Die Veranstaltung am 10. März fand unter dem Titel „Nutzung von Informations- und Digitaltechnologie zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt“ statt. Zu den Teilnehmenden gehörten in erster Linie lutherische Führungspersönlichkeiten aus Afrika, Asien, Europa und Lateinamerika, die den Kampf für Geschlechtergleichheit und mehr Autarkie und Selbstbestimmung für Frauen in ihren Ortskirchen und in ihren nationalen oder regionalen Kontexten an vorderster Front erleben.
LWB-Generalsekretärin Anne Burghardt eröffnete die Diskussion und erinnerte daran, dass „mindestens eine von drei Frauen weltweit wenigstens einmal in ihrem Leben eine geschlechtsspezifische Gewalterfahrung machen wird.“ Damit haben wir es mit „einer der massivsten, gegen Mädchen und Frauen gerichteten Menschenrechtsverletzungen zu tun.“ Aus diesem Grund muss der Schutz gegen diese neuen Formen der Gewalt und Belästigung im Internet „ein zentraler Aspekt der Vereinbarungen sein, die dieses Jahr auf der CSW getroffen werden“, steht sie doch im Zeichen von Innovation, technologischem Wandel und Bildung.
Die digitale Innovation, so Burghardt weiter, müsse besonders die „schlimme“ Situation vieler Frauen und Mädchen im digitalen Süden berücksichtigen, die nur einen erheblich eingeschränkten Zugang zu Technologie haben. Dies sei besonders vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie deutlich geworden. „Als die Bildungsangebote sich auf Online-Plattformen verlagert haben“, konnte Burghardt beobachten, „wurden Millionen von Mädchen zurückgelassen.“ Gleichzeitig, so forderte sie, müsse der technologische Fortschritt auch die Klimakrise mitdenken und von „indigenen Wissensschätzen“ lernen, um mehr Nachhaltigkeit zu erreichen und „die rücksichtslose Ausbeutung natürlicher Ressourcen beenden.“
Ein Podiumsgast war Miriam Alum, die für den LWB in Uganda als Sozialschutzberaterin im Einsatz ist. Sie berichtete über Beispiele ihrer Arbeit mit geflüchteten Frauen und Kindern aus dem Südsudan, Ruanda, Burundi und der Demokratischen Republik Kongo. Zwar habe ihr Land weltweite Anerkennung nach der Aufnahme so vieler Geflüchteter erfahren, aber sie wies darauf hin, dass viele Mädchen und Frauen „zurückgelassen wurden“ und nicht in der Lage seien, eine weiterführende Schulausbildung zu beenden. Die Kosten für den Schulbesuch, schlechte Internetanbindung und eine hohe Zahl von Teenager-Schwangerschaften führen in der Summe dazu, dass Mädchen die Schule abbrechen.
Auf der positiven Seite sei zu vermerken, so Alum, dass es aufgrund der technologischen Entwicklung heute einfacher sei, effizientere Geldüberweisungen per Mobiltelefon zu tätigen, kostenlose Helplines für Überlebende von Gewalttätigkeiten anzubieten sowie ein geographisches Informationssystem zu nutzen, das vom Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) der Vereinten Nationen eingerichtet wurde. Dieses System ermöglicht es, die Aufenthaltsorte besonders gefährdeter Frauen zu lokalisieren und ihnen rechtzeitig zu helfen, damit z. B. eine schwangere Frau rechtzeitig zur Geburt mit der Ambulanz ins Krankenhaus gebracht werden kann oder Frauen professionell geholfen wird, die unter häuslicher Gewalt und Misshandlungen leiden.
Gegen Klischees und patriarchale Normen
Ameera Khamees, Direktorin des LWB Jordanien, arbeitet mit Geflüchteten aus Palästina, Syrien und dem Irak und beschrieb vergleichbare Probleme und Chancen. So zeigt z. B. die Statistik, dass 89 % der Haushalte mindestens über ein Mobiltelefon verfügen und dass 90 % der Haushalte einen Internetzugang haben. Darüber hinaus ist die Zahl der Frauen, die einen Abschluss in den MINT-Fächern haben (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik), deutlich höher als bei den Männern. Trotzdem gebe es, so Khamees, „eine deutliche Disparität zwischen dem Bildungsstand von Frauen und der damit zu erwartenden Karriere.“
Bei den fehlenden Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen in traditionellen „Männerberufen“ geht es „immer um Stereotype und patriarchale Normen“, sagte Khamees. Um diesen Einstellungen etwas entgegenzusetzen, hat der LWB als Pilotprojekt ein „Innovationslabor“ für Teenager eingerichtet, in dem Mädchen und Jungen motiviert werden, digitale Lösungen für Probleme zu finden, mit denen Menschen in ihren Gemeinschaften konfrontiert werden. Dazu gehört z. B. Software, um Menschen mit Behinderungen zu unterstützen. Ältere Frauen erhalten ebenfalls Unterstützung durch die Vermittlung unternehmerischer Fähigkeiten. Gleichzeitig haben jüngere Kinder die Gelegenheit zur Teilnahme an Workshops, um dort (mit ihren Eltern) zu lernen, wie man verantwortungsbewusst mit dem Internet und den sozialen Medien umgeht.