COP26: Kirchenleitende fordern ambitioniertere Maßnahmen für Klimagerechtigkeit

10. Nov. 2021
Foto: LWB/Albin Hillert

Foto: LWB/Albin Hillert

Finanazierung für Anpassungs- und Schutzmaßnahmen sowie Ausgleich für Schäden und Verluste gefordert

GLASGOW, Schottland/GENF (LWI) – Die UN-Klimakonferenz COP26 geht diese Woche in ihre entscheidende Runde. Die Führungspersönlichkeiten von Mitgliedskirchen des Lutherischen Weltbundes (LWB) aus aller Welt und ihre ökumenischen Partner haben die Verhandlungsparteien nachdrücklich aufgefordert, die globale Erwärmung zu stoppen, und sich zu konkreten Initiativen zu verpflichten, um den am stärksten betroffenen Menschen Klimagerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Schweden: Die Klimakrise ist auch eine spirituelle Krise

Erzbischöfin Antje Jackelén von der Schwedischen Kirche und LWB-Vizepräsidentin für die nordischen Länder hat sich auf der COP26 mit Gläubigen und Klimaaktivistinnen und -aktivisten getroffen. Gemeinsam mit Sheikh Hassan Rabbani, Imam und muslimischer Kaplan an der Heriot-Watt-Universität und Vorsitzender des Muslimischen Forums Schottland, sowie Tausenden weiteren zivilgesellschaftlichen Akteuren nahm sie an einer Demonstration fürs Klima teil. Sie sprach mit politischen Führungspersonen und forderte sie nachdrücklich auf, ambitioniertere Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen.

Während eines ökumenischen Gottesdienstes in der Kathedrale von Glasgow sprach Jackelén das folgende Gebet: „Wir danken Dir, oh Gott, für den Enthusiasmus und die Visionen einer neuen Generation junger Menschen. Sie erkennen in aller Deutlichkeit die Bedrohung ihrer Zukunft und der Zukunft ihrer Kinder. Gewähre uns, dass die Verpflichtungen, die wir auf der COP26 eingehen, die Menschheit auf einen neuen, richtigeren Weg bringen, der zu einem erfüllteren Leben für sie und alle ihnen nachfolgenden Generationen führt.“

„Die Klimakrise ist auch eine spirituelle Krise“, so Jackelén. „Wir müssen uns mit den Ängsten junger Menschen überall auf der Welt auseinandersetzen, aber auch mit den Schuldgefühlen, die ältere Menschen in dieser Zeit befallen können.“ Generationengerechtigkeit und Gendergerechtigkeit seien wichtige Aspekte im Umgang mit dem Klimanotstand.

Botschaft der LWB Vizepräsidentin Antje Jackelén

Indien: Industrieländer müssen die Folgen der CO2-Belastung für die ärmsten Staaten minimieren

Angelious Michael von der Evangelisch-Lutherischen Kirche Jeypur gehört der Arbeitsgruppe Umweltgerechtigkeit des Nationalen Kirchenrates in Indien (NCCI) an, die eine Erklärung an die COP26-Delegierten, Glaubensgemeinschaften, Staats- und Regierungschefs und andere Stakeholder verfasst hat. Der NCCI hat 76 Mitglieder, darunter protestantische und orthodoxe Konfessionen sowie mehrere nationale Organisationen.

Der NCCI fordert „dringende und verantwortungsbewusste Aktionen, die auf der COP26 zu beschließen sind“, um die CO2-Emissionen zu verringern. Der Rat fordert die entwickelten Nationen ebenfalls nachdrücklich auf, „die Folgen der CO2-Belastung für die ärmsten Länder zu minimieren“ und „alternative, nachhaltige Modelle der Energieerzeugung zu entwickeln.“ Null-Emissionen und die Entwicklung grüner Volkswirtschaften sollten „oberste Priorität“ haben, wenn es um den Ersatz für fossile Energieträger geht.

Der NCCI fordert die politischen Entscheidenden auf, „Sofortmaßnahmen zu ergreifen, um die durch den Klimawandel bedingten Schäden und Verluste zu verhindern.“ Sie müssen die „durch den Klimawandel verursachten Migrationsbewegungen stoppen und weitgehend auf Abbauprojekte verzichten, die schädlich für Wälder, Wasser, Luft und Böden sind und in erster Linie indigene Waldgemeinschaften bedrohen; und sie müssen dafür sorgen, dass das Leben und die Existenzgrundlagen indigener Gemeinschaften „durch adäquate Kompensationszahlungen“ gesichert werden.   

