilienz zu stärken, damit sie für zukünftige Katastrophen besser gewappneter sind, und für ihre Rechte eintreten können.

Leere Felder

Bis es soweit ist, macht sich Nokongos Grossmutter Tusnerde grosse Sorgen um das Dorf, dessen zweite Vorsteherin und Sekretärin sie ist. Wie werden sie die Dürre überstehen?

Auch früher habe es hier schon Dürren gegeben, erzählt sie. Aber so schlimm wie in diesem Jahr sei es bisher noch nie gewesen. Es sei die schlimmste Dürre, die sie je erlebt habe.

„Im letzten Jahr hatten wir viel Regen, zu viel Regen“, erzählt Tusnerde weiter. „Deshalb begannen wir schon in der Regenzeit im Dezember mit den Vorbereitungen für das neue Jahr. Es fing an wie immer: Wir pflügten und säten im Januar. Als es dann aber im Februar nicht regnen wollte, begann ich, mir Sorgen zu machen.“

Im April waren Tusnerde, ihre Familie und das ganze Dorf geschockt: Es gab absolut nichts zu ernten.

Nahrung muss gekauft werden

Die namibische Regierung schätzt, dass die Getreideproduktion in diesem Jahr um 42 Prozent fallen wird.

In den von der Dürre betroffenen Gebieten berichten die Hälfte aller Haushalte, dass die im letzten Dezember gepflanzte Hirse keine oder beinahe keine Ernte gebracht hat. Während eines normalen Jahres reichen die Vorräte aus der Ernte im April sechs oder sieben Monate.

Heute beklagen viele Haushalte, dass ihre Vorräte aufgebraucht seien – eine Katastrophe für Familien, die auf die Grundnahrungsmittel angewiesen sind.

Und in der gleichen Lage sind auch Tusnerde und ihre Grossfamilie.

Nur wenige der 18 Kinder und Enkelkinder verdienen ihren Lebensunterhalt. Die zwei ältesten Söhne leben mit ihren Familien in Windhuk. Sie arbeiten dort und schicken ihrer Mutter, wenn möglich, etwas Geld.

Von der Regierung erhält Tusnerde eine Rente von 650 Namibia Dollar pro Monat, das sind umgerechnet rund 65 US-Dollar oder knapp 50 Euro. Das ist alles, was sie haben.

In einem normalen Jahr, wenn es Regen gibt, reicht das für Tusnerde und ihre Familie, da sie genug Nutzpflanzen anbauen, um alle zu ernähren.

Wenn aber die Ernte ausbleibt, ist die Familie gezwungen, Nahrungsmittel auf dem Markt zu kaufen und mit dem wenigen Geld, das sie haben, können dann nicht auch noch Schulgeld, Schuluniformen, die Wasserrechnung und Medikamente bezahlt werden.

Nur Staub

Das Feld vor dem Haus liegt sandig und trocken mit leeren Furchen da. In einem normalen Jahr, in dem es regnet, wachsen hier Mais, Bohnen und Hirse.

Tusnerde deutet zum Ende des Feldes, wo ausgedörrte Stängel einen Meter aus dem Boden ragen. „Die Stängel sind von der letzten Ernte. Sie sind alles, was uns vom letzten Jahr noch geblieben ist“, erklärt Tusnerde. „So sollte jetzt das ganze Feld aussehen, übersät mit Stängeln und Wurzeln die die Ziegen fressen können. Aber jetzt ist da nichts, nur Staub.“

Tusnerde und ihre Tochter Tania zögern auszusprechen, was geschehen wird, wenn im Dezember wieder kein Regen fällt. Sich darüber Gedanken zu machen, wäre jetzt einfach zu viel. Sie erzählen nur, dass bereits Tiere sterben und auch Gerüchte umgehen, dass in angrenzenden Gebieten Kinder sterben.

„Wir brauchen Nahrungsmittel“, sagt Tusnerde. „Wir brauchen Nahrungsmittel. Das ist alles.“

(Von Thomas Ekelund, LWB-Kommunikationsberater)

LWF World Service