„Ein mutiger Raum für einen couragierten Frieden“

14. Feb. 2022
Eine interreligiöse Veranstaltung bei der UN-Klimakonferenz COP26 in Glasgow im November 2021. LWB/A. Hillert

Eine interreligiöse Veranstaltung bei der UN-Klimakonferenz COP26 in Glasgow im November 2021. LWB/A. Hillert

LWB und Partnerorganisationen fördern Engagement junger Menschen im interreligiösen Dialog

GENF, Schweiz (LWI) – Der Lutherische Weltbund hat gemeinsam mit Al Amana, einer ökumenischen und interreligiösen Organisation im Sultanat von Oman, eine Online-Veranstaltung mit dem Thema „Ein mutiger Raum für einen couragierten Frieden: Jugend und interreligiöse Beziehungen in einer Zeit der Ungewissheit“ veranstaltet. Das Event stand im Zeichen der „Woche der interreligiösen Harmonie“ der Vereinigten Nationen, die jedes Jahr in der ersten Februarwoche stattfindet.

Die Veranstaltung war als Plattform für die Förderung eines interreligiösen, von jungen Erwachsenen geführten Dialogs und für Friedensarbeit innerhalb ihrer Gemeinschaften gedacht.

Führungsrollen für junge Menschen

Für Holi Deo, eine Podiumsteilnehmerin, die in Bangladesch in einer komplexen religiösen Demographie mit Menschen muslimischen, hinduistischen, buddhistischen und christlichen Glaubens lebt, ist eine multikulturelle Gesellschaft nicht fremd. Allerdings, so sagte sie, sei der interreligiöse Dialog in ihrem Land „nicht unsere Jugend-Initiative, sondern es sind eher die religiösen Führungspersönlichkeiten, die hier den Anfang machen.“  

„Wir müssen als junge Menschen beginnen, über diese Themen zu sprechen. In meinem Land können wir an den Gesprächen oft nicht teilnehmen, und die Gespräche, die stattfinden, gehen oft nicht weit genug in Richtung Einheit. Nach der Diskussion gehen alle nach Hause, machen die Tür hinter sich und ihrem Leben zu und denken, dass ihre Religionen die besten und die überlegenen seien“, sagte Deo, die Christin ist. 

Deo, die als Praktikantin im Al Amana Centre arbeitet, berichtet darüber, dass das Zentrum gemeinsame Aktivitäten mit Menschen muslimischen und christlichen Glaubens fördere, die es den jungen Menschen erlaubten, „sich mit ihren Gefühlen über ihren Glauben auseinanderzusetzen.“

Vier Podiumsgäste und mehr als einhundert Online-Teilnehmende mit unterschiedlichen religiösen Hintergründen einigten sich auf folgende Ziele: Aufbau von Vertrauen, Lernen voneinander und Aufzeigen von Ähnlichkeiten als Schlüssel für das Öffnen von Türen für den interreligiösen Dialog.

Gegenseitige Inspiration

Die Podiumsgäste und die Teilnehmenden berichteten darüber, wie sie zu Beginn der COVID-19-Pandemie Trost in ihren Glaubenstraditionen und Gemeinschaften gefunden hätten. 

„Ich habe 2020 allein im Ausland studiert. Es war schwer ohne meine Familie, aber ich habe Frieden bei den ‚Ablas‘ in der örtlichen Moschee gefunden, die sich regelmäßig um mich gekümmert haben“, sagte die Podiumsteilnehmerin Seruni Fauzia, eine Jugendvertreterin der Ahmadiyya-Gemeinschaft in Indonesien.  

Viele Menschen haben nicht nur familiäre Geborgenheit und Sicherheit in ihren Glaubensgemeinschaften gefunden, sondern wurden auch Zeugen der Zusammenarbeit dieser unterschiedlichen Konfessionen, die zueinander gefunden haben. Wer während der Pandemie Hilfe brauchte, hat sie hier gefunden. 

„Es war gut zu sehen, wie Menschen aus unterschiedlichen Gemeinschaften während der Quarantäne die Lebensmittelversorgung übernahmen und wie diese Tätigkeit Menschen über ihre Traditionen hinweg verbunden hat“, erinnert sich Fauzia. 

