Einkehrtage zu Pfingsten stärken spirituelle Ökumene in Schweden

2. Jun. 2021
Der katholische Bischof von Stockholm, Kardinal Anders Arborelius, und die lutherische Bischöfin von Uppsala, Karin Johannesson, leiten die wöchentlichen ökumenischen Exerzitien zu Pfingsten. Foto: Magnus Aronson

Der katholische Bischof von Stockholm, Kardinal Anders Arborelius, und die lutherische Bischöfin von Uppsala, Karin Johannesson, leiten die wöchentlichen ökumenischen Exerzitien zu Pfingsten. Foto: Magnus Aronson

Lutherische Bischöfin und katholischer Kardinal richten virtuelle „Stille Tage“ aus

UPPSALA, Schweden/GENF (LWI) – Der Geist des Pfingstfestes lebt und ist online greifbar, wenn hunderte Menschen in Schweden an den wöchentlich organisierten, ökumenisch gestalteten Zeiten der inneren Einkehr teilnehmen, zu denen die lutherische Bischöfin von Uppsala, Karin Johannesson, und der katholische Bischof von Stockholm, Kardinal Anders Arborelius gemeinsam einladen.

Die Initiative hat bereits im letzten Jahr ihren Anfang genommen, als die beiden Kirchenleitenden die Menschen in ihrem Heimatland einluden, ab dem Vorabend des Pfingstfestes an vier „Stillen Tagen“ der Reflexion und des Gebets teilzunehmen. Die Idee dazu kam Bischöfin Johannesson eines Tages in den ersten Monaten der COVID-19-Pandemie. Sie kontaktierte daraufhin ihren katholischen Kardinalskollegen und fragte, ob er mit ihr zusammen eine virtuelle Veranstaltung organisieren wolle.

Rund 600 Christinnen und Christen unterschiedlicher Konfessionen hatten sich dann im letzten Jahr angemeldet, um gemeinsam biblische Texte zu lesen, Musik zu hören, Videos zu schauen und zu beten. Das hat die Bischöfin in ihrer Überzeugung bestärkt, dass „die Menschen in der Pandemie offener werden und interessierter daran sind, Gott zu begegnen“. In einem Interview mit dem Lutherischen Weltbund und dem Ökumenischen Rat der Kirchen berichten die beiden Kirchenleitenden über ihre Sichtweisen und Hoffnungen für die erfolgreiche Durchführung der zweiten Ausgabe von „Ein spirituelles Haus für Gott“.

Können Sie uns kurz etwas über den Hintergrund der ersten Einkehrtage erzählen, die Sie im vergangenen Jahr organisiert haben?

KJ: Mit kam die Idee eines Tages während meines morgendlichen Gebets und ich schrieb daraufhin den Kardinal an, weil ich das ganze ökumenisch aufziehen wollte. Wir waren uns im Laufe der Jahre mehrfach begegnet und ich hatte zusammen mit anderen Mitgliedern der Schwedischen Kirche schon an einer Reihe von Einkehrtagen oder Klausurtagungen teilgenommen, bei denen der Kardinal gepredigt hatte. Man könnte also sagen, wir hatten schon viel Zeit des Schweigens und der stillen Einkehr miteinander verbracht.

AA: Ganz genau, wir hatten über die Jahre immer mal wieder Kontakt, aber so etwas Besonderes, wie diese Einkehrtage hatten wir noch nicht zusammen gemacht, denn die Idee hatte Bischöfin Karin ja gerade erst gehabt. Es ist aber auch wichtig, den Kontext hier in Schweden zu verstehen. Ich würde es so sagen: Die spirituelle Ökumene ist der lebhafteste Teil der ökumenischen Bewegung, es gibt viele gemeinsame Veranstaltungen und gemeinsame Gebetskreise.

Welche Art von Publikum wollen Sie mit diesen „Stillen Tagen“ ansprechen?

AA: Ich glaube, es sind mehrheitlich Menschen aus lutherischen Kirchen, weil die meisten katholischen Gläubigen in Schweden ursprünglich aus anderen Ländern stammen und es daher für sie etwas schwieriger ist, teilzunehmen. Die meisten Teilnehmenden sind ganz normale Gemeindemitglieder von unterschiedlichen Kirchen und Konfessionen, auch aus den Freikirchen, weil diese mit ihrer ausgeprägten Spiritualität gerne auch zu Veranstaltungen von Gemeinden der katholischen, orthodoxen und lutherischen Kirchen und der Pfingstkirchen gehen. Für viele Menschen ist die Konfession der konkreten Gemeinde nicht so wichtig, so lange sie das Gefühl haben, spirituell vorsorgt zu werden und näher zusammenrücken zu können.

KJ: Die meisten Teilnehmenden kommen aus Schweden, wobei wir das Material in diesem Jahr auch ins Englische und ins Spanische übersetzt haben. Dieses Jahr haben sich mehr als 300 Menschen angemeldet und das Material angefordert und diese Menschen kamen aus den USA, Finnland, Deutschland, Norwegen, dem Vereinigten Königreich, den Niederlanden, Südkorea, Spanien, Belgien, China, Costa Rica, Dänemark, Italien und von den Philippinen.

Im letzten Jahr haben Sie sich mit den Ängsten und Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Pandemie beschäftigt – worum geht es in diesem Jahr schwerpunktmäßig?

