COVID-19: Neue spirituelle Sprache und passgenaue Diakonie gefragt

2. Sep. 2020
Die Lutherische Kirche in Chile organisierte die Lebensmittelverteilung, um Menschen zu helfen, die aufgrund der COVID-19-Pandemie ihre Arbeitsstelle verloren hatten. Foto: ILCH

Die Lutherische Kirche in Chile organisierte die Lebensmittelverteilung, um Menschen zu helfen, die aufgrund der COVID-19-Pandemie ihre Arbeitsstelle verloren hatten. Foto: ILCH

Wie die Lutherische Kirche in Chile mit der Pandemie umgeht

SANTIAGO DE CHILE, Chile/GENF (LWI) – Im Zuge der Coronavirus-Pandemie ist die Lutherische Kirche in Chile (ILCH) von persönlichen Zusammenkünften in der Kirche auf verschiedene Online-Tools und -Plattformen umgestiegen. Zudem hilft sie bedürftigen und arbeitslosen Menschen.

„In einem Netzwerk protestantischer Kirchen, der Plataforma Evangélica de Servicio, arbeiten wir eng zusammen“, erklärt Alexis Salgado, Bischof der ILCH.  „Wir tauschen Ideen und Gedanken aus und koordinieren unsere Hilfsmaßnahmen, um unserer christlichen Verantwortung in Kirche und Gesellschaft während der Pandemie gerecht zu werden.“

In Chile brach die Pandemie im März aus und führte an ihrem Höhepunkt im Juni zum Beinahe-Zusammenbruch des öffentlichen Gesundheitssystems. „Seit Juni werden die bisher unternommenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie durch eine allgemeine Teststrategie ergänzt“, erklärt Salgado. „Aber die Lockerung des Lockdowns schürt die Angst vor einem erneuten Ausbruch und macht sowohl die staatlichen Stellen als auch die Bevölkerung insgesamt weiterhin nervös.“ Bis zum 31. August hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Chile mit seiner Bevölkerung von rund 19 Millionen Menschen 408.009 bestätigte COVID-19-Erkrankte und 11.181 Todesfälle registriert. Dazu werden derzeit täglich zwischen 1.000 und 2.000 Neuinfizierte gemeldet.

Unterstützt wurden verschiedenen Maßnahmen der ILCH durch Hilfe aus dem COVID-19-Soforthilfe-Fonds des Lutherischen Weltbundes (LWB) und durch finanzielle Unterstützung vom Deutschen Nationalkomitee des Lutherischen Weltbundes (DNK/LWB).

Nahrung für Leib und Seele

Während der Pandemie sind viele Menschen in Chile nicht nur besorgt um ihre Gesundheit, sondern auch um ihre finanzielle und wirtschaftliche Lage. Viele verloren ihre Arbeitsstelle; zahlreiche kleine und mittlere Unternehmen mussten schließen. Einige Menschen konnten ihre Jobs zwar behalten, mussten dafür aber deutlich geringere Löhne in Kauf nehmen. Durch den Druck, den verschiedene gesellschaftliche Akteure aufbauten, konnten die Menschen schließlich auf bis zu 10 Prozent ihrer angesparten Renten zugreifen.

„Die staatliche Hilfe in Form von finanzieller Unterstützung oder Nahrungsmittelhilfen ging nur sehr schleppend vonstatten; die Menschen mussten sich gegenseitig mit Nahrungsmitteln unterstützen, und es wurde sogar berichtet, dass Menschen Hunger litten“, sagt Salgado. „Was uns besonders beunruhigt hat, war, dass auch Menschen aus der unteren Mittelschicht betroffen waren.“ In den Gemeinwesen wurden als Antwort Initiativen zum Sammeln von Lebensmittelspenden organisiert und die ILCH hat Lebensmittelpakete an einkommensschwache Bevölkerungsgruppen in Santiago, aber auch in Valparaíso, Valdivia, La Unión, Osorno und Temuco verteilt.

Parallel dazu stellten sich weitere Probleme und Herausforderungen. „Der Verlust von persönlicher Begegnung mit anderen Menschen während des Lockdowns war für alle Altersgruppen in unseren Gemeinden sehr schwer“, berichtet Salgado. „Das Internet war bisher immer ein ‚entfernter Bekannter‘ gewesen; nun aber mussten die Pfarrerinnen und Pfarrer schnell neue Kompetenzen erwerben, um den Kontakt mit den Menschen nicht zu verlieren und ihren Verkündigungsauftrag wahrzunehmen.“

Die Erfahrungen waren positiv und ermutigend: Es ergaben sich neue Möglichkeiten, denn an den Online-Gottesdiensten nahmen mehr Menschen teil als an den Gottesdiensten vor der Pandemie. „Die Zahl der Teilnehmenden verdrei- oder vervierfachte sich zum Teil“, sagt Salgado. Und auch Menschen, die in eine andere Stadt gezogen oder sogar ins Ausland gegangen waren, nahmen teil. „Die Menschen hatten einfach mehr Zeit, und der spirituelle Hunger war groß.“

Auch für die Treffen der Pfarrerinnen und Pfarrer untereinander seien die neuen Technologien von Nutzen: Sie seien weniger zeitaufwändig und kostengünstiger, weil die Reisekosten wegfallen, wenn die Treffen und Tagungen online per Videokonferenz abgehalten werden.

„Dennoch war nicht alles nur gut“, fasst Salgado das Erlebte zusammen. „Für einen Großteil unserer Arbeit ist der persönliche Kontakt einfach unerlässlich.“ Das Gefühl von Gemeinschaft unter den Schwestern und Brüdern in Christus sei schmerzlich vermisst worden und natürlich auch die verschiedenen Aktivitäten, an denen eine große Anzahl Menschen teilgenommen hat.

„Wir hoffen, dass das Erlebte uns helfen kann, unser Kirche-Sein in Zukunft auf vielfältigere Art und Weise zu leben“, erklärt Salgado. „Die Gesellschaft, in der wir leben, ermahnt uns, eine neue Sprache zu sprechen, und hat vielleicht andere Bedürfnisse als die Kirche bisher dachte. Wir sind aufgerufen, empathischer und in unserem diakonischen Engagement wirkungsvoller zu sein.“