Daphney KiKi, eine junge Teilnehmerin der Evangelisch-Lutherische Kirche Papua-Neuguineas, die in Fidschi studiert und wo Menschen hinduistischen, muslimischen und christlichen Glaubens zusammenleben, berichtet über ein Beispiel für interreligiöser Zusammenarbeit. „Die Bereitschaft, in diesen harten Zeiten gemeinsam zu beten, weist den Weg zu einem zukünftigen interreligiösen Dialog.“

Herausforderungen bleiben

Die jungen Menschen wiesen darauf hin, dass es noch viel Arbeit zu leisten gebe auf dem Weg, „auch über das Konzept der Toleranz hinauszugehen und Einheit und Zusammenarbeit zu erreichen“, so Rebecca Rajakanthan, eine Podiumsteilnehmerin, die der Lutherischen Kirche in Singapur angehört. „Wir beginnen zu erleben, dass sich immer mehr Räume für Dialoge öffnen und dass Menschen erkennen, dass Toleranz allein nicht genügt. Wir brauchen Verständnis und Akzeptanz, und wir müssen lernen, wie wir in der Gemeinschaft liebevoll und respektvoll miteinander umgehen.“

Die jungen Führungskräfte weisen ebenfalls darauf hin, dass das Internet und die sozialen Medien hilfreiche Instrumente für den Dialog seien, aber auch ein „zweischneidiges Schwert sein können“. So begrüßten sie die Technologie als Möglichkeit, unterschiedliche Gemeinschaften zu erreichen, stellten aber auch fest, dass manche soziale Medien Hassreden verbreiteten.

„Die Menschen werden in diese winzigen Online-Gemeinschaften gedrängt, aber es ist schwierig, mit Menschen zu reden, die anders sind als man selbst, wenn man nur Texte über das Internet austauscht“, sagte Podiumsteilnehmer Jamie Cohen, ein jüdischer Amerikaner. 

Abdujalilu Amry Kishama, Jurastudent an der muslimischen Universität von Morogoro, Tansania und ebenfalls Podiumsgast der Veranstaltung, erklärte, für ihn seien Online-Foren wertvolle Instrumente, um Jugendgruppen etwas über den Glauben zu vermitteln und ihnen die Gelegenheit zu bieten, Fragen zu stellen.

Es wurde ebenfalls kritisch angemerkt, dass Frauen in vielen Glaubenstraditionen nur selten zu interreligiösen Dialogen eingeladen würden, und dass die sozialen Medien eine Plattform sein könnten, um diese Stimmen zu hören „und Gespräche über sexuelle Belästigungen zu beginnen.“

„Ich bin davon überzeugt, dass es nicht reicht, auf andere zu warten, wenn ich mich jetzt nach Frieden sehne. Ich muss selbst die ersten Schritte gehen, damit wir uns in einem interreligiösen Dialog begegnen können“, sagte Johanna Kluge, Referentin für internationale Jugendarbeit bei der Evangelisch-Lutherischen Kirche Bayern.

Sowohl der LWB als auch Al Amana freuen sich darüber, dieses Rundtischgespäch mit Gästen zu haben. „Als Programmbeauftragte hören wir zu, lernen und verstehen, wie interreligiöse Begegnungen den Frieden fördern, und das ist mehr als nur ein Slogan“, sagte Sivin Kit, LWB-Programmreferent für öffentliche Theologie und interreligiöse Beziehungen.

Ein Jahr des Friedens

Die Online-Veranstaltung war Teil des LWB-Jugendthemas für ein „Jahr des Friedens“ 2022. Damit sollen „mutige Räume“ geschaffen werden, um weitere Fragen auch nach der „Friede auf Erden“-Adventsveranstaltung des Globalen Netzwerks Junger Reformatorinnen und Reformatoren stellen zu können.  Zu den Fokusthemen gehören die Aneignung von Fähigkeiten für die Friedensarbeit, die Teilnahme an Projekten und Initiativen und die Beteiligung an Gesprächen über Friedensförderung.

„Der interreligiöse Dialog wird oft als eine theoretische Übung angesehen, die Fachleuten oder denjenigen vorbehalten ist, die schon älter und erfahrener sind; oder er gilt als eine Tätigkeit, die überaus formell ist und nichts mit dem alltäglichen Leben zu tun hat“, sagte LWB-Referentin für Jugend, Savanna Sullivan. „Junge Menschen sind aber führend an der interreligiösen Arbeit beteiligt, und sie sind auch dazu in der Lage.“ Der LWB wolle daraus Erkenntnisse gewinnen, die mehr junge Menschen dazu ermutigen können, „einen sinnvollen Beitrag innerhalb ihrer Glaubensgemeinschaften und darüber hinaus zu leisten.“

Von LWB/A. Gray. Deutsche Übersetzung: Detlef Höffken, Redaktion: LWB/A. Weyermüller