Gedichte bringen Würde und Hoffnung von Geflüchteten zum Ausdruck

15. Jul. 2021
Bewohnerinnen und Bewohner des Flüchtlingslagers Kakuma im Nordwesten Kenias kommen für ein Gruppenfoto zusammen, nachdem sie an einem vom LWB geleiteten Workshop teilgenommen haben, um Gedichte für das Büchlein „I am Hope“ zu schreiben. Jackline Irankunda steht in der ersten Reihe ganz rechts. Foto: LWB/P. Schnoebelen

Bewohnerinnen und Bewohner des Flüchtlingslagers Kakuma im Nordwesten Kenias kommen für ein Gruppenfoto zusammen, nachdem sie an einem vom LWB geleiteten Workshop teilgenommen haben, um Gedichte für das Büchlein „I am Hope“ zu schreiben. Jackline Irankunda steht in der ersten Reihe ganz rechts. Foto: LWB/P. Schnoebelen

Bei offizieller Vorstellung des Gedichtbandes „I am Hope“ werden Mut und Talente von Geflüchteten in Kenia gefeiert

GENF, Schweiz (LWI) – Flüchtlinge aus Somalia, Burundi und Uganda standen im Mittelpunkt eines Webinars zur offiziellen Vorstellung eines Bandes mit Gedichten, die die Hoffnungen und Wünsche der Autorinnen und Autoren, aber auch ihre Ängste und die Herausforderungen beschreiben, mit denen sie im Alltag konfrontiert sind. Das Büchlein mit dem Titel „I am Hope“ enthält Gedichte von Geflüchteten und wurde vom Lutherischen Weltbund (LWB) herausgegeben und von seinem Länderprogramm in Kenia, Dschibuti und Somalia veröffentlicht.

Gemeinsam mit Gillian Triggs vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) und Françoise Mianda vom Büro des Hohen Kommissariats der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) hat LWB-Generalsekretär Pfarrer Dr. h.c. Dr. h.c. Martin Junge an dem Webinar teilgenommen, in Rahmen dessen drei der Autorinnen und Autoren einige ihrer Gedichte vorgelesen haben und die Resilienz und Kreativität dieser Menschen gefeiert wurde, mit der sie die Menschen nicht nur in Kenia, sondern auch darüber hinaus beschenken.

Die Moderatorin des Webinars, Mary Obara, Programmkoordinatorin bei LWB-Kenia, stellte die zwei Autoren und eine Autorin persönlich vor: Said Abukar aus Somalia, Jackline Irankunda aus Burundi und Mark Okello aus Uganda. Sie berichtete, dass alle drei Mitglieder der KADANA-Flüchtlingsplattform seien, die sich für den Schutz der Rechte und das Wohlergehen aller Geflüchteten und Asylsuchenden einsetzt und das friedliche Zusammenleben mit den lokalen Gemeinwesen in Kenia, die diese Menschen bei sich aufgenommen haben, fördert.

Einzigartige Beiträge zu lokalen Gemeinschaften

Obara unterstrich, dass sich der LWB bereits seit mehr als 50 Jahren in Kenia engagiere und dabei nicht nur Nothilfe leiste, sondern sich auch darum bemühe, Frauen und Männer so zuzurüsten, dass sie sich in die Entscheidungsprozesse auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene einbringen können. Sie berichtete, dass der Gedichtband aus einem Workshop des LWB mit Geflüchteten heraus entstanden sei, der die einzigartigen Beiträge herausarbeiten wollte, die jeder dieser Menschen für das Leben in seinem oder ihrem Gemeinwesen leiste. Während es in den meisten Berichten von Menschen, die aus ihrer Heimat geflohen sind, um ihren Leidensweg ginge, so Obara, zeige dieser Gedichtband eher den Mut und die Würde, die diese Menschen „aus dunklen Orten, die von Gewalt, Ungerechtigkeit und Leid geprägt sind,“ mitbringen.

„Ich bin der unbekannte Soldat […] meine Botschaft muss noch zur Welt durchdringen“

Abukar, der seit den 1990er Jahren in Kenia lebt, ist Vorsitzender des KADANA-Netzwerks und arbeitet in Nairobi in verschiedenen Freiwilligen-Initiativen, u. a. für die in den Gemeinwesen verankerten Gesundheitsdienste. Er berichtete, dass das Netzwerk 2018 „in dem Wunsch“ gegründet wurde, „den Stimmen der Geflüchteten überall auf der Welt Gehör zu verschaffen, damit die Menschen verstehen, dass wir Teil der Lösung“ sein und nicht immer nur als Begünstigte der Hilfe und Unterstützung gesehen werden wollen.

