Eine Frage der Würde

6. Nov. 2017
Ein junges Flüchtlingsmädchen aus dem Südsudan macht in Adjumani, Norduganda, ihre Schularbeiten. Die verbesserte Einschulungsrate von Mädchen wird bedroht durch die fehlende Versorgung mit Hygieneartikeln. Foto: LWB/M. Renaux

Ein junges Flüchtlingsmädchen aus dem Südsudan macht in Adjumani, Norduganda, ihre Schularbeiten. Die verbesserte Einschulungsrate von Mädchen wird bedroht durch die fehlende Versorgung mit Hygieneartikeln. Foto: LWB/M. Renaux

Bessere Versorgung mit Hygieneartikeln, damit Mädchen in der Schule bleiben

MOYO, Uganda/GENF (LWI) – Wegen fehlender Hygieneartikel verpasst jedes dritte Mädchen in Uganda monatlich bis zu einer Woche vom Schulunterricht. Dies ist ein Grund dafür, dass der Lutherische Weltbund (LWB) daran arbeitet, das Stigma der Menstruation zu verringern und die Mädchen mit Hygieneartikeln zu versorgen.

„Die rote Tomate ist wieder da…“, so machen sich Jungen in der Grundschule Belle in der Flüchtlingssiedlung Palorinya (Uganda) regelmäßig über Mädchen lustig, auf deren Schuluniform sie von der Monatsblutung verursachte Flecken entdecken. Viele Mädchen machen diese peinliche und stigmatisierende Erfahrung regelmäßig, weiß auch Peace Julius Juru, eine Schülerin aus der sechsten Klasse der Grundschule.

„Meiner Klassenkameradin ist es kürzlich passiert: Ein Junge hat die Flecken bemerkt und damit begonnen, sie ‚die rote Tomate‘ zu rufen“, erinnert sie sich. „Die anderen Jungen sind in diesen Sprechgesang eingefallen und haben sie ausgelacht. Das Mädchen ist in Tränen ausgebrochen, aus dem Klassenzimmer gerannt und der Schule mehrere Tage lang ferngeblieben.“

Jeden Monat vier Tage lang

 

Monatsbinden kosten mehr als sich viele Mädchen leisten können. Daher bleiben die Schülerinnen zuhause und verpassen jeden Monat viel vom Unterricht. Fotos: LWB Uganda

Mary Grace Gala, die Leiterin der Grundschule Belle, hat diese Vorkommnisse häufig beobachtet. 2.500 Mädchen sind in ihrer Schule angemeldet; meist sind sie südsudanesische Flüchtlinge. Viele bleiben wegen ihrer Monatsblutung, nicht vorhandener Hygieneartikel und der Angst vor „der blutigen Beschämung“ jeden Monat mindestens drei Tage lang dem Unterricht fern.

Forschungsarbeiten der Organisation „Build Africa“ haben ergeben, dass 29,7 Prozent der weiblichen Teenager in Uganda innerhalb des 80-tägigen Schultrimesters pro Monatszyklus mindestens 4 Tage verpassen; 24,3 Prozent der Schülerinnen sagten, sie seien stigmatisiert worden und hätten daher beschlossen, bis zum Ende ihrer Blutungen zuhause zu bleiben.

Diese Entwicklung könnte dem Erfolg der vermehrten Schulanmeldungen sowie dem Stand der Alphabetisierung von Mädchen entgegenwirken und damit die Fortschritte des Landes bei der Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung – etwa hochwertige Bildung, Armutsbekämpfung, Gleichstellung der Geschlechter, menschenwürdige Arbeit und nachhaltiges Wirtschaftswachstum – gefährden.

Lumpen als Notlösung

 

Die einzige erschwingliche Alternative sind aus Altkleidern hergestellte wiederverwendbare Hygieneartikel.

