Globale Ernährungskrise erfordert eine nachhaltige Antwort

15. Jun. 2022

Erklärung des Rates benennt die wichtigsten Antriebsfaktoren für Ungleichheiten

Wheat field

Foto: Public domain

GENF, Schweiz (LWI) – Es ist „schockierend und zutiefst verstörend“, dass fast 193 Millionen Menschen in 53 Ländern von einer Ernährungskrise betroffen sind, obwohl es weltweit genug Lebensmittel gibt, um alle Menschen zu ernähren. Der Rat Lutherischen Weltbundes (LWB) hat dies auf seiner Jahrestagung in Genf festgestellt und die internationale Gemeinschaft aufgefordert, gegen die eigentlichen Ursachen und Antriebsfaktoren der globalen Hungerkrise nachhaltig vorzugehen.  

In einer öffentlichen Erklärung hat der LWB-Rat darauf hingewiesen, wie sehr der Krieg in der Ukraine, die Klimakrise und die COVID-19-Pandemie das Problem der Ernährungsunsicherheit verschärft haben. Gleichzeitig wurde die Sorge geäußert, dass die Reaktionen der Regierungen auf die zunehmenden Krisen dazu führen könnten, dass bereits bestehende Zusagen für humanitäre Hilfen und Entwicklungshilfe ins Hintertreffen geraten.  

„Da wir für unser tägliches Brot beten, wissen wir, dass Menschen ihr Leben nicht in Fülle und in Würde leben können ohne eine angemessene Versorgung mit Nahrungsmitteln“, stellte der Rat fest.

Erklärung des LWB-Rates zur globalen Hungerkrise

Der Rat erachtet es als schockierend und zutiefst verstörend, dass fast 193 Millionen Menschen in 53 Ländern von einer Ernährungskrise betroffen sind. 

Das Menschenrecht auf Nahrung wird in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte als Teil des Rechts auf einen angemessenen Lebensstandard anerkannt und ist im internationalen Übereinkommen über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966 verankert. Da wir für unser tägliches Brot beten, wissen wir, dass Menschen ihr Leben nicht in Fülle und in Würde leben können ohne eine angemessene Versorgung mit Nahrungsmitteln.

Die eigentlichen Ursachen für den globalen Hunger und die globale Ernährungsunsicherheit sind zwar komplex, aber der Rat erkennt die verheerenden Folgen von Konflikten an, und dazu gehören der Krieg in der Ukraine, die Klimakrise, COVID-19, schlechte Regierungsarbeit sowie wirtschaftlicher Druck besonders in Regionen, in denen es bereits verstetigte humanitäre Krisen gibt. Der Rat ist besorgt, dass mehrere Regierungen ihre Entwicklungshilfe aufgrund der Krise in der Ukraine umgeleitet haben, obwohl der Hilfebedarf in vielen anderen Regionen weiter zunimmt. Die Maßnahmen der Regierungen angesichts dieser Krise sollten zusätzlich zu den bereits existierenden humanitären und entwicklungspolitischen Verpflichtungen erfolgen.

Der Rat hat bestätigt, dass es weltweit genügend Nahrungsmittel und Ressourcen gibt, um alle Menschen zu ernähren. Trotzdem haben existierende Systeme und Strukturen zu einem hohen Maß an Ungleichheit mit der Folge geführt, dass wenige Menschen viel mehr haben, als sie brauchen, und viele Menschen sehr wenig oder gar nichts besitzen. Wer die eigentlichen Ursachen der globalen Ernährungskrise bekämpfen will, muss gegen Gier, Überkonsum und eine profitgeleitete industrialisierte Überproduktion vorgehen und eine dem Erhalt der Natur verpflichtete agroökologische Wende unterstützen. Der Rat bekräftigt die wichtige Rolle der Frauen in der Nahrungsmittelproduktion und beklagt soziale Voreingenommenheit, diskriminierende Gesetze und Praktiken, die die Rechte und den Zugang von Frauen einschränken und sie daran hindern, einen konstruktiven Beitrag zu leisten.

Der Rat steht solidarisch an der Seite von Millionen hungernder Menschen und bekräftigt die Verpflichtung des LWB, Maßnahmen zu ergreifen und ihr Leid zu verringern. Der LWB betet dafür, dass Gott sie trösten und für sie sorgen wird.  

Der Rat:

  • Fordert die internationale Gemeinschaft auf, angesichts der sich verschärfenden globalen Ernährungskrise mehr humanitäre und Entwicklungshilfe zu leisten und dabei Länder und Regionen Priorität zu geben, die besonders betroffen sind.
  • Fordert die internationale Gemeinschaft auf, die erforderlichen Ressourcen und den politischen Willen zu mobilisieren, gemeinsam und nachhaltig gegen die globale Hunger- und Ernährungskrise sowie deren eigentliche Ursachen und Antriebsfaktoren wie Armut, Konflikte und Klimakrise vorzugehen.
  • Fordert die Regierungen auf, Ressourcen vorrangig für die Entwicklung nachhaltigerer Ernährungssysteme einzusetzen und dabei vorrangig auf agroökologische Modelle zu setzen, die Menschenrechte, Gerechtigkeit und den Erhalt der Schöpfung auch im Kontext der Umsetzung der Ziele für eine nachhaltige Entwicklung in den Mittelpunkt stellen.
  • Fordert die Regierungen auf, ihre Initiativen zur Abwendung der Klimakrise zu verdoppeln und dabei die Verringerung von Emissionen und die Unterstützung der Entwicklungsländer mit Ressourcen stärker in den Vordergrund zu stellen, damit sie sich besser gegen Auswirkungen wie Dürren und Ernährungsunsicherheit wappnen können.

 

 

Der LWB-Rat ist das höchste Entscheidungsgremium des LWB zwischen den Vollversammlungen. Er besteht aus dem Präsidenten, dem Vorsitzenden des Finanzausschusses und 48 Mitgliedern aus LWB-Mitgliedskirchen in sieben Regionen. Das derzeitige Leitungsgremium wurde auf der Zwölften Vollversammlung im Mai 2017 in Windhoek, Namibia, gewählt. Die diesjährige Ratstagung findet vom 9. bis 14. Juni im Ökumenischen Zentrum in Genf statt.

 

LWB/P. Mumia