Äthiopien: 10 Millionen Menschen droht Hunger

3. Mär. 2016
Woday Gelaye zeigt seine magere Kichererbsen-Ernte. Mittlerweile sind er und seine Familie auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Foto: LWB/Hannah Mornement

Woday Gelaye zeigt seine magere Kichererbsen-Ernte. Mittlerweile sind er und seine Familie auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Foto: LWB/Hannah Mornement

LWB startet Finanzierungsaufruf

Addis Abeba (Äthiopien)/Genf, 1. März 2016 (LWI) – Angesichts der schlimmsten Dürre seit 30 Jahren sind in Äthiopien über 10 Millionen Menschen von Hunger bedroht.

Nach Schätzungen der Vereinten Nationen benötigen 10,2 Millionen ÄthiopierInnen Nahrungsmittelhilfe.

Der Lutherische Weltbund (LWB) unterstützt betroffene Gemeinwesen in mehreren äthiopischen Bundesstaaten.

„So schlimm war es noch nie“, stellt Woday Gelaye (75) fest, der seit über 60 Jahren hier Landwirtschaft betreibt.

„Bei den wiederholten Dürreperioden und der kurzen Regenzeit mit Starkregen sind sogar diese Kichererbsen verkümmert.“ Auf seiner Handfläche liegen ein paar winzige Kichererbsen. Die Ernte reichte nicht aus, seine Familie zu ernähren. Gelaye musste seinen Ochsen zu Geld machen, um zusätzliche Lebensmittel für seine Frau, die acht Kinder und vier Enkelkinder kaufen zu können. Jetzt fehlt ihm das Tier, um seine anderen beiden kleinen Felder zu pflügen – und er hat nichts mehr, was er verkaufen könnte.

Mittel und Kräfte aufgebraucht

Wie Gelaye haben Millionen bäuerliche Familien in Äthiopien inzwischen ihre allerletzten Mittel und Kräfte aufgebraucht. „Seit 2015 sowohl der Frühlings- als auch der Sommerregen – die in Äthiopien Belg und Meher heissen – ausgeblieben sind, sind über 10,2 Millionen Menschen im Land auf Nothilfe angewiesen“, berichtet LWB-Ländervertreterin Sophia Gebreyes. „Die Situation ist sehr kritisch. Die Belg-Regenzeit sollte bald beginnen, aber die normalen Anzeichen, dass der Regen im Anzug ist, fehlen.“

Die sich derzeit entwickelnde Ernährungskrise in Äthiopien ist das Ergebnis des im Vorfeld von El Niño ausgebliebenen Frühlingsregens sowie der durch das Wetterphänomen verursachten Verspätung, Schwankungen und des frühzeitigen Endes der Hauptregenzeit im Sommer. Fast sechs Millionen Kinder sind betroffen. Bisher sind 400.000 Stück Vieh als verendet gemeldet und nach Schätzungen haben 2 Millionen ÄthiopierInnen keinen Zugang mehr zu sicherem Trinkwasser.

LWB unterstützt bäuerliche Familien

LWB-Äthiopien ist seit 43 Jahren im Land präsent und arbeitet in vielen der am schwersten von der Dürre betroffenen Gebiete. Im Distrikt Lalibela führt der LWB ein Projekt durch, das Ernährungssicherheit und Existenzgrundlagen bäuerlicher Familien fördert. In Bale läuft ein Projekt, das mehr Krisenresilienz schaffen soll.

Gelaye und anderen kommt das Saatguthilfe-Programm des LWB zugute. Nach dem Ernteausfall stellte ihm der LWB 31 Kilogramm Saatgut zur Verfügung. Seit 2014 läuft das Projekt zur Ernährungssicherung, das von Canadian Lutheran World Relief (CLWR) unterstützt wird. Die bäuerlichen Familien lernen im Rahmen dieses Projekts Methoden kennen, mit denen sie die Erträge verbessern und sich auf den Klimawandel einstellen können. Shamble gehört zu den Teilnehmenden, die von Anfang an dabei sind. Inzwischen hat er seine erste Ernte eingebracht und sogar einen kleinen Überschuss verkaufen können. „Diejenigen, die an diesen Projekten teilgenommen haben und die Bewässerungsmethoden anwenden, die sie dort kennengelernt haben, kommen mit der Dürre viel besser zurecht als andere. Projekte dieser Art können Menschen sogar in extrem schwierigen Zeiten wie dem El Niño-Jahr ein Sicherheitspolster verschaffen“, so Ländervertreterin Gebreyes.

Die über 4.600 Menschen, die mit dem Projekt erreicht werden, waren also auf die aktuelle Krise besser vorbereitet. Aber zur Verhinderung der jetzt drohenden Katastrophe ist Hilfe in viel grösseren Dimensionen erforderlich. Gemeinsam mit ACT Alliance hat LWB-Äthiopien einen Aufruf zur Finanzierung der Hilfe in Äthiopien veröffentlicht, die jenen Menschen zugutekommen soll, denen es an Nahrungsmitteln oder einem ausreichenden Einkommen fehlt. Dabei geht es z. B. um ein so genanntes „Cash for Work“-Programm in vier Gebieten in Ost-Harerge.

„Menschen und Vieh stehen kurz vor einer Hungersnot“, warnt Gebreyes. „Wenn der Regen nicht kommt, wird die Lage katastrophal.“

Mit Beiträgen von Hannah Mornement.