Damenbinden kosten in Uganda etwa 2.000 Uganda-Schilling (UGX) (das entspricht in etwa EUR 0,47) pro Packung, und das liegt weit über dem, was sich die meisten Flüchtlingsfamilien leisten können. Die meisten Mädchen in Ugandas Flüchtlingssiedlungen greifen daher statt dessen zu Lumpen, einer unbequemen und unzuverlässigen Alternative, wie Juan Betty Tisa, eine andere Schülerin der Grundschule Belle, erläutert: 

„Jedes Mal, wenn ich aufstehen muss, wickele ich mir einen Pulli um das Gesäß, denn ich kann nie mit Sicherheit wissen, ob die Lumpen nichts haben durchsickern lassen“, und sie fügt hinzu, dass sie an den ersten Tagen ihres Zyklus gewöhnlich zuhause bleibt, weil diese Maßnahme nicht ausreicht.

Andere Schülerinnen haben solche Angst davor, gehänselt zu werden, dass sie es schwierig finden, sich auf den Unterricht zu konzentrieren. An solchen Tagen zur Schule zu gehen sei ungefähr genauso nützlich wie zuhause zu bleiben, meint Winny George Menahal, eine Schülerin der Grundschule Morobi in Palorinya. „Mein Selbstvertrauen löst sich in Luft auf und ich fühle mich unbehaglich. Ich höre kaum, was die Lehrkräfte sagen.“

Die „blutige Beschämung“ ins Reich der Geschichte verbannen

 

Eine LWB-Mitarbeiterin zeigt einer Schülerin, wie man wiederverwendbare Einlagen näht.

Um das Stigma für menstruierende Mädchen zu beseitigen und zu verhindern, dass Schülerinnen den Unterricht verpassen, verteilt der Lutherische Weltbund (LWB) mit Unterstützung seiner Partnerorganisation IOM (Internationale Organisation für Migration) in den Grundschulen der Flüchtlingssiedlung Palorinya kostenlose Monatsbinden an die Mädchen und hat damit begonnen, Frauen und Mädchen darin zu schulen, wiederverwendbare Slip-Einlagen herzustellen. Die Sensibilisierung von Jungen und Mädchen für das Thema Menstruation ist auch Teil der Kampagne.

„Ich habe im August vom LWB eine kostenlose Packung erhalten“, berichtet Juru. Und ihre Mitschülerin Menahal fügte hinzu: „Ich bräuchte jedoch jeden Monat eine. Die Binden sind angenehm zu tragen, sie lecken nie, und ich brauche keine Angst vor Flecken und Hänselei zu haben“.

LWB-Projektleiterin Shyne Nyamatte sagt, die Sensibilisierung von Jungen und Mädchen für Menstruation solle zu einer Verhaltensänderung führen. Dadurch, dass die mit der Monatsblutung verbundenen Mythen und Tabus durchbrochen werden, soll das Menstruationsstigma verhindert werden. „Wir wollen erreichen, dass die Teenager offen und ohne Scheu über Menstruation sprechen, damit die Mädchen diese nicht mit einem Gefühl der Scham, sondern mit Selbstvertrauen erfahren.

 

LWB-Projektleiterin Shyne Nyamatte zeigt, die Lösung des Problems fehlender Hygieneartikel.

Sie will auch dafür sorgen, dass Mädchen bei der Bildung nicht zu kurz kommen. „Mit einer guten Schulbildung kommt eine bessere Zukunft, die dazu beitragen wird, dass die Welt bis 2030 die Ziele für nachhaltige Entwicklung Nr. 1, 4, 5 und 8 erreicht“, erklärt Nyamatte. „Außerdem ist der Zugang zu Monatsbinden eine Frage der Gesundheit und der Würde für Mädchen.“

Nyamatte ruft die Regierung von Uganda dazu auf, bei den Mittelzuteilungen für Flüchtlinge Monatsbinden zu den Grundbedürfnissen zu zählen oder Kurse zu finanzieren, bei denen die Schülerinnen lernen, zuverlässige und wiederverwendbare Hygieneartikel herzustellen.

Das Projekt wird von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) finanziert.

(Von S. Nalubega, übersetzt und redigiert vom LWB-Kommunikationsbüro)

LWF/OCS