AA: Es ging in letzter Zeit viel um die Pandemie, weil es die Menschen sehr beschäftigt und sie ständig darüber sprechen, aber wir haben versucht, den spirituellen Blickwinkel der Menschen zu öffnen und ihnen dabei zu helfen, jetzt rund um das Pfingstfest die Gaben des Heiligen Geistes zu erkennen. Die Nachrichten können uns derzeit ziemlich vereinnahmen, deshalb wollen wir die spirituelle Seite des Lebens etwas mehr betonen und uns auf die frohe Botschaft konzentrieren.

KJ: Im letzten Jahr haben wir für jeden Samstag einen Film gedreht und uns auf das Predigen konzentriert; in diesem Jahr wollen wir dem Dialog mehr Raum geben und die Menschen ermutigen, darüber nachzudenken, wie wichtig der Dialog und das Gespräch mit Gott und mit anderen Menschen ist. Wir wollen uns nicht zwangsläufig zu bestimmten Themen einig werden, sondern vielmehr alle unsere Blickwinkel einbringen und wir selbst sein.

Die Einkehrtage sind kostenlos, aber Sie bitten um Spenden für die Instandsetzung eines katholischen und eines protestantischen Klosters – wissen Sie, wie viel Geld zusammengekommen ist?

AA: Nein, wir kennen keine konkreten Summen, weil bei uns anders mit Spenden umgegangen wird als in anderen Ländern; bei uns gehört es sich nicht, über Geld zu sprechen. Aber es ist gut für die Menschen, etwas über diese religiösen Lebensgemeinschaften erfahren zu haben. Viele katholische Gläubige wissen zum Beispiel nicht, dass es auch lutherische Nonnen gibt; wir konnten also aufzeigen, dass es viel mehr Gemeinsamkeiten gibt, als die Menschen denken.

 Magnus Aronson

Die gemeinsamen Feierlichkeiten von Papst Franziskus und Führungspersonen des LWB zum Reformationsjubiläum haben 2016 in Schweden stattgefunden – hat sich die ökumenische Landschaft in den letzten Jahren verändert?

AA: Die Mitgliederzahlen der katholischen Kirche steigen durch die Immigration und in den letzten Jahrzehnten konnten wir einige lutherische Kirchengebäude kaufen, was gezeigt hat, dass die lutherischen Kirchen es gerne sehen, dass ihre Gebäude Kirchen bleiben, auch wenn sie selbst keine Möglichkeit haben, diese zu erhalten. Seit vielen Jahren nutzen wir mehr als 100 lutherische Kirchen für unsere Gottesdienste und das führt zu einer ganz besonderen Art der Ökumene, wenn die Menschen sogar in das gleiche Kirchengebäude kommen. Es gibt keinen offiziellen theologischen Dialog zwischen der Schwedischen Kirche und der katholischen Kirche, aber wir leben Ökumene im Alltag und durch spirituelles Teilen sowie bei gesellschaftspolitischen Themen wie zum Beispiel Gerechtigkeit für Migrantinnen und Migranten und ökologische Nachhaltigkeit.

KJ: Im Bereich spirituelle Ökumene ist Schweden etwas Einzigartiges, glaube ich. Als ich vor Kurzem für ein Seminar in Wittenberg war, ist mir aufgefallen, dass in Deutschland und Finnland das Hauptinteresse der Dogmatik und der Geschichte gilt und in den USA der Schwerpunkt auf das Familienleben und Mischehen gelegt wird; wir hingegen beten zusammen und machen Dinge gemeinsam. Ich hoffe aber, dass es in Zukunft vielleicht auch einen theologischen Dialog geben wird, der sich zum Beispiel mit unserer gemeinsamen Spiritualität beschäftigt.

Was würden Sie sich wünschen, was das bleibende Vermächtnis dieser gemeinsamen Einkehrtage sein wird?

KJ: Es begeistert und motiviert mich, so etwas wachsen zu sehen. Wir müssen nicht tatenlos rumsitzen und darauf hoffen, dass es einen Dialog geben wird – wir können selbst etwas anstoßen. Es ist außerdem sehr interessant, andere Menschen kennenzulernen und sich anzuhören, wie sie unser Land wahrnehmen, oder sich mit ihnen über spirituelle Themen auszutauschen. Zudem lesen viele Menschen etwas über die Einkehrtage und wenn ich dann Gemeinden in Uppsala besuche, begegnen mir dort katholische Gläubige, die an unseren Gottesdienstfeiern teilnehmen, und dadurch entsteht Freundschaft. Wir hoffen, dass die Menschen erkennen, dass wir alle Schwestern und Brüder sind, und dass ihnen das Mut macht.

AA: Jeder Dialog und Austausch über Gott ist wichtig, damit wir erkennen, dass wir Gott durch einander näher kommen können. In einer individualistischen Gesellschaft wie unserer ist es gut zu erkennen, dass wir einander helfen können, Gott näher zu kommen. Wir hoffen, dass wir den Menschen helfen können, den Mut zu haben, über ihren Glauben zu sprechen, auch wenn sie unterschiedlichen Kirchen angehören. In einem Land, in dem sich so viele Christinnen und Christen unter ihren Kolleginnen und Kollegen und im Freundeskreis isoliert fühlen, hoffen wir, dass es ihnen Freude bereitet, sich über ihre Erfahrungen auszutauschen, und wir bitten Gott, alle Menschen zu segnen, die an den Einkehrtagen teilnehmen.

Von LWB/P. Hitchen. Deutsche Übersetzung: Andrea Hellfritz, Redaktion: LWB/A. Weyermüller