Als Glaubensgemeinschaft verpflichtet sich der NCCI, „das Leben über die Lebensart“ zu stellen und „zu beten, zu meditieren und Gottes Gebote zu bedenken, Gottes Schöpfung wiederherzustellen und Sorge für andere Menschen zu tragen.“ Darüber hinaus verpflichten sich die Mitgliedskirchen des NCCI, „alle unsere Kirchen bis zum Jahr 2030 in grüne Kirchen zu verwandeln“, indem sie energieeffizient werden und auf Kunststoffe verzichten. Sie werden sich „für Klimagerechtigkeit und eine klimaresiliente Gesellschaft einsetzen“, Netzwerke für „eine bessere und nachhaltige Zukunft nachfolgender Generationen aufbauen“, und „mehr Rechenschaftspflicht einfordern.“

Niederlande: Klimabedingte Verluste und Schäden vermeiden, minimieren und bewältigen

Im Namen der Lutherischen Synode der Evangelischen Kirche in den Niederlanden wandte sich Pfr. Dr. Andreas Wöhle mit einer Videobotschaft an die Konferenz.

Wöhle forderte die Staats- und Regierungschefs der Welt nachdrücklich auf, „konkrete Maßnahmen auf der COP26 zu beschließen, um die globale Erwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen.“ Durch den Klimawandel verursachte Schäden und Verluste müssen „verhindert, minimiert und bewältigt werden“, und das gelte besonders für die am stärksten gefährdeten Gemeinschaften im Globalen Süden, die unverhältnismäßig stark vom Klimawandel betroffen sind. Die Synode forderte die entwickelten Länder unmissverständlich auf, „diese Gemeinschaften finanziell gerecht und adäquat zu unterstützen“, damit diese Anpassungs- und Schutzmaßnahmen gegen den Klimawandel ergreifen können.

„Die Stimmen der Gemeinschaften, die nicht an der COP26 teilnehmen können, müssen gehört werden“, verlangte Wöhle nachdrücklich, denn „die Einschränkungen infolge von COVID-19, die ungerechte Versorgung mit Impfstoffen und sich ändernde Vorschriften haben dazu geführt, dass zahlreiche Mitglieder dieser vulnerablen Gemeinschaften im Süden nicht in der Lage waren, an der COP26 hier in Glasgow teilzunehmen.“

„Die Stimme junger Menschen muss gehört werden, um Generationengerechtigkeit herzustellen“, so Wöhle. „Wir fordern Sie auf, der jungen Generation nicht nur zuzuhören, sondern sie aktiv einzubinden, denn der Klimawandel beeinträchtigt in erster Linie ihre Zukunft.

Botschaft der Lutherischen Synode der Evangelischen Kirche in den Niederlanden

Deutschland: Forderung, historische Verantwortung zu übernehmen

In einer gemeinsamen Presseerklärung haben die katholischen und evangelischen Bischöfe der vier Kirchen in Baden-Württemberg die Industrieländer aufgefordert, „ihre historische Verantwortung zu übernehmen.“ Dazu gehört auch die Evangelische Landeskirche in Württemberg.

Mit Blick auf die Weltklimakonferenz in Glasgow fordern Bischöfe eine völkerrechtlich bindende finanzielle Unterstützung des Globalen Südens bei klimabedingten Schäden und Verlusten gemäß dem Verursacherprinzip. Sie fordern ebenfalls Entschädigungen für Schäden im Globalen Süden, die durch den Klimawandel verursacht werden. Damit stellen sie sich hinter die Forderungen von Partnerkirchen im Globalen Süden, deren Länder sehr oft in nicht selbst verschuldete Notlagen geraten. 

Frank Otfried July, Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und Mitglied des LWB-Rates, sagte: „Wir begrüßen es, dass die Bundesregierung noch im Juni dieses Jahres ihren Beitrag für die Klimafinanzierung ärmerer Länder deutlich erhöht hat. Damit können wichtige Projekte zur Emissionsvermeidung und zur Anpassung an den Klimawandel in den Ländern des Südens ermöglicht werden.“

Gleichwohl erfahren die Kirchen durch ihre Partnerschaften „viel über die Auswirkungen des Klimawandels aus erster Hand und überlegen, was wir gemeinsam tun können“, stellen die Kirchen fest. „In dieser bedrohlichen Weltlage fordern wir die Landesregierung auf, ihre Beziehungen zu nutzen, um in Glasgow für eine konsequente Umsetzung des 1,5-Grad Ziels und für den Aufbau von Strukturen zu werben, die gefährdete Länder widerstandsfähiger gegen den Klimawandel machen.“

Die Kirchen haben während extremer Wetterereignisse wiederholt humanitäre Hilfe für ihre Partnerkirchen im Globalen Süden geleistet.

Von LWB/A. Weyermüller. Deutsche Übersetzung: Detlef Höffken

Der LWB nimmt an der 26. UN-Klimakonferenz (COP26) teil, die vom 31. Oktober bis 12. November in Glasgow, Schottland, stattfindet. Dieses Engagement ist Teil der laufenden Bemühungen der lutherischen Weltgemeinschaft, Klimaschutzmaßnahmen und Anwaltschaft auf allen Ebenen zu stärken. Junge Menschen sind hierbei wichtige Akteure des Wandels und bilden den größten Teil der LWB-Delegation zur COP26.