„Ich bin das Licht in der Gemeinschaft von Frauen“

Irankunda, die seit neun Jahren in Flüchtlingslager Kakuma im Nordwesten Kenias lebt, ist Schatzmeisterin des KADANA-Netzwerks. Aufgrund der schwierigen Internet-Anbindung im Camp erklärte sie in einem im Vorfeld aufgezeichneten Video, dass sie sich für die Ermächtigung von Frauen zu mehr Selbstbestimmung einsetze und Paare berate, die Beziehungsprobleme hätten. Sie nannte sich selbst eine „Friedensstifterin und Problemlöserin“ und erklärte, sie wolle andere ermutigen, ihre Rechte zu kennen und mit Würde und Selbstachtung zu leben.

„Ich bin die Morgensonne. Ich frage mich: Was sind meine besonderen Fähigkeiten?“

Okello aus Uganda, der im Flüchtlingslager in Dadaab im Nordosten Kenias lebt, ist der Ortsvorsitzende von KADANA. Er gehört einem Zusammenschluss an, der sich „Gemeinsames Lernen in der Krise“ nennt, und hat ein eigenes Netzwerk für Flüchtlinge gegründet, die an einer Hochschule studieren. Es betonte die Verantwortung der Geflüchteten, sich aktiv in das Gemeinschaftsleben einzubringen und andere anzuregen, „das Licht am Ende des Tunnels zu sehen“. Okello ist Lehrer und überzeugt, dass es wichtig ist, dass die lokalen Gemeinschaften, die die Geflüchteten bei sich aufgenommen haben, die Flüchtlinge mit Respekt behandeln, und verstehen, dass „Menschen andere Mitglieder der Gemeinschaft genau so behandeln werden, wie sie selbst behandelt worden sind“.

Françoise Mianda, Leiterin des OHCHR-Büros für das östliche und südliche Afrika, erinnerte an die Entscheidung der kenianischen Regierung, die Flüchtlingslager in Kakuma und Dadaab bis Ende Juni 2022 schließen zu wollen. Sie sagte, es sei erfreulich zu sehen, welche Beiträge Nichtregierungsorganisationen – wie zum Beispiel KADANA – zum Verfahren der Allgemeinen regelmäßigen Überprüfung (Universal Periodic Review) des UN-Menschenrechtsrats leisteten, und erklärte, wie wichtig es sei, die kenianische Regierung immer wieder daran zu erinnern, „die angemessenste, langlebigste und auf der Achtung der Menschenrechte der Betroffenen beruhende Lösungen für die Geflüchteten und Asylsuchenden zu finden“, die in den Lagern leben. Sie betonte die unveräußerlichen Rechte eines jeden Menschen und sagte: „Für mich ist Hoffnung eines der wichtigsten Dinge im Leben, denn wenn man Hoffnung hat und an sich selbst, an Gott und eine bessere Zukunft glaubt, kann man unabhängig von der jeweiligen Situation, den Schwierigkeiten und den Herausforderungen wachsen und erfolgreich sein.“

LWB-Generalsekretär Pfarrer Dr. h.c. Dr. h.c. Martin Junge sagte, die Gedichte vermittelten ein starkes Gefühl von Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit und stellten immer wieder die Frage, „wer bin ich“ in Bezug auf die Gemeinschaft, zu der ich gehöre. Er erinnerte an die große Zahl Menschen, die auch heute noch zwangsweise aus ihrer Heimat vertrieben werden und woanders Schutz suchen müssen, und erklärte, dass „die verbreitete Gleichgültigkeit angesichts dieser Zahlen“ eine der wichtigsten Herausforderungen für die internationale Gemeinschaft sei.

Auch Gillian Triggs, die Beigeordnete Hohe Kommissarin für Schutzfragen des UNHCR, sieht es als wichtige Aufgabe an, die Grundursachen der Flüchtlingskrise zu bekämpfen. Sie wies darauf hin, dass sich die Zahl der Geflüchteten und Asylsuchenden innerhalb der letzten zehn Jahre verdoppelt habe. Und der jüngste Bericht, der am 20. Juni, dem Weltflüchtlingstag, veröffentlicht wurde, zeige, dass die Zahl immer weiter steige – selbst während der COVID-19-Pandemie – und es inzwischen „82,4 Millionen Menschen gibt, die Asyl beantragt haben oder vertrieben wurden, geflüchtet oder staatenlos sind“. Dies sei ein „ernstzunehmendes internationales Problem, für das jede und jeder von uns Verantwortung übernehmen muss“, forderte sie nachdrücklich, und fügte hinzu, dass der LWB „ein wichtiger Partner für das UNHCR ist und uns diese Partnerschaft sehr wichtig ist“.

LWB/P. Hitchen

 

     

    Die drei im Text genannten Zitate („Ich bin der unbekannte Soldat“, „Ich bin das Licht“, „Ich bin die Morgensonne“) sind Übersetzungen von Zeilen aus Gedichten in dem Büchlein „I am Hope“. Die vollständige Publikation in englischer oder französischer Sprache können Sie hier herunterladen.