GEM-Seminar: Einsatz für wirtschaftliche Gerechtigkeit erlernen

12. Jul. 2022

Ökumenische Schulung mit Schwerpunkt auf ökologischer und feministischer Ökonomie

GEM school participants

Teilnehmende des ökumenischen GEM-Seminars diskutieren die Verbindungen zwischen Religion und wirtschaftlicher Gerechtigkeit und lernen, sich für eine gerechtere Weltwirtschaft einzusetzen. Foto: LWB/S. Kit

(LWI) – Das jährliche GEM-Seminar (Governance, Economics and Management for an Economy of Life – GEM) fand vom 4. bis 8. Juli in Berlin statt. Der Fokus lag auf ökologischen und feministischen Wirtschaftssystemen. Dieses Schulungsprogramm gehört zu einer ökumenischen Initiative, die als Projekt für neue internationale Finanz- und Wirtschaftsarchitektur (New International Financial and Economic Architecture – NIFEA) bekannt ist.

Die gemeinsam vom Lutherischen Weltbund (LWB), dem Rat für Weltmission (CWM), der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WGRK), dem Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) und dem Weltrat methodistischer Kirchen (WMK) ausgerichtete Schulung brachte 30 Teilnehmende aus über einem Dutzend Länder zusammen. Darunter waren ökumenische und kirchliche Führungspersonen, Fürsprecherinnen für Gerechtigkeit, Wirtschaftsaktivisten, Geistliche und Theologiestudierende.

„Das GEM-Seminar verschafft uns eine konkrete Möglichkeit, um gemeinsam voneinander zu lernen – Theologinnen und Laien, Wirtschaftsexperten und sozial Engagierte, und das generationsübergreifend“, so Sivin Kit, LWB-Programmreferent für öffentliche Theologie und interreligiöse Beziehungen.

GEM school speakers

From left, Bishop Rosemarie Wenner, Geneva Secretary of the WMC, Isabel Phiri, WCC Deputy General Secretary and Metropolitan Geevarghese Mor Coorilos, Syrian Orthodox Patriarchate of Antioch and All the East

„Die Pandemie machte einmal mehr deutlich, wie dringend eine neue Wirtschafts- und Finanzarchitektur vonnöten ist, die den Bedürfnissen aller Menschen unabhängig von Gesellschaftsschicht, Geschlecht oder ethnischer Zugehörigkeit gerecht wird und die gesamte Welt der Schöpfung versorgt“, sagte Isabel Phiri, stellvertretende Generalsekretärin des ÖRK.

„Vor allem beleuchten wir feministische Wirtschaftssysteme und ökologische Wirtschaftsweisen, da diese bei der Überlegung, wie wir eine andere Finanz- und Wirtschaftsarchitektur aufbauen können, von besonders entscheidender Bedeutung sind“, ergänzte die ÖRK-Programmreferentin für wirtschaftliche und ökologische Gerechtigkeit Athena Peralta.

Das einwöchige Programm untersucht die Verbindungen zwischen Glauben und wirtschaftlicher Gerechtigkeit und stattet die Teilnehmenden mit sprachlichen und technischen Fertigkeiten aus, damit sie Ungleichheiten ansprechen und sich für fairere globale Finanzsysteme einsetzen können. Zu den Unterrichtseinheiten gehörte der gemeinsame Austausch über Instrumente zur Advocacy-Arbeit, wie zum Beispiel die Zachäus-Steuerkampagne.

„Das GEM-Seminar erkennt, dass unsere Wirtschaftssysteme kontextabhängig sein müssen. Deshalb konzentriert sich ein Großteil unserer NIFEA-Arbeit zu Recht darauf, Kritikpunkte für unsere Advocacy-Arbeit zu liefern. Wir müssen jedoch auch schauen, wo diese Alternativen Fuß fassen und eine Änderung herbeiführen können“, sagte Peter Cruchley, Sekretär für Missionsentwicklung beim CWM. Im Rahmen der Woche besuchten die Studierenden die Büros von Brot für die Welt in Berlin sowie zwei Organisationen für Fraueninteressen, Women in Exile & Friends und Respect Berlin.

GEM school group photo

Participants at the GEM School which took place in Berlin from 4 to 8 July

„Soziale Unantastbarkeit und persönliche Unantastbarkeit müssen zusammengebracht werden, ohne dabei die harte Arbeit auf dem politischen Parkett zu vernachlässigen, damit ein wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Wandel erfolgt“, sagte Rosemarie Wenner, die Genfer Sekretärin des WMK. Das Bibelstudium während der Woche befasste sich mit Themen rund um „Land, Arbeitskraft, Kapital und Technologie“ sowie „Neue Schöpfung und Neue Erde“. 

In seiner Eröffnungsrede merkte Peter Jörgensen von Religions for Peace Europe und baptistischer Pastor in Berlin an, dass sowohl „ökumenisch“ als auch „ökonomisch“ denselben griechischen Wortstamm [oikos] haben.  Auf Deutsch, fügte er hinzu, bedeute „ökumenisch“ ein gemeinsames Haus. „Sie werden erfahren, wie eine Wirtschaft so gestaltet werden kann, dass sie das gemeinsame Haus versorgt, damit alle Menschen darin Schutz und Fürsorge finden und gut darin leben können. Anders ausgedrückt: wie sie in diesem Haus gemeinsam mit allen ein gutes Leben führen können“, sagte er.

Eine Ökonomie des Lebens betrachtet das Wohlergehen der Armen als den Grundindex der Wirtschaft

– Metropolit Geevarghese Mor Coorilos, syrisch-orthodoxer Patriarch von Antiochien und dem ganzen Osten

Die Schulung begann mit einer Unterrichtseinheit über „Wirtschaftliche Gerechtigkeit im Zentrum des Glaubens“.

„Gott misst Gesellschaften daran, wie sie die Ärmsten und Ausgegrenzten in einer Gesellschaft behandeln“, sagte Metropolit Geevarghese Mor Coorilos, der syrisch-orthodoxe Patriarch von Antiochien und dem ganzen Osten. „Eine Ökonomie des Lebens betrachtet das Wohlergehen der Armen als den Grundindex der Wirtschaft. Sie setzt die Herrschaft Gottes über die des Mammons und des Geldes.“

„Umwelt- und Wirtschaftswissenschaft stehen immer miteinander in Verbindung“, sagte die Theologin, Schriftstellerin und Moderatorin Thandi Soko De Jong in ihrem Referat. „Darin muss Gottes Shalom eine zentrale Rolle erhalten.  Schamlose Konsumorientierung darf nicht Stolz und Ansehen mit sich bringen.  Stattdessen muss es der Erde gut gehen, wenn es uns gut geht. Das ist die Einstellung, die wir zu Gottes Schöpfung haben sollten.“

WCRC/P. Tanis