Alter, Geschlecht und Diversität in den Mittelpunkt der Politik für Binnenvertriebene stellen

13. Mai 2020
Binnenvertriebene Rohingya-Mädchen in einem Lager im Bundesstaat Rakhine in Myanmar. Foto: LWB Myanmar/Phyo Aung Hein

Binnenvertriebene Rohingya-Mädchen in einem Lager im Bundesstaat Rakhine in Myanmar. Foto: LWB Myanmar/Phyo Aung Hein

LWB fordert eine inklusive Politik im Umgang mit Binnenvertriebenen

GENF (LWI) – Der Lutherische Weltbund (LWB) hat sich einer Gruppe von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) angeschlossen und fordert eine stärker an den Grundsätzen der Inklusion ausgerichtete Politik von Staaten und anderen Institutionen gegenüber Binnenvertriebenen.

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, hat 2019 eine Expertengruppe zur Binnenvertreibung (High-Level Panel on Internal Displacement) eingesetzt, die Ende Februar ihre erste Tagung in Genf einberufen hat. Guterres eröffnete die Tagung mit der Forderung an die acht Mitglieder der Gruppe, mutige und wegweisende Empfehlungen zu Lösung der globalen Krise der Binnenvertreibung auszuarbeiten.

2019 hat nach Aussage der Vereinten Nationen die Zahl der aufgrund von Konflikten im eigenen Land vertriebenen Menschen die Rekordmarke von 41 Millionen überschritten, während weitere 17 Millionen aufgrund von Naturkatastrophen oder anderer klimabedingter Extremlagen ihre Heimat verlassen mussten.

In einer Eingabe an die Expertengruppe vom 11. Mai hat das NGO-Kollektiv einen Dialog gefordert, um sicherzustellen, dass Aspekte wie Alter, Geschlecht und Diversität sowie Behinderungen in den Mittelpunkt von Diskussionen und politischen Entscheidungen gestellt werden, bei denen es um die Prävention und die Reaktion auf Binnenvertreibungen geht. Die Eingabe weist darauf hin, dass Staaten und Institutionen bisher keine ausreichenden Maßnahmen getroffen hätten, um den Schutz und die Unterstützung spezifischer Gruppen von Binnenvertriebenen wie Frauen, Mädchen, Jugendliche und Kinder zu gewährleisten. Wenn solche Politiken oder Handlungsansätze vorhanden seien, fehle es oft an den adäquaten Ressourcen zu ihrer Umsetzung.

Eine Vielzahl bedrohlicher und schwieriger Situationen

Das NGO-Kollektiv fordert inklusive Konsultationen mit den Binnenvertriebenen selbst und unter Berücksichtigung der Sicherheit und der Würde der Menschen, ihrer Bedarfssituation sowie ihrer unterschiedlichen Fähigkeiten aufgrund des Alters, des Geschlechts oder eventueller Behinderungen. Dies gilt auch für Gruppen, die traditionell in Prozessen der Entscheidungsfindung kaum eine Stimme haben. Probleme wie Sprachbarrieren, fehlende digitale Kenntnisse, begrenzte Konnektivität oder Zugang zu Smartphones müssen ebenfalls bedacht werden; dazu kommen die unwägbaren Folgen der COVID-19-Pandemie.

„Beim LWB wissen wir aus eigener Erfahrung, dass Männer, Frauen, Mädchen, Jungen und Menschen mit Behinderungen oft mit ganz unterschiedlichen Bedrohungen und Herausforderungen konfrontiert werden, wenn für sie das Risiko einer Vertreibung besteht oder sie bereits vertrieben wurden“, sagt Caroline Tveoy von der Anlaufstelle für Gendergerechtigkeit der LWB-Abteilung für Weltdienst. „Als Teil unseres allgemeinen Engagements für Gendergerechtigkeit begrüßen wir deshalb inklusive politische Maßnahmen und Methoden, die Alter, Geschlecht und Behinderung zu einem wichtigen Aspekt aller Interventionen und vorgeschlagenen Lösungen machen und auf diese Wiese dafür sorgen, dass niemand zurückgelassen wird“, fügt sie hinzu.

Wenn über den Schutz und die Unterstützung von Binnenvertriebenen gesprochen werde, gehe es in grundlegender Weise um den Respekt und die Wahrung von Menschenrechten und um Nichtdiskriminierung, heißt es in der Eingabe. Die Reaktion auf jede Binnenvertreibung infolge von Konflikten, Katastrophen, politischen Entwicklungen oder des Klimawandels erfordere, so das Kollektiv, eine auf Rechten basierende Vorgehensweise, die den Menschen an die erste Stelle setzt.

Kreative Handlungsansätze sind gefragt

Bereits im Vorfeld bestehende diskriminierende politische Maßnahmen und Praktiken, so heißt es in der Erklärung, seien mit der Gefahr weiterer Benachteiligungen während der Vertreibung verbunden und könnten die Suche nach Lösungen negativ beeinflussen. Vertriebene Frauen und Mädchen erleben die besondere Gefahr geschlechtsspezifischer Gewalt, während junge Männer und Frauen dem Risiko ausgesetzt sind, Gewalt zu erleiden oder von bewaffneten Gruppen zwangsrekrutiert zu werden. Zu den weiteren Gruppen, deren Menschenrechte im Ernstfall nichts gelten, gehören Kinder, ältere Personen, Menschen mit Behinderungen, Minderheiten, LGBTQI+ und Staatenlose.

Mehr als die Hälfte aller Binnenvertriebenen sind Frauen und Mädchen, die weiterhin Diskriminierungen, Gewalt und Benachteiligungen beim Zugang zu essenziellen Diensten wie Bildung, Gesundheitsversorgung (einschließlich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit) und wirtschaftlichen Möglichkeiten ausgesetzt sind. Binnenvertriebene Mädchen, die nicht zur Schule gehen und keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung haben, sind einem hohen Risiko von Früh- und Zwangsverheiratungen ausgesetzt. Es sind kreative Handlungsansätze erforderlich, um diesen Gruppen zu helfen, zu denen der Zugang aufgrund von Diskriminierung, Stigmatisierung und sozialer Ausgrenzung nur schwer zu finden ist.

Die Eingabe fordert die Expertengruppe nachdrücklich auf dafür zu sorgen, dass Staaten und andere Institutionen eine auf Rechten basierende und inklusive Strategie anwenden, die die Aufnahmegemeinschaften und zurückkehrenden Flüchtlinge und auch diejenigen mit einbezieht, die nicht fliehen konnten und eventuell noch stärker gefährdet sind als die Binnenvertriebenen. Der Bericht und die Empfehlungen der Expertengruppe, so heißt es abschließend in der Eingabe, böten die entscheidende Chance dafür zu sorgen, dass Alter, Geschlecht und Diversität ein zentraler Bestandteil jeder Präventionsmaßnahme und jeder Lösung des Problems der Binnenvertreibung seien und auf diese Wiese dafür gesorgt werde, dass niemand durchs Netz falle.