Hilfsorganisationen warnen vor drohender Hungersnot in Tigray

28. Jul. 2021
Trümmer von schweren Kämpfen in der Nähe der Stadt Yechilla übersäen die Ufer eines Flusses, der eine wichtige Wasserquelle für die Anwohner ist. Hilfsorganisationen fordern dringend Zugang, um sauberes Wasser, Lebensmittel und medizinische Versorgung in die vom Krieg zerrüttete Region zu bringen. Foto: LWB/A. Calma

Trümmer von schweren Kämpfen in der Nähe der Stadt Yechilla übersäen die Ufer eines Flusses, der eine wichtige Wasserquelle für die Anwohner ist. Hilfsorganisationen fordern dringend Zugang, um sauberes Wasser, Lebensmittel und medizinische Versorgung in die vom Krieg zerrüttete Region zu bringen. Foto: LWB/A. Calma

LWB-Koordinator für humanitäre Hilfe beschreibt Lage in kriegsgebeutelter Region in Äthiopien

GENF, Schweiz (LWI) – Die Zeit wird knapp, um eine drohende Hungersnot in der äthiopischen Region Tigray zu verhindern. Schätzungen zufolge sind dort 5,2 Millionen Menschen von akuter Ernährungsunsicherheit bedroht. Ein Team von Personen der Vereinten Nationen und verschiedener Nichtregierungsorganisationen ist gerade von einem Besuch in der kriegsgebeutelten Region zurückgekehrt. Sie warnen, dass ihre Hilfsmaßnahmen innerhalb der nächsten zwei Wochen komplett zum Stillstand kommen werden, wenn nicht grundlegende Dienstleistungen wie Banken, Kommunikation und Straßen für den Zugang zu vulnerablen Bevölkerungsgruppen umgehend wiederhergestellt werden. Vom 5. bis 12. Juli besuchten Vertreterinnen und Vertreter des Lutherischen Weltbundes (LWB) gemeinsam mit verschiedenen Partnern für humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit die in Nordäthiopien gelegene Region Tigray und die umliegenden Gebiete.

Das wichtigste Ziel dieses Besuchs war es, herauszufinden wie groß die humanitäre Krise ist, die sich seit dem Beginn der Kämpfe zwischen der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) und den Streitkräften der äthiopischen und der eritreischen Regierungen im vergangenen November in der Region entfaltet. Hunderttausende Menschen sind innerhalb der Region Tigray und in die benachbarten Regionen Afar und Amhara vertrieben worden, während weitere 60.000 Menschen über die Landesgrenze in den Sudan geflüchtet sind.

Die Kämpfe in der Region sind aktuell ausgesetzt, aber alle Kommunikationsmöglichkeiten sind unterbrochen und das Reisen auf dem Landweg ist schwierig. Im Juni hatten drei UN-Organisationen – das Kinderhilfswerk UNICEF, die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) und das Welternährungsprogramm (WFP) – zu dringenden Hilfsmaßnahmen und ungehindertem Zugang zu den notleidenden Menschen in der Region aufgefordert und hatten erklärt, „es droht unmittelbar eine Hungersnot, wenn die Nahrungsmittelhilfen, die Hilfen zur Sicherung der Existenzgrundlagen und weitere lebenswichtige Hilfsmaßnahmen nicht umgehend“ verstärkt und die Kriegshandlungen eingestellt werden. 

Allan Calma, der Koordinator für die humanitäre Hilfe des LWB weltweit, hat an dem Besuch in Äthiopien teilgenommen und berichtet, dass die Gruppe die verheerenden Auswirkungen der Kämpfe in einigen Ortschaften und Dörfern mit eigenen Augen gesehen habe, dass Flüsse verunreinigt seien. Damit sei die Gefahr eines Ausbruchs von Cholera oder anderer über das Wasser übertragener Krankheiten stark gestiegen. „Wir haben schwere Schäden an den örtlichen Krankenhäusern und zum Beispiel auch an einer Schule gesehen, in der Binnenvertriebene Unterschlupf gefunden hatten“, erzählt er. 

„Nahrungsmittel, medizinische Versorgungsgüter und Zugang zu sauberem Trinkwasser sind für alle dringend notwendig, die am stärksten von dem Konflikt betroffen sind“, sagt Calma weiter und berichtet, dass die meisten Binnenvertriebenen in der Region Frauen und Kinder seien. Um Hilfsmaßnahmen umsetzen zu können, sagt er, müssten jedoch die Straßen freigeräumt, die elementaren Dienste wiederhergestellt und der Schutz der Menschen garantiert werden. „Normalerweise ist aktuell und bis September Pflanzsaison, wenn aber jetzt keine Feldfrüchte angepflanzt werden können, wird die Mangel- und Unterernährung der Menschen in den kommenden Monaten noch weiter dramatisch zunehmen“, führt er aus.

Es gibt seit Beginn des Konflikts immer wieder viele Berichte über Vergewaltigungen und die Tötung von Zivilpersonen. Mindestens 12 humanitäre Helferinnen und Helfer sind seit November in Tigray ums Leben gekommen, darunter auch ein spanischer und ein äthiopischer Arzt von Ärzte ohne Grenzen, deren Leichen am 25. Juni zusammen mit der ihres äthiopischen Fahrers gefunden wurden. „Es ist für die Menschen in der Region überlebensnotwendig, dass die internationale Gemeinschaft koordinierte humanitäre Hilfe organisiert“, so Calma, „und sowohl die Menschen schützt als auch Nothilfe für die Bedürftigsten leistet.“ 

LWB/P. Hitchen. Deutsche Übersetzung: Andrea Hellfritz, Redaktion: LWB/A. Weyermüller

 

In Zusammenarbeit mit der Kommission für Entwicklung und soziale Dienste (DASSC) der Äthiopischen Evangelischen Kirche Mekane Yesus (ÄEKMY) und anderen Organisationen aus der Region, die aus dem Glauben heraus handeln, stellt der LWB Wasserver- und Abwasserentsorgung (WASH), Hilfsgüter wie Kochausrüstungen, Seife, Masken und vieles mehr zur Verfügung, um eine Ausbreitung von COVID-19 zu verhindern und die Menschen bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage zu unterstützen, sie zu schützen und Friedensförderung in der Region Tigray zu betreiben.