Aktiv und lebendig

25. Okt. 2018
Carole McCormick im Gespräch mit einer Gottesdienstbesucherin in ihrer lutherischen Kirchengemeinde in Powell River (Provinz British Columbia). McCormick ist eines der jüngsten Mitglieder ihrer Gemeinde und damit diejenige, die einen Großteil der Arbeit leistet, um sie am Leben zu erhalten. Foto: Canada Lutheran

Carole McCormick im Gespräch mit einer Gottesdienstbesucherin in ihrer lutherischen Kirchengemeinde in Powell River (Provinz British Columbia). McCormick ist eines der jüngsten Mitglieder ihrer Gemeinde und damit diejenige, die einen Großteil der Arbeit leistet, um sie am Leben zu erhalten. Foto: Canada Lutheran

Kanada: Lutherische Gemeinden entwickeln Zukunftskonzepte

Winnipeg (Kanada)/Genf (LWI) – Carole McCormick ist 63 und gehört damit zu den jüngeren Mitgliedern der lutherischen Kirchengemeinde in Powell River (Provinz British Columbia). Der Vertrauensfrau des Kirchenvorstands fällt ein erheblicher Teil der innerhalb der Gemeinde zu bewältigenden Aufgaben zu, zumal die meisten anderen Gemeindemitglieder 75 oder älter sind, so dass sich nur noch wenige aktiv einbringen können.

„Man kann von 78-Jährigen wirklich kaum erwarten, dass sie Aufgaben übernehmen wie den Schnee vom Gehsteig zu räumen oder sicherzustellen, dass jeden Sonntag jemand bereitsteht und die Heizung einschaltet. Und es gibt eine Menge solcher Sachen“, stellt McCormick fest.

Überall im Land sind Gemeinden der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Kanada (ELKIK) mit einem sinkenden Gottesdienstbesuch, der Überalterung ihrer Mitglieder und schrumpfenden Mitteln konfrontiert. Besonders akut ist das Problem in ländlichen und entlegenen Orten, wo viele Gemeinden sich keinen Pfarrer oder keine Pfarrerin mehr leisten können und teilweise sogar mit der Frage konfrontiert sind, ob sie ihre Türen ganz und gar schließen müssen.

Trotz dieser Problematik sind gerade die ELKIK-Gemeinden in ländlichen und entlegenen Gebieten fest entschlossen, aktiv und lebendig zu bleiben. Und sie finden unterschiedliche innovative und kreative Ansätze, um das zu erreichen.

Die lutherische Kirchengemeinde in Powell River etwa kam zu dem Schluss, dass ihr aktiver Dienst wichtiger ist als ihre Gebäude. Also verkaufte sie die Kirche und mietete sich in einer anderen ein, so dass die Gemeinde sich jetzt auf ihren Auftrag konzentrieren und die gemeinsam mit anderen Kirchen initiierten Programme weiterführen kann. So wird unter anderem eine Tafel für Bedürftige betrieben und im Rahmen von Patenschaften werden syrische Flüchtlinge begleitet.

„Diese Entscheidung zu treffen fiel uns schwer, aber sie war notwendig“, erläutert McCormick. Und anderen in einer ähnlichen Situation rät sie: „Warten Sie mit Ihrer Entscheidung nicht bis zum letzten Moment.“

„Wir müssen nicht die Kirche offen halten. Wir müssen eine offene Kirche sein.“

In der Provinz Saskatchewan hat sich die Kirchengemeinde in Swift Current zur Drehscheibe für andere ELKIK-Gemeinden in einem Umkreis von 100 Kilometern entwickelt. Dort wird mit einem Modell gearbeitet, das sich vom Pfarrer bzw. der Pfarrerin als Mittelpunkt der Gemeinde verabschiedet hat und die Gemeindeglieder bevollmächtigt, die Seelsorgearbeit weiterzuführen. Hauptamtliche Unterstützung erhalten sie dabei, soweit dies möglich ist.

Pfr. Dr. Greg Kiel und Pfarrerin Linda Hall halten in vier kleinen Gemeinden Gottesdienste, in Swift Current selbst wird ein Sonntagsgottesdienst angeboten. Das System ist nicht perfekt und es verlangt Kiel und Hall viel ab. Aber die Gemeinden können auf eine regelmäßige Betreuung zählen, anstatt die Lücken mit Aushilfsgeistlichen bzw. ehrenamtlichen Lektorinnen und Lektoren zu stopfen oder manchmal ganz auf den Gottesdienst verzichten zu müssen. „Die Menschen wünschen sich Gottesdienste bei ihnen vor Ort“, erläutert Kiel. Sie „wünschen sich eine Kirche, die in der Gemeinschaft vor Ort verwurzelt ist. Das ist der entscheidende Faktor.“

„Wenn es uns darum geht, dass die Kirchentüren auf bleiben, das Licht brennt und die Heizung läuft, dann übersehen wir das Wesentliche“, betont Pfr. David Saude, Koordinator eines Programms zur Predigtausbildung für Laiinnen und Laien. „Wir müssen nicht die Kirche offen halten. Wir müssen eine offene Kirche sein.“

Er führt aus: „Wenn wir meinen, eine kurzfristige Lösung zur Überbrückung reiche aus, wenn wir auf neuen Pfarrnachwuchs warten, dann ist das, als wollten wir aus einer versiegten Quelle schöpfen.“ Es werde niemand eine Berufung spüren, wenn keine fundierte geistliche Bildung – Vertiefung von Glaubenswissen, Einübung in Gebet und Gottesdienst, in das Teilen von Gaben und die Nächstenliebe – stattfinde. „Wenn wir weiter nach einer einfachen Lösung Ausschau halten, hungern wir uns selbst zu Tode.“

Ein Beitrag von Ron Friesen (Winnipeg, Kanada) für die Zeitschrift „Canada Lutheran“, Ausgabe Juni 2018. Übersetzung und Redaktion: LWB-Kommunikationsbüro